Schleswig-Holstein

Frisst der Kormoran den Fischern die Dorsche weg? Studie soll Antworten liefern

Frisst der Kormoran den Fischern die Dorsche weg? Studie soll Antworten liefern

Frisst der Kormoran den Fischern die Dorsche weg?

Susanne Link/shz.de
Lübeck
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Der Kormoran unterliegt dem Schutz der EU-Vogelschutzrichtlinie und darf in Deutschland nicht gejagt werden. Foto: Johannes Radtke/hfr/shz.de

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Wie viel Dorsch fressen Kormorane und welchen Einfluss sie auf den Bestand haben, ist bislang weitestgehend unbekannt. Das Fischereiministerium stellt nun eine geförderte Studie vor, die Licht ins Dunkel bringen soll.

Werner Schwarz stapft mit Fischern durch das an der Trave gelegene Fischerdorf Gothmund. Trüb ist nicht nur das Wetter, sondern auch die Laune. Die Fischer müssen sich an strenge Fangquoten in der westlichen Ostsee halten. Als „mittlere Katastrophe“ bezeichnet der Fischereiminister die Fischerträge, vor allem Dorsch und Hering. „Die Lage der für Schleswig-Holstein charakteristischen Küstenfischerei an der Ostsee ist seit längerer Zeit dramatisch“, sagt Schwarz.

Der CDU-Politiker ist allerdings nicht an die Trave nach Lübeck gefahren, um den Fischern zu sagen, was sie eh schon wissen. Schwarz will Fakten schaffen. Mit einer vom Ministerium geförderten Studie, die untersucht, welchen Einfluss der Kormoran auf den Dorschbestand hat.

Hintergrund: Die Naturschützer geben seit Jahren den Fischern die Schuld an den niedrigen Dorschbeständen, prangern sie für Überfischung an. Durch niedrige Fangquoten soll sich der Bestand erholen. Aber: „Seit drei Jahren sehen wir keine Reaktion“, sagt Uwe Krumme, stellvertretender Direktor des Thünen-Instituts für Ostseefischerei. „Wir wissen, dass die Erwärmung der Ostsee, gepaart mit der Zunahme sauerstoffreicher Bereiche durch die hohe Nährstoffbelastung, den Lebensraum der Dorsche deutlich einschränkt und eine Erholung des Bestandes erschwert.“

Welchen Einfluss haben Kormorane auf den Dorschbestand?

Was die Wissenschaft aber noch nicht weiß: Welchen Einfluss sogenannte Prädatoren wie beispielsweise der Kormoran auf den Bestand haben. Unter Fischern, die beobachten, wie die Wasservögel Dorsch und Hering aus dem Wasser ziehen, wird deshalb seit Jahren gemunkelt. Frisst der Kormoran ihnen ihr Auskommen weg? Eine Untersuchung an der Travemündung bestärkte diesen Verdacht.

„Hochrechnungen ergaben, dass die Kormorane eines einzigen Schlafplatzes am Dassower See in einem Jahr ähnlich viele Dorsche entnommen hatten, wie der deutschen Berufsfischerei im Jahr 2022 als Fangquote zur Verfügung stand“, sagt Uwe Brämick, Direktor des Instituts für Binnenfischerei. Andere Studien zeigen wiederum auf, dass an anderen Orten der Kormoran wenig oder gar keinen Dorsch frisst. In Schleswig-Holstein gibt es aktuell laut Landwirtschaftsministerium rund 3000 Brutpaare und bis zu 18.000 rastende Kormorane, wovon ein Großteil nur saisonal an der Ostseeküste lebt.

Fischereiministerium fördert Studie

„Es bringt nichts, sich an Spekulationen und Vermutungen zu beteiligen“, sagt der Fischereiminister. „Nur auf Basis einer fundierten Datengrundlage können Entscheidungen für eine ökologische und wirtschaftlich nachhaltige Fischerei getroffen werden.“

Diese soll nun mit Hilfe der Studie geschaffen werden. Sowohl an schleswig-holsteinischen Küsten, als auch in Mecklenburg-Vorpommern und Dänemark untersuchen die Wissenschaftler, welchen Anteil Dorsche an der Nahrung des Komorans ausmachen.

„Das ist methodisch nicht ganz einfach“, sagt Brämick. Die Forscher analysieren sogenannten Speiballen, das sind unverdauliche Nahrungsreste, die von Kormoranen ausgewürgt werden. Unverdaulich sind unter anderem die Otolithen von Dorschen, das sind Gehörsteinchen.

Forscher wollen Daten mit unterschiedlichen Methoden erheben

„Wir wissen allerdings, dass nicht alle Nahrungsreste in gleicher Art und Weise unverdaulich sind. Das heißt, es gibt immer ein schiefes Bild, wenn man sich Speiballen anschaut“, erläutert Brämick. Deshalb werden die Forscher auch weitere Methoden ausprobieren, unter anderem DNA-Tests. Um den Einfluss von Kormoranen auf den Dorschbestand zu ermitteln, brauchen die Wissenschaftler auch den Dorschbestand, um die Relation betrachten zu können.

„Ich hoffe, dass die Ergebnisse den Fischern Antworten geben wird. Welche Konsequenzen zu ziehen sind, wird danach zu entscheiden sein“, sagt Schwarz. Die Fischer nicken. Es tut sich was. Nur die vier Jahre, die es braucht, bis Ergebnisse vorliegen, ärgern Wolfgang Albrecht, Vorsitzender vom Fischereischutzverband Schleswig-Holstein. „Uns läuft die Zeit davon, wenn das drei Jahre so weitergeht wie jetzt, dann gibt es keine Fischerei mehr.“

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