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Testwindräder: Ministerwechsel könnte Entscheidung verzögern

Testwindräder: Ministerwechsel könnte Entscheidung bis 2024 verzögern

Testwindräder: Ministerwechsel kann Entscheidung verzögern

Tondern/Tønder
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Viele Erwachsene, darunter auch die vier Stadtratsmitglieder Bürgermeister Jørgen Popp Petersen, Harald Christensen, Martin Iversen und Allan Svendsen, beteiligten sich an der Aktion der Jugendlichen im Protest gegen die Testwindräder. Foto: Bjarne Lund Henneberg

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Eigentlich sollte der Bau eines dritten Testzentrums für die dänische Windenergie bis zum Jahreswechsel besiegelt sein. Am Wochenende sollte ein deutliches Zeichen in Richtung Christiansborg gesetzt werden. Eine werbewirksame Aktion der Jugendlichen wurde am Sonntag bei großer Beteiligung durchgeführt.

Dass Louise Schack Elholm nicht mehr Ministerin für den ländlichen Raum ist, könnte die Entscheidung über den Bau eines dritten Testzentrums für die dänische Windenergie zeitlich beeinflussen. Bis Dezember war eine Standortwahl erwartet worden.

Elhoms Nachfolger und Parteikollege, Morten Dahlin, der seit vergangener Woche Minister unter anderem für die Landdistrikte ist, könnte um eine Verlängerung bitten, um sich in die Materie einzuarbeiten, die entlang des Nationalparks Wattenmeer auf massiven Widerstand stößt. Dort wird auch um den Verlust des Titels als Weltnaturerbe der UNESCO gebangt.

 

Stadtratsmitglied Allan Svendsen war der Initiator der Aktion. Er hat auch eine Online-Unterschrifteneinsammlung durchgeführt. 1.053 Personen haben unterschrieben. Foto: Bjarne Lund Henneberg

Im Protest fast vereint zeigten sich am Sonnabend Parteien aus der Kommune Tondern, wo der Raum Ballum Enge in größter Gefahr ist, Standort für sechs bis acht Windkraftanlagen bis zu einer Höhe von 450 Metern zu werden.

Wir wollen ein deutliches Zeichen Richtung Kopenhagen setzen.

Flemming Just

Deswegen waren am Sonnabend auf Initiative von Stadtratsmitglied Allan Svendsen (Die Neuen Bürgerlichen) Politikerinnen und Politiker vom Folketing eingeladen worden. Bei einer vierstündigen Busfahrt sollte ihnen der Nationalpark vorgestellt und die entstehenden Konsequenzen erläutert werden.

„Dies ist keine politische Veranstaltung. Vielmehr wollen wir ein deutliches Signal gen Folketing geben“, unterstrich der Vorsitzende des Nationalparks Wattenmeer, Flemming Just.

Flemming Just und seine Vorgängerin Janne Liburd. Sie hatte als Vorsitzende des Nationalparks Wattenmeer den Protest angeschoben. Ihre Tochter Helena war am Sonntag eine der Initiatorinnen der Jugend-Aktion im Kampf gegen die Testwindräder. Foto: Brigitta Lassen

Nur fünf Abgeordnete, Peter Kofod (Dänische Volkspartei), Niels Flemming Hansen (Konservative), Kenneth Fredslund Petersen (Danmarksdemokraterne), Pernille Vermund (Neue Bürgerliche) und Henrik Dahl (Liberale Allianz), sowie die frühere Ministerin Eva Kjer Hansen von Venstre kamen der Einladung nach. Sie zeigten Verständnis dafür, dass keine Regierungsparteien (Venstre, die Sozialdemokraten oder die Moderaten) in der derzeitigen zugespitzten politischen Lage nach Tondern gekommen waren.

„Etwas mehr hätten es gerne sein dürfen. Aber der Weg von Kopenhagen bis zu uns ist scheinbar immer noch ziemlich lang“, erklärte Allan Svendsen etwas enttäuscht, bevor sich der Bus in Richtung Norden in Bewegung setzte.

