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Gemeinde Sylt wappnet sich für neuen Punk-Sommer

Gemeinde Sylt wappnet sich für neuen Punk-Sommer

Gemeinde Sylt wappnet sich für neuen Punk-Sommer

Lea Sarah Pischel/shz.de
Sylt
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Punks in Westerland: Besonders rund um den Wilhelminen-Brunnen hatten sich die „Protestcamper“, die mit dem 9-Euro-Ticket nach Sylt gekommen waren, zu Beginn des Sommers 2022 versammelt. Dort gefeiert, aber auch gepinkelt und gepöbelt. Foto: Michael Staudt

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Mit einem Maßnahmen-Katalog will sich die Gemeinde Sylt jetzt auf einen möglichen zweiten Punk-Sommer vorbereiten. Was die Verantwortlichen auf der Insel planen.

Drei Monate lang waren im vergangenen Sommer Menschen nach Sylt gekommen, die sonst nicht zur typischen Urlauber-Klientel auf der Nordseeinsel gehören. Ungezählte Punks hatten im Juni, Juli und August das 9-Euro-Ticket genutzt, um damit auf die Insel zu reisen. Mit ihrer Wildpinkelei, Schnorrerei, den teils lautstarken Protesten, Demonstrationen und bierseligen Feierei hatten sie vielerorts auch für Aufsehen und Unmut auf Sylt gesorgt.

In einem Punk-Protestcamp hatten zeitweise rund 100 Punks sechs Wochen im Park direkt vor dem Rathaus in Westerland gezeltet. Das Camp war zunächst vom Kreis offiziell genehmigt worden.

Mit Zäunen, abgesperrtem Brunnen, einer gemauerten Pinkelmauer und strengen Überwachungen durch Polizei und Ordnungsamt versuchte die Gemeinde das Geschehen in Westerland zu kontrollieren – nicht immer mit Erfolg. Es gab viele Anzeigen wegen Körperverletzung, Ruhestörung und Pöbelei. Immer wieder wurden Punks auch vorläufig von der Polizei festgenommen.

Immer wieder war Kritik laut geworden, warum die Gemeinde Sylt nichts gegen Punks, Proteste und Pöbeleien unternimmt. In einem Interview hatten der erste stellvertretende Bürgermeister der Gemeinde Sylt, Carsten Kerkamm, und Bürgervorsteher Frank Zahel Fehler eingeräumt und auch von Machtlosigkeit gesprochen.

Politiker wollen keinen zweiten Punk-Sommer auf Sylt

„Ein zweites Mal darf sich das Chaos aus dem Sommer 2022 nicht wiederholen, darüber sind wir uns alle einig. Besoffen Leute ansprechen, pöbeln und randalieren geht nicht: Alle müssen sich an die Regeln halten“, sagte Holger Flessau (CDU), Vorsitzender des Hauptausschusses im Gespräch mit shz.de. Zahlreiche Menschen auf Sylt seien jetzt verunsichert und fragten sich jetzt, was die Gemeinde plant.

Mit einem sogenannten Maßnahmenkatalog bereitet sich die Gemeinde Sylt jetzt auf einen möglichen zweiten 9-Euro-Sommer in diesem Jahr vor – um rechtzeitig vorbereitet zu sein. Das geht aus einem Dokument mit dem Betreff „Maßnahmenplan Saison 2023“ hervor, das shz.de vorliegt. Auch wenn noch unklar ist, ob die Punks im Sommer erneut nach Sylt reisen.

„Gemeinsam mit Ihnen wollen wir erörtern, was uns in diesem Jahr möglicherweise erwartet und wie wir Entwicklungen, wie sie uns im vergangenen Jahr beschäftigt haben, wirkungsvoll begegnen können“, heißt es kryptisch in dem Schreiben, in dem Cristina Mölck-Schnittgard von der Inselverwaltung im Auftrag von Bürgermeister Häckel zu einem Treffen am 1. Februar ins Rathaus eingeladen hatte. Man wolle sich über die Saison 2023 austauschen steht dort weiter.

Eingeladen zu dem Treffen waren die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der fünf Gemeinden – Sylt, Kampen, Wenningstedt-Braderup, List und Hörnum – der Bürgervorsteher der Gemeinde Sylt, die Tourismusvertreter der fünf Gemeinden, der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) Sylt, der Verein Sylter Unternehmer (SU), die Sylt Marketing Gesellschaft (SMG) sowie die Polizei. Auch Vertreterinnen und Vertreter aus verschiedenen Fachbereichen waren informiert worden, unter anderen der Bereich Inneres sowie das Ordnungsamt.

