Neuer Lebensmittelpunkt

Pastorin ist am rechten Ort gelandet

Pastorin ist am rechten Ort gelandet

Pastorin ist am rechten Ort gelandet

Tondern/Tønder
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Hoch hinaus: Der Kirchturm der Christkirche in Tondern ist ein Lieblingsplatz von Pastorin Dorothea Lindow. Foto: Jane Rahbek Ohlsen

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Pastorin Dorothea Lindow hat es keinen Tag bereut, dass sie vor rund einem Jahr aus Eutin nach Tondern umsiedelte. Die Theologin fühlt sich in ihrem neuen Umfeld sehr gut aufgenommen.

Einen Sprung aus Eutin 170 Kilometer gen Norden unternahm Dorothea Lindow vor rund einem Jahr. Die Altenseelsorgerin wechselte damals vom Kirchenkreis Eutin unter das Dach der dänischen Volkskirche, um deutsche Pastorin für Gemeinden in Tondern und Uberg (Ubjerg) zu sein.

Somit trat Dorothea Lindow nicht nur eine neue Stelle an, sondern schlug ihr neues Lebenskapitel auch in einem neuen Land auf.

Besondere Herausforderungen gesellten sich zum Neustart dazu, da sie durch den Corona-Modus manövrieren musste.

Im Fahrwasser von Corona

Stand ihr Anfang im Schatten von Corona, konnte damals keiner vorausahnen, dass das neuartige Coronavirus auch ein Jahr später die Gesellschaft fest in seiner Hand haben würde.

Wie beim ersten Besuch des „Nordschleswigers“ im Pastorat am Kirchplatz 5 im Frühjahr 2020 ist Abstandhalten und Handhygiene auch zwölf Monate später angesagt.

Hinzugekommen ist jedoch das Tragen des Mund-Nasen-Schutzes, das vor einem Jahr kaum jemand in Nordschleswig auf der Palette hatte.

„Dieses Jahr wird es besser"

„Dieses Jahr wird es besser“, strahlt Dorothea Lindow an diesem verhangenen und etwas kühlen Freitagmorgen Zuversicht aus. Sie betont, dass sie sich trotz Corona überall freundlich aufgenommen fühlt.

„Jetzt ist das Impfen angelaufen, und ich denke, die emotionale Hoffnung wird größer, auch weil man schon Menschen kennt, die geimpft sind“, so die Pastorin.
 

Ich fühle mich so richtig angekommen. Es gab keinen einzigen Tag, wo ich dachte, was hast du gemacht? Es hat sich an allen Tagen richtig und stimmig angefühlt und ist total schön.

Dorothea Lindow, Pastorin

Sie hat das Gefühl, dass die Menschen, während der ersten Lockdowns 2020 kreativer waren, als das in diesem Jahr der Fall ist. „Da ist ein bisschen die Kreativität verloren gegangen, oder es ist mühsamer, weil man nur das Durchhalten vor Augen hat“, sagt Dorothea Lindow.

Entscheidung nicht bereut

Für sie ist die Entscheidung, ihre Zelte in Nordschleswig neu aufzuschlagen, genau die richtige gewesen.

„Ich fühle mich so richtig angekommen. Es gab keinen einzigen Tag, wo ich dachte, was hast du gemacht? Es hat sich an allen Tagen richtig und stimmig angefühlt und ist total schön“, so Dorothea Lindow, die sich im Vorfeld nicht monatelang mit der neuen Lebensplanung befasst hatte.

„Ich habe mich im November beworben und wusste im Dezember, dass ich die Stelle bekomme“. Ihr damaliges Gefühl Ende 2019: „Es passt, ich will dahin“, habe sich bestätigt.

Das fürcherlich große Haus

Im Pastorat fühlt sie sich heimisch, obgleich sie bei ihrem ersten Ortstermin ganz und gar nicht von dem Gebäude angetan war.

„Was für ein fürchterlich großes Haus. Dort will ich nicht wohnen“, war der Eindruck, den das Pastorat am Kirchplatz das erste Mal bei ihr auslöste.

Der zu erwartende Biss in den sauren Apfel entpuppte sich jedoch ganz anders, als sie bei ihrem zweiten Besuch in der Dunkelheit vorbeikam und ihre Kolleginnen Licht in den Fenstern hatten.

Dorothea Lindow auf der Fensterbank im Kirchturm Foto: Jane Rahbek Ohlsen

Das Miteinander im Rahmen der Folkekirke mit den dänischen Pastorinnen-Kolleginnen, dem Küster und Organisten sei stimmig.

„Ich habe das Gefühl, dass wir gut zusammenpassen“, so die Pastorin. Sie freut sich auch über die gut harmonierende Zusammenarbeit mit den Pastorinnen Trine Hauge Nielsen und Kirsten Elisabeth Christensen, mit denen sie Tür an Tür lebt.

Eine Frage, die sich vor allem am Anfang stellte, lautete: „Wie gestalten wir Nachbarschaft, wenn man sich nicht besuchen darf? Wir sind uns sympathisch, und alles hat sich gefügt, und bin total glücklich, wie es läuft“, sagt die Mutter von vier erwachsenen Söhnen.