Der Plan sah vor, dass sich Privatleute in ihren Autos hinter dem Bus mit auf den Weg machen sollten. Beim Verlassen des Parkplatzes hinter dem Rathaus mussten aber etliche wegen des starken Verkehrs lange warten. Die genaue Route des Busses kannten auch nicht alle, der über Ballum ohne Zwischenstopp gen Kammerschleuse in Ripen (Ribe) fuhr. So wurde der Konvoi kleiner und kleiner.

Das war der Rest der Privatautos, die es zur Kammerschleuse schafften, ohne vom Bus abgehängt zu werden. Foto: Brigitta Lassen

Entsprechend ungehalten kamen die Verbliebenen dort an. Nur beim Start und bei der Schleuse bekamen sie Informationen, die die Buspassagiere während der Fahrt bekommen hatten.

Im Dezember 2021 hatten sich Parteien – bis auf die Neuen Bürgerlichen, die Dänemarksdemokraten und die Alternativen – entschieden, untersuchen zu lassen, wo in Dänemark ein drittes Testzentrum gebaut werden könnte. In Østerild und Høvsøre testet die dänische Windindustrie größere und effektivere Prototypen. Am nächsten Standort sollen noch größere Modelle ihre Tauglichkeit zeigen. So soll auch die Position der dänischen Produzenten von Windkraftanlagen gestärkt und ausgebaut werden. Es geht für die Politik also auch um Arbeitsplätze.

DF-Folketingsmitglied Peter Kofod erklärte im Bus, dass es möglich sei, dass seine Partei aus der Absprache austreten werde. DF lehne eine Zerstörung der Natur ab. Das Wattenmeer dürfe daher nicht zugepflastert werden. Er müsse dennoch eine für die Politik etwas vage Antwort geben.

Die erschienenen Politikerinnen und Politiker vom Tonderner Stadtrat und dem Folketing sowie Naturberater Emil Poulsen (3. v. l.) und Karsten Drøjdal, Vorsitzender des Vereins Landsforeningen for Naboer til Kæmpevindmøller (2. v. l.) Foto: Bjarne Lund Henneberg

Folketingsmitglied Henrik Dahl (Liberale Allianz) räumte ein, dass Energie und Umwelt nicht in seinem Ressort liegen. Er würde die Frage aber in seiner Folketingsgruppe ansprechen und ihm sei die Sache wichtig. Schließlich sei er in Scherrebek (Skærbæk) aufgewachsen und in Ripen habe er sein Abitur gemacht.

Vermund musste nach Kopenhagen eilen

Auf halber Strecke musste sich Pernille Vermund ausklinken, da sie sich als Parteivorsitzende nach einem unerwarteten Anruf des Ministers wegen finanzpolitischer Verhandlungen nach Kopenhagen begeben musste. Windräder gehören nicht aufs Festland, sondern aufs Meer, unterstrich sie dennoch vor ihrer Abreise.

Der konservative Niels Flemming Hansen räumte ein, dass eine Entscheidung zugunsten eines Standorts am Wattenmeer zurzeit noch die einfachste Lösung sei.

Der Kommunalvorsitzende der Schleswigschen Partei, Christian Andresen, Stadtratsmitglied Louise Thomsen Terp und der Alt-Kommunalpolitiker Hans-Jürgen Schmidt Meyer (r.) aus Lügumkloster Foto: Brigitta Lassen

Im Bus saßen auch einige Kommunalpolitikerinnen und -politiker aus dem Tonderner Stadtrat, während der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) mit Thiemo Koch und die Schleswigsche Partei in der Kommune Tondern mit ihrem Vorsitzenden Christian Andresen vertreten waren. Unterwegs kam es zu einem stillen Protest einer einzigen Person an der Rosenborg-Kreuzung auf dem Weg nach Jerpstedt (Hjerpsted). Dort stand eine Frau und zeigte ein Schild mit dem Wort „Nej“.

