CO2-Speicherung

Kritik aus Kiel: So reagiert die Politik in SH auf Günthers CCS-Vorstoß

So reagiert die Politik in SH auf Günthers CCS-Vorstoß

So reagiert die Politik in SH auf Günthers CCS-Vorstoß

Frank Jung/shz.de
Kiel
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Umstrittene Technologie: Protest an Schleswig-Holsteins Westküste 2011 gegen damalige Pläne für das dortige unterirdische Speichern von CO2. Foto: Carsten Rehder/shz.de

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Die Initiative von Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) für eine Offenheit gegenüber dem unterirdischen Verpressen von CO2 hat in Schleswig-Holstein eine lebhafte politische Debatte losgetreten. Delikat ist das Thema vor allem für den grünen Koalitionspartner der CDU. Das zeigt auch die Reaktion von Fraktionschef Lasse Petersdotter.

Der grüne Koalitionspartner der CDU sieht ein unterirdisches Verpressen von Kohlendioxid zwar weiter kritisch, schließt aber eine Debatte über die Anwendung der Technologie auch in Schleswig-Holstein nicht kategorisch aus. „CCS darf keine Scheindebatte werden, um wirksamen Klimaschutz zu ersetzen“, warnt Grünen-Fraktionsvorsitzender Lasse Petersdotter gegenüber unserer Redaktion. „Dazu kommt, dass auch die Umweltrisiken durch CCS Teil der Diskussion sein müssen.“

Petersdotter reagierte damit auf einen Vorstoß von Ministerpräsident Daniel Günther (CDU). Der hatte gleich zweimal für eine „offene und ideologiefreie“ Diskussion über CCS (Carbon Capture and Storage) geworben – auf einem Podium bei den „Wackener Teichgesprächen“ im Kreis Steinburg und in der TV-Talksendung „Markus Lanz“. Günther liebäugelt damit, dass sich über das Verpressen von CO2 in unterirdischen Gesteinsschichten Treibhausgas-Emissionen reduzieren und damit die Klimaziele eher erreichen lassen.

„Ich begrüße, dass der Ministerpräsident betont, wie ernst die Klimakrise ist“, unterstrich Petersdotter. Zugleich erinnerte der Grünen-Politiker daran, dass sich der Landtag in Kiel zuletzt im vergangenen Sommer einstimmig gegen CCS ausgesprochen hat. „Dieser Beschluss gilt“, so Petersdotter. „Wenn Daniel Günther schon öffentlich über CCS in Schleswig-Holstein nachdenkt, dann sollte er auch sagen, wo seiner Meinung nach geeignete Standorte liegen und welche Branchen und Sektoren dort CO2 speichern sollten.“

In Dänemark laufen die Vorbereitungen für CCS bereits

Günther hatte von einer möglichen Lagerstätte unter dem deutschen Teil der Nordsee gesprochen. Dänemark bereitet unter dem Meer aktuell ein Verpressen von CO2 vor. Die Ausschreibung für interessierte Firmen laufen. Norwegen und die Niederlande praktizieren CCS bereits jetzt.

Der SSW will das Thema anlässlich von Günthers Äußerungen auf die Tagesordnung der Landtagssitzung in der kommenden Woche holen. Dazu hat die Fraktion heute einen Dringlichkeitsantrag gestellt.

„Fakt ist, dass es dringenden Diskussionsbedarf gibt“, findet der SSW-Abgeordnete Christian Dirschauer. „Ob die Landesregierung unter kollektivem Gedächtnisverlust leidet oder ihr Parlamentsbeschlüsse schlicht egal sind, entzieht sich meiner Kenntnis.“ Mit dem „kollektiven Gedächtnisverlust“ spielt Dirschauer darauf an, dass sich vor einigen Monaten bereits auch Bildungsministerin Karin Prien in ihrer Eigenschaft als stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende offen für CCS gezeigt hatte.

SSW-Abgeordneter Christian Dirschauer zeigt sich unnachgiebig

Der SSW-Mann will an dem bisherigen Nein des Parlaments zu CCS festhalten. „Das Verhalten der Landesregierung trägt massiv zur Verunsicherung der Bürgerinnen und Bürger bei“, kritisiert Dirschauer. „Denn wer auf CCS setzt, nimmt Risiken für Mensch und Umwelt in Kauf, die kaum vorhersagbar und schlimmstenfalls auch nicht beherrschbar sind. Deshalb scheint es dringend geboten noch einmal unmissverständlich klar zu stellen, dass die Legislative in unserem Land diesen Kurs der Landesregierung nicht mitträgt.“

Auch von der SPD hagelt es Kritik an Günthers Vorstoß

SPD-Fraktionsvorsitzender Thomas Losse-Müller begrüßt den Dringlichkeitsantrag des SSW. „Wieder einmal muss die Koalition ihre Position erklären“, stellt Losse-Müller fest. „Es ist erst ein paar Monate her, da haben wir im Landtag gemeinsam beschlossen, dass die Verpressung von Kohlenstoffdioxid unter die Erde für unser Bundesland keine Option ist. Mit seinen jetzigen Äußerungen zum CCS-Verfahren missachtet Günther den Landtagsbeschluss und setzt sich damit über den Willen des Parlaments hinweg.“

Losse-Müller äußert den Vorwurf: „Günthers Vorstoß passt in das übliche Muster der CDU: Lieber über den Weiterbetrieb von Atomreaktoren und die Speicherung von CO2 reden als konkret etwas für den Ausbau der Windkraft und der Wärmenetze zu tun.“

Zustimmung kommt nur von der FDP

Eindeutige Zustimmung erntet Günther allein aus der – von der CDU jedoch aus der Landesregierung herausgedrängten – FDP: Deren Energieexperte Oliver Kumbartzky findet: „Es ist sinnvoll, bei der CCS-Speicherung nicht nur auf Kooperationen mit Skandinavien zu setzen, sondern man sollte auch die Möglichkeiten der Speicherung unter dem eigenen Meer prüfen. Genau wie bei der Kernenergie brauchen wir für Technologien, die einen Beitrag zum Klimaschutz leisten können, eine ideologiefreie Überprüfung.“

Kumbartzky fordert Günther auf, „seine Vorstellungen zügig zu konkretisieren, damit der Landtag und die Bürger wissen, woran sie sind. Der Liberale ist „allerdings gespannt, wie der Ministerpräsident seinen Vorstoß mit dieser Koalition umsetzen will, da sich die Grünen in Schleswig-Holstein bislang am vehementesten gegen CCS ausgesprochen haben.“ Zunehmend stelle sich die Frage, „wo bei Schwarz-Grün noch die Gemeinsamkeiten in der Energiepolitik sind, da man sich auch bei der Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke schon nicht einig war.“

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