Kommentar

„Ich darf das erste Mal wählen – aber wen?“

Ich darf das erste Mal wählen – aber wen?

Ich darf das erste Mal wählen – aber wen?

Jonna Heiser
Apenrade/Aabenraa
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Was es für sie bedeutet, zum ersten Mal wählen zu dürfen, und was ihr geholfen hat, sich eine Meinung zu bilden, berichtet die „Nordschleswiger“-Praktikantin Jonna Heiser.

Im Juni sind Europawahlen, für mich heißt das, das erste Mal zu wählen. Als mir das bewusst geworden ist, habe ich mich erstmal total gefreut; ich darf endlich Kreuze setzen. Meine Stimme ist gefragt, sie zählt! 

Aber nachdem die anfängliche Euphorie etwas abgeklungen war, und ich mich ausführlich mit meinen Wahloptionen auseinandergesetzt hatte, wurde mir auch klar: So einfach ist das gar nicht. Fast alle Wahlprogramme versprechen Ähnliches, und ob diese realistisch umsetzbar sind, wage ich zu bezweifeln. Vor allem der in den Wahlprogrammen deutlich zu erkennende Rechtsruck machte mir zu schaffen. 

Zudem fiel mir auf, dass ich mich in der Vergangenheit oft von der politischen Meinung meines Umfeldes habe beeinflussen lassen. Was also ist meine ganz eigene Perspektive? Dazu kam, dass in meinem Kreis viele Bekannte momentan frustriert und unzufrieden mit der Politik sind. Sie hinterfragen, ob es sich überhaupt lohnt, wählen zu gehen, wenn sich ohnehin nie etwas ändert. 

Aber da gibt es eine gute Nachricht: Die Wahlbeteiligung bei der Europawahl wird in diesem Jahr als eher gering prognostiziert. Klingt erstmal nicht so positiv, bedeutet aber, der Einfluss jeder Stimme ist umso größer. Da bei dieser Wahl in Deutschland auch zum ersten Mal ab 16 Jahren gewählt werden darf, wäre das die Chance für die jüngere Bevölkerung, ein progressives Europaparlament zu wählen.

Was aber macht man, wenn man auch nach längerer Recherche zu keiner klaren Position gekommen ist. In dem Fall gibt es internetbasierte Wahlentscheidungshilfen. Beispielsweise Danmarks Radio und TV2 bieten so etwas an. In Deutschland ist der Wahl-O-Mat populär. Da ich in Deutschland lebe, habe ich letzteren getestet. Nach 38 Fragen, die die Zukunft Europas thematisieren, wurde mir ein Ergebnis ausgespielt, mit dem ich mich nicht wirklich identifizieren kann. 

Ich musste versuchen, die vorurteilhafte Denkweise, die fast jeder Mensch doch unterbewusst besitzt, abzulegen und unvoreingenommen an die Sache ranzugehen. Mit dieser neuen Mentalität war es tatsächlich einfacher, einen Standpunkt zu finden. Ich hatte mir über den Zeitraum von wenigen Tagen eine komplett neue politische Haltung angeeignet, die nicht von meinen Freunden oder meiner Familie geprägt war.

Und auch, wenn ich mit dem Ergebnis der Wahl vielleicht nicht zufrieden sein werde, so habe ich viel für die Zukunft gelernt. Ich bin politisch auf aktuellem Stand und weiß, wie ich mir ein Bild machen kann. All das, weil ich das erste Mal wählen darf. Das hat mir den Impuls gegeben, mich wirklich intensiv mit dem Thema zu befassen. 

Wählen zu dürfen ist ein Privileg, auch wenn man mit der Politik eventuell nicht ganz zufrieden ist und es schwierig findet, sich für eine Position zu entscheiden. Insbesondere, wenn man den Blick auf Länder wirft, in denen demokratische Wahlen gar nicht möglich sind. Wir haben immerhin eine Stimme und dürfen unsere Meinung einbringen.

Anregungen für Erstwähler

Nachdem ich mich jetzt doch relativ detailliert mit dem Thema erste Wahl auseinandergesetzt habe, sind das meine Tipps für andere Erstwählende:

Bevor du wählst, ist es wichtig, dass du dich gründlich informierst (recherchieren, Podcasts hören, Internetseiten der Parteien, aktuelle Nachrichten verfolgen). Du solltest dich nicht zu sehr von der Meinung anderer beeinflussen lassen und lieber deine eigene Perspektive entwickeln. Schließe niemals von Anfang an etwas aus, bevor du dich damit bekannt gemacht hast. Oft urteilen wir zu schnell und stehen uns damit selbst im Weg. 

Wählen zu können, ist eine Chance, die uns Hoffnung für die Zukunft geben kann. Wenn du trotz Recherche nicht weißt, wie du wählen sollst, gibt es Wahlhilfen wie den Wahl-O-Mat (in Deutschland) oder „Kanditattest“ (in Dänemark). Aber am allerwichtigsten ist, dass wir als Erstwählerinnen und Erstwähler unsere Stimme abgeben, denn sie kann etwas für uns ändern!

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