Punks: Gemeinde Sylt will jetzt sofort handeln

Dass die Maßnahmen für einen möglichen Punk-Sommer 2.0 laufen, bestätigte auch Bürgermeister Häckel auf Nachfrage von shz.de am Montag. Mit einer speziellen, kleinen Arbeitsgruppe sowie mithilfe eines Anwalts erstellt die Gemeinde jetzt einen Schlachtplan, mit dem sie sich rüstet. „Die große Änderung zur Vorsaison wird sein, dass wir gleich zu Beginn von ersten Auffälligkeiten reagieren und nicht - wie sonst nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip üblich - ansprechen, androhen, handeln“, schreibt das Verwaltungsoberhaupt.

Präventiv, also vor dem Betreten der Insel, dafür sorgen, dass mögliche Punks die Insel gar nicht erst erreichen, sei nicht möglich: „Natürlich darf die Gemeinde Sylt nur in ihrem Gemeindegebiet handeln und nicht auf dem Festland.“

Sylt: Kommen Satzungsergänzungen für die Punks?

Ein Jurist soll unter anderem dabei unterstützen, dass die Gemeinde ihren „Kompetenzrahmen zum Beispiel über Satzungsergänzungen“ voll ausschöpfen könne. Das gelte aber nur für gemeindlichen Kompetenzen: „Auf die Kompetenzen von zum Beispiel Polizei und Kreis Nordfrielsland haben wir keinen unmittelbaren Einfluss“, schreibt Häckel.

Geplant sind dazu jetzt unter anderem Gespräche mit der Versammlungsbehörde des Kreises Nordfriesland, um die Bereiche klar voneinander abzugrenzen und so eine optimale Zusammenarbeit beim Versammlungrecht – gilt für Demonstrationen – zu gewährleisten. 

Dass bis auf den Bürgervorsteher, die gewählten Volksvertreter – also die Fraktionsvorsitzenden, zu denen auch er zählt – nicht an dem Prozess für einen zweiten Punk-Sommer beteiligt werden, sieht Holger Flessau als Frevel der Verwaltung an. „Alle müssen an diesem Prozess beteiligt werden, auch die Selbstverwaltung“, sagte er.

Sylt: Räumung des Camps im September

Nachdem das Punk-Protestcamp Mitte September geräumt worden war, hatten fast alle Punks die Insel verlassen. Nur Jörg Otto (45), Camp-Sprecher und Mit-Organisator, ist geblieben und wohnt inzwischen fest bei seinem „Schatzi“ auf Sylt. Otto engagiert sich seit Jahren bei der Linken und sitzt im Parteivorstand für den Bezirk Hamburg-Mitte. Das will er auch weiterhin tun - künftig von Sylt aus.

Einige Punks waren im Oktober, nur wenige Wochen nach der Räumung zurück nach Sylt gekommen. Mit Flaschenbier und auf Decken sitzend hatten sie es sich zunächst vor dem Rewe-Supermarkt nahe des Bahnhofs in Westerland bequem gemacht. „Wir haben Sylt vermisst“, sagte Punker Bella damals auf Nachfrage von shz.de, der im Sommer viele Tage im Protestcamp in Westerland gelebt hatte. „Jetzt sind wir wieder da, schauen uns die Insel an und gucken mal, was uns noch so einfällt.“

Sylt: Politiker wollen Punks zur Kasse bitten

Zuletzt hatten die Kommunalpolitiker auf Sylt angekündigt, Geld von den Punk-Protestcamplern auf Sylt zu fordern. Mehr als 200.000 Euro soll das Punk-Protestcamp im Sommer 2022 auf der Nordseeinsel nach einer Rechnung der Gemeinde Sylt gekostet haben. Diese Summe will die Kommune nicht allein tragen – und die Punks zur Kasse bitten. „Es wird gerade juristisch geprüft, ob eine anteilige Kostenübernahme durch die beiden Verantwortlichen möglich ist“, sagte Holger Flessau (CDU), Vorsitzender des Hauptausschusses, zuletzt auf Nachfrage von shz.de.

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