Auswanderung

„Ein ganz anderes Leben hier. Alles ist entspannter“

„Ein ganz anderes Leben hier. Alles ist entspannter“

„Ein ganz anderes Leben hier. Alles ist entspannter“

Norburg/Nordborg
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Seit rund zwei Monaten leben die Hartmanns in Norburg. Die Auswanderung war nicht leicht hat sich aber gelohnt, findet die Familie. Foto: Karin Riggelsen

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Yevgeniya, Lia Sofie und Mario Hartmann sind ausgewandert – und entdecken ihre neue Heimat in Dänemark. Was ist anders als in Deutschland?

Seit zwei Monaten lebt Familie Hartmann in der Stadt Norburg im Norden der Insel Alsen (Als). Sie haben das gemacht, wovon andere träumen: Sie sind von Deutschland nach Dänemark ausgewandert. Wie haben sie das gemacht? Bei einem Apfelkuchen im neuen Zuhause der Familie erzählen die Hartmanns von ihrem Weg.

„Wir erleben eine enorme Freundlichkeit vonseiten der Dänen“

Mario Hartmann ist 58 Jahre alt und unabhängiger Finanzberater. Und er ist „immer wieder überrascht, wie viele Menschen hier Deutsch sprechen, und wie gerne wir als Zuwanderer gesehen sind. Es ist natürlich immer schwierig, wenn so viele Menschen in ein Land einfallen, im Moment sind das ja viele, die aus Deutschland nach Dänemark ziehen. Aber wir erleben eine enorme Freundlichkeit vonseiten der Dänen – und fühlen uns hier sehr wohl. Es ist ein ganz anderes Leben hier. Alles ist entspannter.“

Der Gedanke, auszuwandern, entwickelte sich im Laufe der Corona-Krise zu einem handfesten Plan. Mario Hartmann kommt aus Bremen. Zusammen mit seiner Frau Yevgeniya und Tochter Lia Sofie zog er zunächst raus aus der Stadt und aufs Land, Richtung Hannover.

Zum neuen Zuhause in Norburg gehört auch ein eigener Apfelbaum. Foto: Karin Riggelsen

Als es losging mit der Corona-Krise, kamen viele Dinge zusammen. „Es war und wurde dort immer schlimmer und unerträglicher, gerade auch im Lockdown. Und wie mit den Kindern umgegangen wurde, das wollten wir nicht länger mitmachen“, erinnert sich Mario Hartmann.

Auch Yevgeniya Hartmann ging es vor allem um das Wohl der Tochter. „Immer wenn wir in Dänemark Urlaub gemacht haben, konnten wir erleben, wie im Alltag an Kinder gedacht wird. Und wie willkommen Kinder sind.“

„Lass uns mal schauen, was wir machen können“

Nach der Westküste Blåvands entdeckten sie Heilsminde (Hejlsminde) bei Hadersleben (Haderslev) für sich, wo sie Urlaub in einem Sommerhaus machten. „Man sitzt abends in diesem Holzhaus über dem Fjord, macht den Ofen an, trinkt ein Gläschen Wein, da haben wir uns immer wohler gefühlt. Im Gegenzug wurde es in Deutschland immer heftiger, und da haben wir uns gesagt: Lass uns mal schauen, was wir machen können.“

Nach ihrem Urlaub im Oktober 2021 werden die Hartmanns konkret. Die Familie verkauft ihr Haus und wohnt zwischenzeitlich zur Miete, während sie sich Häuser in Süddänemark anschaut. Zunächst Besichtigungen bei Hadersleben, dann rückt Alsen in den Mittelpunkt. Immer wieder fahren sie die rund 1.000 Kilometer zur Hausbesichtigung und zurück.

Die Tochter der Familie besucht den deutschen Kindergarten auf dem Kindercampus Lunden. Foto: Karin Riggelsen

Als sie ihr jetziges Haus zum ersten Mal betreten, sind sie zum ersten Mal begeistert. „Es war noch viel schöner als auf den Fotos, und wir haben uns sofort wohlgefühlt – eine unglaublich schöne Atmosphäre“, erinnert sich Mario Hartmann.

Die Entscheidung fiel, das Haus wurde im Frühjahr 2022 gekauft und der Umzug organisiert. Die Auswanderung nahm ihren Lauf.

Im Juli ging es los. Die Speditionsfirma fuhr mit zwei 7,5 Tonnern und dem Hab und Gut der Hartmanns Richtung Norden los – am ersten Sonnabend der Sommerferien. Nach 7,5 Stunden Fahrt und einem ausgewachsenen Stau vor der deutsch-dänischen Grenze kommt die Familie endlich in ihrem neuen Zuhause an. Ein neues Leben beginnt.

Steuern zahlen – in Dänemark gerne

Beruflich plante Mario Hartmann langfristig voraus. Er verkaufte seine Kampfkunstschule für Kinder und meldete als selbstständiger und unabhängiger Finanzberater ein online-basiertes Unternehmen an.

„Ich kann auch dänische Kunden beraten, es geht mir ausschließlich um die Beratung“, erläutert Mario Hartmann.

Er eröffnet demnächst eine Betriebsstätte in Norburg, seine Steuern will er in Zukunft nur noch in Dänemark bezahlen.