Im Vorfeld war darüber gerätselt worden, ob Stadtratsmitglied Henrik Frandsen von Tønder Listen mitmachen würde. Er ist aber auch Mitglied der Moderaten im Folketing und sitzt in dem Ausschuss für den ländlichen Raum (Udvalg for byer og landdistrikter, kirke for nordisk samarbejde).

Tønder Listen unter Druck

Henrik Frandsen kam nicht. Gleiches galt für die acht Parteikolleginnen und -kollegen von der Tønder Listen. Ihnen wird am 30. November bei der kommenden Stadtratssitzung ein klares Bekenntnis zu den Testwindmühlen abverlangt. Auf Initiative der Konservativen und der Neuen Bürgerlichen soll es zur Abstimmung zu diesem umstrittenen Projekt kommen.

Der Vorsitzende des Nationalparks, Flemming Just, erklärte, dass es mit der Entscheidung zuungunsten eines Standorts in Wattenmeer-Nähe noch lange dauern würde, bevor die großen Industrieanlagen tatsächlich gebaut würden. Die Arbeitsfläche jedes Windrads wird 200 mal 200 Meter groß sein. Die Fundamente würden dort auch liegen bleiben, wenn die Testwindräder zu einem anderen Zeitpunkt mal ausgedient haben. Zudem wird bei jeder Anlage ein 300 Meter hoher Turm gebaut. 70 bis 80 Meter muss in die Tiefe gegraben werden, so Just.

„Es wird Gespräche geben, ob das Wattenmeer seine Auszeichnung als Weltnaturerbe verlieren und ob sich die EU aufgrund der internationalen Vogelschutzreservate gegen diese Pläne aufbäumen wird. Daher steht ein extrem gründlicher Prozess auch in Bezug auf die Umweltverträglichkeit und Bewertung der Konsequenzen bevor.“

„Bei der Suche und Wahl möglicher Standorte ist die Natur überhaupt nicht einbezogen worden. Heute wollen wir ein deutliches Signal senden. So hohe Windräder sind ein gewaltiger Eingriff in die Natur und diese würden ausschließlich Zeugnis von einem Industriemärchen ablegen“, kritisierte Just.

Das Märchen Wattenmeer

Deutliche Worte fand Dänemarks Naturberater des Jahres, Emil Poulsen. Er war aus Kopenhagen angereist, um an dieser Aktion teilzunehmen. Dänemark könne sich in der Frage der Biodiversität nicht mit Ruhm bekleckern. Die Meere seien tot. Dabei seien Freiräume für die Tierwelt so unwahrscheinlich wichtig, auch in Bezug auf die unzähligen Zugvögel, so Poulsen, der auch ein gefragter Naturfotograf ist. „Das Wattenmeer ist für mich wie ein Märchen, in das wir uns als kleine Disney-Prinzessinnen begeben können.“

Emil Poulsen fand klare Worte. Foto: Brigitta Lassen

 

Zu öffentlichen Stellungnahmen kam es bei der Kammerschleuse von Simon Poulsen, Flemming Just und dem Vorsitzenden des Vereins „Landsforeningen Naboer til Kæmpevindmøller“, Karsten Drøjdal, bevor die Heimreise mit einem Abstecher beim Marsk Camp in Scherrebek Richtung Tondern angetreten wurde.

Groß und Klein reihten sich in die Menschenkette ein. Foto: Bjarne Lund Henneberg

Aufruf der Jugend wurde gehört

Für die landesweiten Medien war die werbewirksame Aktion von Jugendlichen am Sonntag von größerem Interesse. Im Protest bildeten zahlreiche Personen eine lange Menschenkette. Nicht nur junge Leute hatten die vier jungen Initiatoren für diese Veranstaltung begeistern können. Sehr viele Erwachsene zeigten ihre Sympathie mit ihrem Kommen.

Öffentlich wirksamer Protest gegen die Testwindmühlen Foto: Bjarne Lund Henneberg
Die Menschenkette wurde länger und länger. Foto: Bjarne Lund Henneberg
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Meinung
Niklas Nissen
„Aufruf an die Jugend: Europawahl am 9. Juni – jede Stimme zählt!“