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Packendes Duell und große Geste: Vingegaard vor Tour-Triumph

Packendes Duell und große Geste: Vingegaard vor Tour-Triumph

Packendes Duell und große Geste: Vingegaard vor Triumph

dpa
Hautacam
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Ein erschöpfter Jonas Vingegaard überquert auf der 18. Etappe der Tour de France allein die Ziellinie. Foto: Thibault Camus/Ritzau Scanpix

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Scharfe Attacken, ein spektakulärer Sturz von Tadej Pogacar und eine große Geste von Triumphator Jonas Vingegaard: Auf der letzten Pyrenäen-Etappe kommt es zum großen Showdown der beiden Topstars.

Monsieur Le Président Emmanuel Macron applaudierte auf dem großen Podium der Tour de France in 1520 Metern Höhe dem neuen Patron Jonas Vingegaard zu und zeigte sich mächtig beeindruckt.

„Das war außergewöhnlich“, sagte der französische Staatschef nach einem denkwürdigen Tag in den Pyrenäen. Wohl wahr, denn Vingegaard machte im Skiort Hautacam nicht nur wie einst sein dänischer Landsmann Bjarne Riis mit dem souveränen Etappensieg den wohl entscheidenden Schritt zum Gesamtsieg, sondern zeigte sich auch als wahrer Champion.

Es war ein Tag der großen Gesten – auf und neben dem Rad. Vingegaard, der nach einem Sturz von Rivale Tadej Pogacar in einer heißen Rennphase wie selbstverständlich wartete. Und der Slowene, immerhin Tour-Champion von 2020 und 2021, der dem Dänen unmittelbar nach dem Ende eines atemberaubenden Duells ehrlich gratulierte. Ein Tag, der viele Sieger hervorbrachte. Und einen traurigen Verlierer: Simon Geschke, dessen Traum vom ersten deutschen Bergtrikot in Paris platzte.

„Das ist unglaublich. Ich habe vor der Etappe mit meiner Frau und meiner Tochter gesprochen und gesagt, dass ich gerne für sie gewinnen würde. Ich bin sehr stolz, dass ich das geschafft habe“, sagte Vingegaard.

Erinnerungen an Ullrich gegen Armstrong

Bis es so weit war, lieferte die 18. Etappe vor allem ein großes Spektakel. Unentwegt attackierte der am Ende zweitplatzierte Pogacar schon am vorletzten Berg das Gelbe Trikot, ehe es auf der halsbrecherischen Abfahrt vom Col de Spandelles zum großen Drama kam.

Erst verhinderte Vingegaard (25) mit einem gekonnten Manöver einen Sturz, dann kam sein Rivale aus Slowenien in einer Kurve zu Fall. Doch Vingegaard zeigte wahre Größe und wartete auf Pogacar. Kurz darauf war der 23-Jährige mit zerfetzter Radhose und aufgeschürftem Bein wieder am Hinterrad. Beide gaben sich die Hand. Erinnerungen an die Duelle zwischen Jan Ullrich und Lance Armstrong wurden wach.

„Er hat sich versteuert und ist in den Schotter gekommen. Natürlich habe ich gewartet“, sagte Vingegaard über die Schlüsselszene.

Kein weiterer Coup von Geschke

Geschke (36) war zu dieser Zeit schon weit abgehängt. Für den gebürtigen Berliner platzte der Traum vom ersten deutschen Bergkönig in Paris. Nach neun Tagen musste der Mann mit dem Vollbart auf der letzten Pyrenäen-Etappe seinen rotgepunkteten Dress wieder hergeben.

Das Bergtrikot schnappte sich stattdessen Vingegaard bei seiner Machtdemonstration auf der superschweren 18. Etappe mit mehr als 4000 Höhenmetern quasi im Vorbeigehen. Nachdem der Däne alle Attacken seines Rivalen Pogacar pariert hatte, versetzte er ihm mit seinem Angriff 4,4 Kilometer vor dem Ziel den K.o. Schon 1996 hatte Riis in Hautacam letzte Zweifel am Tour-Triumph beseitigt – allerdings mit unerlaubten Mitteln, wie er später zugab.

64 Sekunden Vorsprung hatte Vingegaard am Ende, damit liegt er in der Gesamtwertung nun 3:26 Minuten vor Pogacar. Das dürfte reichen, um den zweiten dänischen Toursieg am Sonntag in Paris perfekt zu machen. Denn diesen Rückstand dürfte Alleskönner Pogacar im Einzelzeitfahren am Samstag kaum wettmachen können. Vom Gesamtsieg will der Mann in Gelb noch nichts wissen: „Wenn ich die nächsten beiden Tage überstanden habe, können wir reden.“ Dazu liegt Vingegaard auch in der Bergwertung mit 72 Punkten uneinholbar vor Geschke (64).

Für Geschke waren die Hoffnungen auf einen weiteren Coup im Bergtrikot bereits am Col d'Aubisque dahin. Erst verpasste der 36-Jährige kurz nach dem Start im Wallfahrtsort Lourdes die Ausreißergruppe, dann verlief seine Aufholjagd erfolglos, ehe er schließlich mit herausgestreckter Zunge komplett abreißen lassen musste. Geschke war am Ende seiner Kräfte, nachdem er fast jeden Tag eifrig Punkte geholt hatte. Er erreichte das Ziel mit gut 34 Minuten Rückstand. „Es ist superschade. Das Bergtrikot ist für den besten Bergfahrer, der trägt es jetzt“, sagte Geschke, der als Stellvertreter für Vingegaard und Zweitplatzierter der Wertung aber immerhin das Trikot weiter tragen darf.

Chris Froome positiv auf Corona getestet

Damit steht die Tour erstmals seit 26 Jahren wieder im Zeichen von Danish Dynamite. Der Grand Depart erfolgte passenderweise schon in Kopenhagen, danach sammelten Vingegaard, Mads Pedersen und Magnus Cort Nielsen insgesamt vier Etappenerfolge ein. Zum Vergleich: Gastgeber Frankreich durfte noch gar nicht jubeln.

Für den erfolgreichsten Tour-Teilnehmer im Peloton ist dagegen das Rennen beendet. Chris Froome, der Sieger von 2013, 2015, 2016 und 2017, wurde positiv auf Corona getestet und musste das Rennen aufgeben. Das galt auch für den Spanier Imanol Erviti und den Italiener Damiano Caruso, womit die Tour insgesamt schon 15 Corona-Fälle vermeldete.

Nach den drei schweren Pyrenäen-Etappen dürfen die Stars der Branche am Freitag eine Verschnaufpause einlegen. Die 19. Etappe über 188,3 Kilometer von Castelnau-Magnoac nach Cahors verläuft größtenteils über flaches Terrain.

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