Die Erwartungen an den dänischen Weltstar-Entwickler Nicolej Krickau sind immens. Die Fußstapfen, die der 36-Jährige beim Champions-League-Sieger von 2014, dreifachen Deutschen Meister und viermaligen Pokalgewinner ausfüllen muss, sind riesig. Die Zeit, den Erfolgshunger der SG Flensburg-Handewitt und ihrer Fans zu stillen, ist knapp. Unter den vielen Punkten, die der neue Cheftrainer abarbeiten muss, sind auch heikle. Hier ein Blick in das Lastenheft von Nicolej Krickau.

Die Sprache

Nur drei Spieler des kommenden Kaders (Golla, Buric, Blagotinsek) sind mit dem Dänischen nicht vertraut. Da wäre es verlockend, sich überwiegend der Muttersprache zu bedienen. Aber der Trainer eines Spitzenvereins kommuniziert nicht nur nach innen. Fans, Sponsoren und Medien haben einen Anspruch auf das, was der Trainer zu sagen und bisweilen zu erklären hat. Krickau, der Deutsch recht gut versteht und ein wenig spricht, muss seine Kenntnisse schnell auf Top-Niveau bringen.

Die SG-Kultur

Der neue Trainer muss verstehen, wie dieser Verein tickt, dessen Werte verinnerlichen und ein Teil der SG-Familie werden. Die Anhängerschaft verlangt Leidenschaft und Herzblut über die rein sportliche Pflichterfüllung hinaus.

Die Hierarchie

Fünf neue Akteure, darunter maßgeblich spielbestimmende wie Kay Smits und Simon Pytlick, werden Statik und Stimmung im Team verändern. Jim Gottfridsson war der verlängerte Arm von Maik Machulla und Chef im Ring. Nicolej Krickau muss die Neuordnung der Hierarchie geschickt steuern. Auch gilt es für den Dänen, die Enttäuschten, die seinem Vorgänger extrem verbunden waren, schnell für sich zu gewinnen. Interessant ist, ob Johannes Golla Kapitän bleibt oder ob Krickau andere Vorstellungen hat – auch so ein sensibles Thema.

Der Assistent

Mark Bults Entscheidung über den Wunsch von Krickau und Verein, dass er weiter als Co-Trainer arbeitet, steht noch aus. Bleibt der Niederländer, sind Krickaus Geschick und Führungsqualitäten gefragt, um wieder ein starkes Duo zu schmieden. Hilfreich wäre Bult ganz besonders auch durch intime Kenntnis der Bundesliga.

Das SG-Spiel

Nach vier starken Jahren mit zwei Titeln und zwei Vizemeisterschaften begann es im „System Machulla“ zu ruckeln. Das Spiel der SG verlor an Dynamik und Tempo, die noch bis zum Sommer 2021 vorhandene Fähigkeit, Spiele zu drehen und enge Schlussphasen für sich zu entscheiden, nahm immer mehr ab. Auf der Wunschliste aller, die es mit der SG halten, stehen mehr Kreativität und wieder mehr Geschwindigkeit im Angriffsspiel. Hier darf man gespannt sein, was Krickau aus den unterschiedlichen Qualitäten von Gottfridsson, Smits und Pytlick herausholt.

Der Einsatz des siebten Feldspielers ist bestimmt nicht die beste Regel im Handball, aber so lange es sie gibt, sollte sie von einem Top-Team beherrscht werden. Auch die Defensive muss neben der 6:0-Formation weitere jederzeit sichere Varianten im Portfolio haben. Apropos Defensive: Simon Hald ist der schwerste Verlust in der SG-Abwehr. Krickau muss den Mittelblock neu definieren und Gollas Arbeit mit einem neuen Partner abstimmen.

Die Nervenstärke

Nicolej Krickau hat trotz seiner erst 36 Jahre beachtliche Erfolge und Erfahrung vorzuweisen. Aber die Bundesliga ist etwas anderes als die dänische erste Liga. Im Nachbarland geht es für einen Titelkandidaten lange vergleichsweise gemütlich zu. Richtig ernst wird es erst in den Playoffs. Vorher kann man vieles probieren und entwickeln, auch die eine oder andere Niederlage locker verschmerzen. Das geht in der härtesten Liga der Welt nicht. Krickau muss sich auf eine neue Schlagzahl einstellen, seinen Arbeitsstil anpassen und die Nerven bewahren, wenn es kritisch wird.