„Wohltuend und berührend"

 Auch in der Gemeinde spüre sie große Wertschätzung. „Das ist wohltuend und berührend. Das erste Jahr ist um, und zu spüren, dass es so eine große Solidarität gibt, ist klasse“, sagt sie.

Als Beispiel für das gute Miteinander erwähnt sie auch Pröpstin Christina Rygaard Kristiansen. Obgleich die Pröpstin nicht aus der Region ist, sei es für sie ganz selbstverständlich gewesen , dass bei den TV-Aufnahmen im vergangenen Jahr auch der deutsche Gottesdienst aufgezeichnet werden sollte.

Neue Aufgabe auf der Insel

Neue Herausforderungen tun sich auf, da Dorothea Lindow neuerdings durch eine strukturelle Veränderung 40 Prozent ihrer Dienstzeit für den Tourismus auf Röm (Rømø) zuständig ist. Die übrige Zeit ist den deutschen Gemeinden in Uberg (Ubjerg) und Tondern vorbehalten.

„Das ist eine gute Ergänzung, und ich erwarte, dass ich etwas von außen in meine Arbeit hier mit reintragen kann. Was heißt Kirche für Gäste, die Urlaub machen? Das ist ein ganz anderer Gemeindebegriff.  Das empfinde ich als Bereicherung und Anregung“, sagt Dorothea Lindow im Pastorat am Tonderner Kirchplatz.

Zu einem Spaß aufgelegt: Dorothea Lindow (l.) und die zwei deutschen Kirchenvertreter in Tondern, Dirk Andresen und Anke Haagensen. Foto: Elise Rahbek

Ein ganz anderes Miteinander

„Es gibt hier eine nette sympathische Art, wenn jemand etwas sagt. Es gibt ganz viel, wo ich bei mir merke, das ist deutsches Denken, deutsche Kultur. Ich erlebe hier ein Miteinander der verschiedenen Menschen auf Augenhöhe."

„Nicht der Beruf, sondern Menschsein ist das, was im Vordergrund steht. Der Deutsche denkt viel stärker in Milieus. Die Flexibilität in dem, was man macht und was vorstellbar ist, erlebe ich hier als viel größer. Und auch neuen Möglichkeiten gegenüber herrscht viel mehr Offenheit“, so die Pastorin. Dies gelte zum Beispiel, wenn jemand beruflich umsatteln würde.

„Ich bin total dankbar, dass ich hier leben und arbeiten darf“, so die Pastorin. Sie hatte bereits 2020 nach einem Besuch bei ihren Eltern in Eutin, als sie Kurs auf Tondern nahm, das Gefühl: „Ich fahre nach Hause."

Pastorin Dorothea Lindow auf dem Weg zu ihrer Einsetzung im Juni 2020 (Archivfoto) Foto: Elise Rahbek

Kontakt zu den Einrichtungen

Coronabedingt ist noch kein direkter Kontakt zur Schule und zum Kindergarten möglich gewesen. „Ich hoffe sehr, dass es irgendwann möglich wird, religiöse Früherziehung oder Kinderkirchenführungen zu machen“, sagt Dorothea Lindow.

Große Freude bereiten der Theologin die Gottesdienste und die Tatsache, dass die Arbeit im Vergleich zu Deutschland keine Verwaltung umfasst.

Spaß am Dänischunterricht

Riesigen Spaß macht ihr der wöchentliche Dänischunterricht in Regie von Ralf Sehstedt gemeinsam mit Büchereileiterin Marie Medow. Mit ihren dänischen Kolleginnen versucht sie zunehmend Dänisch zu sprechen.

Joggen als neue Leidenschaft

In ihrem neuen Wohnort ist sie viel auf dem Fahrrad und zu Fuß unterwegs. „Und dann habe ich angefangen zu joggen. Das hätte ich mir vorher nie vorstellen können“, sagt Dorothea Lindow mit einem Lachen.

Ausschlaggebend dafür war eine Freundin aus Deutschland, die ihr im Oktober eine Sporttasche mit Inhalt geschenkt hatte. Nun schnürt sie morgens die Laufschuhe und ist für eine halbe Stunde unterwegs, wobei es sie über die Sparkassenbrücke im Stadtpark führt.

Unterwegs im Kirchturm Foto: Jane Rahbek Ohlsen

„Vorher wäre es unvorstellbar gewesen, dass ich jogge. Neuerdings stricke ich auch wieder. Das habe ich seit 30 Jahren nicht gemacht“.

Das bestärkt sie auch darin, dass sie nicht nur in ihrem neuen Wirkungskreis, sondern auch bei sich mehr angekommen ist, als das vorher der Fall war.

Mit ihrer Entscheidung Ende 2019 stellte sie somit – zum Glück für sie und ihre Gemeinden – die Weichen für mehr als nur ein Auslandsjahr im nördlichen Nachbarland.

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