In Dänemark werden die Steuern sinnvoll verwendet, findet er. „Allein die Bibliothek. Man kann mit seiner Karte rein und raus, es ist ein Ort, an dem man sich wohlfühlt, wo man gerne sitzt oder etwas schreibt. Und wieder einmal ein Ort, an dem Kinder ganz ausgesprochen willkommen sind!“

Wie toll ist das, wenn ein Land so tickt. Wenn die Menschen verstehen, dass es ein Privileg ist, so was zu haben. Dass sie mit den Dingen achtsam umgehen, weil es ihres ist. Das ist sehr, sehr beeindruckend.

Mario Hartmann, Auswanderer

Die Familie findet: In Dänemark ist alles auf die Bürgerinnen und Bürger ausgerichtet – und auf Kinder. „In der Bibliothek erlebt man, dass da 13-, 14-, 15-jährige Mädchen und Jungen hereinkommen, die sich dort gerne aufhalten. Die mit der Bibliothekarin reden und sich informieren, während daneben auf dem Spielplatz Kinder spielen.“

Gute Erfahrungen mit dem Bürgerservice

Beeindruckend findet die Familie, wie schön alles ist. „Man kommt beispielsweise nach Apenrade rein und sieht merkwürdigerweise keine Graffitis an der Wand. Nichts kaputt geschlagen. Die Stadt ist aufgeräumt, ein neuer Park ist angelegt, es gibt keine Verwüstung. Wie toll ist das, wenn ein Land so tickt. Wenn die Menschen verstehen, dass es ein Privileg ist, so was zu haben. Dass sie mit den Dingen achtsam umgehen, weil es ihres ist. Das ist sehr, sehr beeindruckend.“

Mit dem Bürgerservice der Kommune haben die beiden nur gute Erfahrungen gemacht. „Mir wurde immer mit einer Herzlichkeit geholfen, die wirklich einzigartig war“, sagt die 42-jährige Yevgeniya, die ursprünglich aus der Ukraine kommt und nun Dänisch lernt. „Alle sind freundlich und offen und wollen einem helfen“, stellt sie fest.

Lia Sofie ist mit ihren Eltern nach Dänemark gezogen und wird nächstes Jahr eingeschult. Foto: Karin Riggelsen

„Alle wollen das Problem lösen, das man hat, anstatt es schwieriger zu machen. In dem Moment, wenn man zum Bürgerservice geht, hat man schon kein Problem mehr, weil alle eine Lösung finden wollen“, sagt Mario Hartmann. Ein Problem ist es, wenn man in Bremen sein Auto ummelden will. Die sagen einem: Um 8 Uhr geht es hier los, am besten kommst du um 6 Uhr morgens und ziehst eine Nummer. Das ist dann schon Nummer 200. Wenn man Glück hat, kommt man um 11 Uhr dran. Und dann kommst du da rein und triffst auf einen Mitarbeiter, der einem unfreundlich nicht helfen kann.“

 

Woher kommen diese Unterschiede zwischen Deutschland und Dänemark?

„Ich habe mir neulich die freie dänische Schule vor Ort angeguckt und mit einer Lehrerin gesprochen. Und da habe ich gedacht: Ich will auch noch einmal zur Schule gehen. Ich denke, die Erwachsenen sind hier glücklich, weil die Kinder glücklich sind. Wenn man glückliche Kinder schafft, mit Freiheit und Kreativität, umgeben von schönen Dingen, dann bekommt man solche Erwachsenen, die es zu schätzen wissen.“

Die Direktorin der Schule habe ihn direkt zum spontanen Gespräch eingeladen. „In Deutschland ziehen die Leute ihr Ding durch, in Dänemark wollen die Menschen helfen und eine Lösung finden.“

In Deutschland sei „jeder für sich“, findet Yevgeniya. „Hier ist es mehr ein Gemeinschaftsgefühl, es gibt ein Wir-Gefühl und eine nationale Verbundenheit. In Deutschland hat man den Eindruck, auch aufgrund der Geschichte, dass man sich fast schämt, ein Deutscher zu sein. Dänen haben Wurzeln und Traditionen, finden darin ihre Stärke und ihre Werte.“

Ich nehme das, was ich bekommen kann. Da bin ich jetzt am Anfang nicht wählerisch.

Yevgeniya Hartmann, Neu-Norburgerin

Ob Tochter Lia Sofie ab kommendem Schuljahr in der dänischen Schule um die Ecke eingeschult wird, ist noch offen – sie steht auf der Warteliste. Bis dahin besucht sie den deutschen Kindergarten in Lunden.

Die Hartmanns genießen ihr neues Leben. Mit Sportzentrum und Schwimmhalle um die Ecke, Stränden in nächster Nähe und freundlichen Nachbarn. Für den naturwissenschaftlichen Erlebnispark Universe haben sie bereits eine Saisonkarte gekauft. Das Konzept des spielerischen Lernens für Kinder begeistert die ganze Familie, und im Danfoss-Museum fühlen sie sich in die Zeit von damals zurückversetzt, als die Familie Clausen auf Nordalsen die Grundlagen für einen Weltkonzern legte.

Dänisch lernen – „und dann geht es los“

Für Yevgeniya steht nun auf dem Programm, eine Arbeit zu finden. Zunächst lernt sie Dänisch – „und dann geht es los“, sagt sie. Sie würde am liebsten etwas mit Gartenarbeit und Blumen machen, „aber ich nehme das, was ich bekommen kann. Da bin ich jetzt am Anfang nicht wählerisch“, stellt sie nüchtern fest.

Das neue Leben der Familie hat begonnen – und mit einem frischen Apfelkuchen mit Äpfeln vom eigenen Baum im Vorgarten startet die Familie ins Wochenende.

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