Deutsche Minderheit

Unesco-Bewerbung: „Unbedingt nochmal versuchen“

Unesco-Bewerbung: „Unbedingt nochmal versuchen“

Unesco-Bewerbung: „Unbedingt nochmal versuchen“

Sonderburg/Sønderborg
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Der BDN-Kommunikationschef und Leiter des deutschen Sekretariats in Kopenhagen, Harro Hallmann, erzählte den Delegierten der Unesco von der Geschichte der deutschen Minderheit in Nordschleswig. Foto: Karin Riggelsen

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Welchen Wert hat das deutsch-dänische Grenzland für die ganze Welt – mit dieser Frage haben sich Teilnehmende der nordischen Unesco-Länder im Deutschen Museum Nordschleswig auseinandergesetzt.

Es ist nicht alles perfekt im deutsch-dänischen Grenzland, und es brauchte 150 Jahre und sieben Kriege, bis Mehrheit und Minderheit versöhnt und friedlich miteinander leben konnte. Und doch kann die Region als Vorbild für die ganze Welt dienen.

Das stellte die Vorsitzende der norwegischen Unesco-Kommission, Rebekka Borsch, am Rande des Besuches der Unesco-Delegation im Deutschen Museum Nordschleswig fest.

Eine Modellregion im Geiste der Unesco

Die 46-Jährige hofft darauf, dass sich die deutsche und die dänische Minderheit ein weiteres Mal um den Titel „immaterielles Weltkulturerbe“ bei der Unesco bewerben. Eine solche Bewerbung war im Dezember 2021 abgelehnt worden, wie Harro Hallmann vom Bund Deutscher Nordschleswiger (BDN) in seinem Vortrag im Museum zuvor erzählte.

„Die Vorträge hier waren wunderbar und sehr interessant“, so Rebekka Borsch. „Auch das Selbstkritische. Dass man 150 Jahre und sieben Kriege gebraucht hat, um dahin zu gelangen, wo man heute ist. Es ist nicht perfekt und nicht vom Himmel gefallen, aber doch trotzdem ein fantastischer Erfolg. Eine Modellregion, und das ist im Geist der Unesco.“

Rebekka Borsch ist Vorsitzende der norwegischen Unesco-Kommission. Foto: Karin Riggelsen

Die Fragen, wie man langfristigen Frieden schafft und wie in den Köpfen der Menschen Frieden und Versöhnung entsteht, seien elementar wichtig. „Eine Sache ist der Friedensvertrag und die Nicht Präsenz von Krieg. Aber der wirkliche Frieden, die Versöhnung, nur durch diese Arbeit zustande. Und das ist sehr faszinierend zu sehen“, so die gebürtige Deutsche, die vor 20 Jahren nach Norwegen auswanderte und zunächst als Journalistin und später als stellvertretende Ministerin für Bildung und Forschung für die norwegische Regierung arbeitete.

Wie Versöhnung nach einem Krieg entsteht

Wie schafft man es, nach einem Krieg auf eine gute Art und Weise weiterzuleben und Versöhnung zu schaffen – diese Frage sei nicht zuletzt durch den Überfall Russlands auf die Ukraine aktuell geworden.

Während der dreitägigen Konferenz in Sonderburg diskutieren die rund 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmer Aspekte der Unesco-Zusammenarbeit, von Wissenschaft über Bildung bis hin zu Friedensaspekten und kulturellem Erbe.

Die Besuchergruppe schaute sich nach einer Stadtführung am Dienstagmorgen im Deutschen Museum Nordschleswig um. Foto: Karin Riggelsen

Die Kultur des Zusammenlebens zählt, und die Region, die ja doch als ein Friedensbeispiel für die Menschheit steht. Das ist wirklich so groß, und das darf man nicht unterschätzen! In wie vielen Grenzregionen dieser Welt hat man es nicht geschafft, was man hier geschafft hat.

Rebekka Borsch, Vorsitzende der norwegischen Unesco-Kommission

Dass es den Minderheiten im deutsch-dänischen Grenzland im ersten Anlauf nicht gelungen ist, auf die internationale Weltkulturerbe-Liste der Unesco zu gelangen, sollte die Initiatoren nicht davon abhalten, es ein zweites Mal zu versuchen, sagt Borsch.

„Meiner Meinung nach muss man es unbedingt noch einmal versuchen. Weil gerade das immaterielle Weltkulturerbe vonseiten der Unesco erweitert werden sollte. Dass es eben nicht nur Tänze, Produkte und kulturelle Ausdrücke sind, sondern dass eben auch die Kultur des Zusammenlebens zählt. Und die Region, die ja doch als ein Friedensbeispiel für die Menschheit steht. Das ist wirklich so groß, und das darf man nicht unterschätzen! In wie vielen Grenzregionen dieser Welt hat man es nicht geschafft, was man hier geschafft hat. Das ist sehr beeindruckend.“

Ein Ehrenamt für Norwegens Regierung

Die 46-Jährige übt ihr Amt als Ehrenamt aus und ist von der norwegischen Regierung dazu ernannt worden.

In Sonderburg findet derzeit die dreitägige Konferenz der nordischen Unesco-Kommission statt. Die Tagung finde unter anderem deshalb in der Grenzregion statt, „weil wir schauen und lernen wollten, wie man den Aspekt der Minderheiten hier gelöst hat“, erklärt Rebekka Borsch.

Harro Hallmann erläuterte auch die Aufgaben der Schleswigschen Partei – der einzigen regionalen Partei Dänemarks. Foto: Karin Riggelsen

Info: Immaterielles Kulturerbe

  • Das deutsch-dänische Grenzland ist im Dezember 2018 in Deutschland als „immaterielles Kulturerbe“ anerkannt worden, und auch in Dänemark steht es auf der nationalen Liste.
  • Die Unesco bestimmt eine eigene Liste, was weltweit als immaterielles Kulturerbe anerkannt wird. Beispielsweise gehört der bolivianische Karneval dazu (Foto).
  • Als immaterielles Kulturerbe werden kulturelle Ausdrucksformen bezeichnet, die unmittelbar von menschlichem Wissen und Können getragen, von Generation zu Generation weitervermittelt und stetig neu geschaffen und verändert werden.
  • Das immaterielle Kulturerbe ist international und oft national rechtlich geschützt. Die Unesco und Partnerorganisationen versuchen, den Schutz zu koordinieren und sicherzustellen.
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