Mobilität

Neuer Nachtzug von Hamburg nach Stockholm hält nicht im Grenzland

Neuer Nachtzug Hamburg-Stockholm: Kein Halt im Grenzland

Neuer Nachtzug Hamburg-Stockholm: Kein Halt im Grenzland

Hamburg/Kopenhagen/Stockholm
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Ein Nachtzug steht im Hauptbahnhof von Stockholm zur Abfahrt bereit.
Ein Nachtzug steht im Hauptbahnhof von Stockholm zur Abfahrt bereit. Foto: Christian Kruse/sj.se

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Seit dieser Woche verkehrt wieder ein Nachtzug von Hamburg nach Stockholm − der SJ Euronight. Reisende können abends in der Hansestadt einschlafen und morgens in der schwedischen Hauptstadt aufwachen. Doch einen Halt im Grenzland gibt es nicht − weder in Flensburg noch in Nordschleswig.

Schon in den 1970er-Jahren fuhren die Menschen mit dem Zug über Nacht in ferne Regionen. Billige Flüge und das Auto zogen den Bahnreisen dann den Stecker. Seit ein paar Jahren erleben die Nachtzüge eine Renaissance und erfreuen sich wieder größerer Beliebtheit. Sie ermöglichen entspanntes Reisen zu verhältnismäßig günstigen Preisen und lassen zudem noch den eigenen ökologischen Fußabdruck schrumpfen.

Nach Jahrzehnten wieder schwedische Nachtzüge zwischen den Metropolen

Eine nicht ganz neue Verbindung gibt es jetzt von Hamburg nach Stockholm. Mit dem SJ Euronight der schwedischen Staatsbahnen können Reisende seit Montagabend täglich ab 21.19 Uhr aus Altona oder dem Hauptbahnhof bis in die schwedische Hauptstadt fahren, wo der Zug um 9.55 Uhr in die Central Station rollt. Aus Stockholm geht es anschließend um 17.34 Uhr zurück in Richtung Hamburg, wo Reisende um 6.37 Uhr ausgeschlafen aussteigen können. Zwölfeinhalb Stunden dauert die Fahrt. Zuletzt war dies vor 28 Jahren möglich. 

Eine Fahrt kostet ab 35 Euro aufwärts, je nachdem, ob jemand im Sitz-, Liege- oder Schlafwagen reisen möchte. Wer es privater mag, bucht eine Schlafkabine für etwas über 200 Euro mit eigenem Bad und WC. 

Die Deutsche Bahn AG hat mir heute mitgeteilt, dass sie für die von ihr betriebenen Strecken nach Kopenhagen/Stockholm einen Halt in SH anstrebt.

Johannes Callsen

Eigentlich startete die Verbindung schon zum 1. September 2022. Weil aber Dänemark die Zulassung für einige Schlafwagen fehlte, fuhr der Zug zunächst mit nur zwei Liegewagen. Die offizielle Eröffnung der Route wurde daher auf den 20. Februar verschoben. Am Montag war laut dem „Norddeutschen Rundfunk (NDR)“ auch der schwedische Botschafter Per Thöresson vor der Abfahrt des „ersten“ Zuges vor Ort. Er lobte den neuen Nachtzug als wichtigen Beitrag zum Klimaschutz und betonte das nachhaltige Reisen mit dem Zug.

Schon Ende März soll die Strecke für die Sommermonate bis September nach Berlin ausgeweitet werden. Dann fahren die Züge ab Hamburg weiter bzw. starten in Berlin.

Kein Halt in Schleswig-Holstein und Jütland

Das Problem für Interessierte aus dem Grenzland: Der Zug hält weder in Schleswig-Holstein noch im Grenzland, obwohl er über Flensburg nach Dänemark fährt. Einzige Haltepunkte in Dänemark sind Odense und Kopenhagen. Wobei Passkontrollen nach Angaben der schwedischen Staatsbahnen mehrmals während der Reise stattfinden können, auch nachts. 

Für Bewohnerinnen und Bewohner in Nord- und Südschleswig ist der Zug daher kaum eine umweltschonende Alternative, müsste man doch zunächst nach Hamburg oder Odense fahren. Allein in Schweden hält der Zug ganze achtmal. 

Neben Pattburg (Padborg) oder Kolding könnten auch Standorte südlich der Grenze eine Option sein. Der deutsche Interessenverband „Pro Bahn“ lobte zwar Anfang Februar in einer Pressemitteilung die Förderung von insgesamt zehn internationalen Bahnverbindungen durch die EU-Kommission, kritisierte aber, dass aktuell kein internationaler Nacht- oder Fernzug in Schleswig-Holstein stoppt. „Auch die neuen Verbindungen würden durch einen Halt gewinnen, immerhin leben allein in den Städten der Kiel-Region 400.000 Menschen.“

Man kann sehr viel machen, und letztlich dient es ja auch der Völkerverständigung.

