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Ein Jahr Schwarz-Grün: Warum sich Daniel Günther über „kleinteiliges Gemaule“ ärgert

Ein Jahr Schwarz-Grün: Warum sich Daniel Günther ärgert

Ein Jahr Schwarz-Grün: Warum sich Daniel Günther ärgert

Kay Müller/shz.de
Kiel
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Verschiebt die Sparliste: Daniel Günther. Foto: Christian Charisius/shz.de

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Regierung und Opposition liefern sich ein Jahr nach dem Start von Schwarz-Grün eine Schlammschlacht im Landtag – jedenfalls benennen das manche so.

Es ist genau 10.15 Uhr als Daniel Günther plötzlich leise wird. Das macht der Ministerpräsident immer dann gern, wenn er etwas Wichtiges zu sagen hat. „Wir werden den Haushaltsentwurf für das kommende Jahr erst im Dezember in den Landtag einbringen.“

Nun mag das für den gemeinen Bürger kaum einen Unterschied machen, ob das Parlament im Herbst oder erst im Winter über die rund 16 Milliarden Euro debattiert, die das Land jedes Jahr einnimmt und ausgibt. Aber es ist eben doch ein Signal, weil die schwarz-grüne Koalition nun ein paar Monate mehr Zeit hat, sich auf mögliche Sparbeschlüsse zu verständigen – und sich Luft verschafft für die zu erwartenden Auseinandersetzungen mit den Menschen, die die Kürzungen treffen werden.

Ministerpräsident erklärt sich – und überzieht

Daniel Günther ist bewusst mit dieser Botschaft in die Mitte des Parlaments gekommen, in der ihn die Opposition schon länger erwartet. „Es ist leichter, den Ministerpräsidenten auf die Bühne des Bayernzelts zu bekommen, als ans Rednerpult im Landtag“, ätzt FDP-Fraktionschef Christopher Vogt mit Blick auf die umstrittene „Layla“-Gesangseinlage des CDU-Chefs auf der Kieler Woche. Vogt hat den Bericht zur Bilanz nach einem Jahr schwarz-grüner Regierung beantragt.

Günther nimmt sich statt der vereinbarten zehn Minuten Rededauer fast das Doppelte an Zeit dafür. Er referiert über die Sprach-Kitas, die das Land gerettet habe, über den Energiegipfel, nach dem die Leute von steigenden Kosten entlastet worden seien oder übers Flüssiggas-Terminal, das in Rekordgeschwindigkeit gebaut worden ist. „Es kann sich sehen lassen, was wir nach einem Jahr geschafft haben“, sagt der Regierungschef – und erntet Gelächter von der Opposition, was Günther als „kleinteiliges Gemaule“ abtut.

SPD-Fraktionschef Thomas Losse-Müller nennt Günthers Bilanz eine „beeindruckende Liste Kleckerkram“. Die Probleme des Landes seien ungelöst, sagt der Oppositionsführer. „Das war kein gutes Jahr für das Land.“ 18000 Kita-Plätze fehlten, 300 Stellen seien allein in der Steuerverwaltung unbesetzt, es würden viel zu wenige Sozialwohnungen gebaut. Und: „Sie haben keinen Plan, wie Sie das mit dem Klimaschutz so hinbekommen, dass er für die Menschen bezahlbar bleibt.“

Opposition hat auch keine konkreten Sparvorschläge

Losse-Müller gelingt es immer mal wieder, die Reihen der Regierungskoalition in Aufregung zu versetzen, wenn er Sätze wie diesen sagt: „Matsch, Morast, Sumpf – deswegen heißt das Ding Schwarz-Grün.“ Aber der Oppositionsführer kann den Schwung nicht durch seine gesamte Rede tragen. Und auch sein Versöhnungsangebot zum Schluss, in dem er dem Ministerpräsidenten anbietet, über die künftige Finanzierung der Ausgaben zu reden, verpufft. Denn Günthers CDU wird sich kaum auf das von Losse-Müller geforderte kreditfinanzierte Milliarden-Paket zum Klimaschutz einlassen.

Christopher Vogt ist schon jetzt schleierhaft, wie die Koalition im Winter einen verfassungskonformen Haushalt vorlegen will. „Der Staat hat zu viele neue Aufgaben bekommen, deswegen versagt er bei seinen Kernaufgaben“, meint der FDP-Fraktionschef, dessen Reden auch schon mal besser gezündet haben. Er fordert, dass die Koalition bei den Kürzungen Schwerpunkte setzt – dass aber Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Digitalisierung unangetastet bleiben müssten.

Wo genau gespart werden soll – das sagt an diesem Tag keiner, auch nicht die Fraktionschefs von CDU und SSW. Und Lasse Petersdotter (Grüne) erklärt nur: „Viele Ideen werden so nicht möglich sein, wie wir uns das vorgestellt haben.“

Aber wie sieht sie nun aus die Zukunft des Landes?

Günther sagt, dass bis 2026 rund 1,2 Milliarden Euro in den Wohnungsbau investiert würden, dass die Krankenhäuser mehr Geld und die Polizei mehr Stellen bekäme. Fast könnte man glauben, das Land habe gar kein Finanzproblem. „Wir drücken uns nie vor unangenehmen Fragen“, sagt Günther.

Spätestens im Herbst wird er liefern müssen. „Das ist ein wahnsinnig schwerer Abwägungsprozess“, sagt der Regierungschef zu möglichen Einsparmaßnahmen. Wenn die feststehen, wird er vielleicht noch einmal leiser werden müssen, damit die Leute es ebenfalls tun und ihm noch zuhören. Denn der Protest dürfte laut werden – dann eben nicht in einem heißen Herbst, sondern in einem heißen Winter.

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