Karl-Peter Naumann

Pattburg, Flensburg oder Schleswig? 

„Wir begrüßen, dass es wieder Nachtzüge gibt“, sagt Pressesprecher Karl-Peter Naumann auf Nachfrage. Eine bessere Anbindung für die Menschen in Süd- und Nordschleswig wäre aber wünschenswert. Gut halten könne man etwa in Schleswig oder Rendsburg, wobei das weniger attraktiv für Nordschleswigerinnen und Nordschleswiger wäre, sagt Naumann. „Die Schleifenfahrt nach Flensburg kostet viel Zeit, ein Fernbahnhof in Weiche wäre da günstiger.“ Der wird zwar seit Jahren diskutiert, doch noch gibt es ihn nicht. Auch die Trassenvergabe der Deutschen Bahn und die Stationsgebühren seien Faktoren, die bei der Wahl von Haltepunkten hinzukommen, sagt Naumann.

Naumann sagt, noch fehle der europäische Gedanke bei den Staatsbahnen. „Man kann sehr viel machen, und letztlich dient es ja auch der Völkerverständigung.“ Ebenfalls sei die EU hier am Zuge, denn die Zulassungen der Züge müsse einfacher werden.

Auch die verschiedenen Sicherungs- und Stromsysteme etwa in Deutschland und Dänemark sowie Schweden würden manches komplizierter machen, sagt Naumann. Er hoffe, dass mit dem Fehmarnbelt-Tunnel auch Züge fahren, die in beiden Netzen unterwegs sein können.

„Geografisches Pech“ des Grenzlandes

Halte im Grenzland würden mit Komforteinbußen für Reisende einhergehen, sagt Joachim Holstein, Mitglied des europäischen Netzwerkes „Back on Track“, das sich für mehr Nachtzüge und grenzüberschreitenden Zugverkehr in Europa einsetzt. „Nachtzugbetreiber legen großen Wert darauf, ihren Fahrgästen eine durchgehende Nachtruhe bis mindestens 5.30 Uhr zu bieten; Ausstiegshalte vor dieser Zeit werden vermieden. Umgekehrt werden auch Zustiege nach Mitternacht vermieden.“ Es sei gewissermaßen das „geografische Pech“ mancher Regionen, im „Windschatten“ großer Metropolregionen zu liegen, auf die die Fahrpläne von Nachtzügen abgestimmt seien, sagt Holstein.  

Mehr Möglichkeiten durch Fehmarnbelt-Tunnel

Dass das deutsch-dänische Grenzland durch den Bau des Fehmarnbelt-Tunnels abgehängt werde, glaubt Naumann nicht. Die Jütlandroute werde dadurch entlastet und so ergebe sich auch mehr Platz für weiteren Verkehr. 

Einer, der sich ebenfalls für einen Halt im Grenzland einsetzt, ist der Minderheitenbeauftrage der schleswig-holsteinischen Landesregierung, Johannes Callsen. Zu einer verbesserten Zusammenarbeit mit der Region Syddanmark gehöre auch die Mobilität, sagte er in einem früheren Gespräch mit dem „Nordschleswiger“. „Zum Thema habe ich mich bereits an die Deutsche Bahn gewandt und für einen Halt des geplanten neuen Nachtzuges in Schleswig-Holstein auf der Strecke Hamburg-Kopenhagen im Rahmen des Programmes Connecting Europe geworben“, sagt Callsen. 

Minderheitenbeauftragter: Bahn strebt Halt in Schleswig-Holstein an

Daraus wurde bisher zwar nichts – dennoch gelang es Callsen, eine Zusage der Bahn in anderem Zusammenhang zu bekommen: „Die Deutsche Bahn AG hat mir heute mitgeteilt, dass sie für die von ihr betriebenen Strecken nach Kopenhagen/Stockholm einen Halt in SH anstrebt“, so der Politiker am Dienstagabend in einer Mail an den „Nordschleswiger“.

Laut Deutscher Bahn sei es noch zu früh, „um dazu konkrete Aussagen zu treffen“. Doch Halte in Schleswig-Holstein auf den Tages-Zugverbindungen Hamburg-Kopenhagen-Göteborg-Oslo und Prag-Berlin-Hamburg-Kopenhagen seien „angestrebt“. Angepeilt sei 2026, was allerdings auch von der Mitwirkung der EU im Hinblick auf den Abbau von Grenzhindernissen bürokratischer Natur abhängig sei, so die Bahn.

Auch „Pro Bahn“ ist im regelmäßigen Austausch mit dem Nahverkehrsverbund Nah.SH, der Deutschen Bahn und privaten Eisenbahnverkehrsunternehmen wie RDC (Syltshuttle) sowie der Politik. „Es ist gut, dass es jetzt losgeht“, sagt Naumann.

 

Weitere Informationen zu Strecke, Tickets und Haltestellen, sind über snälltåget.se oder die schwedische Staatsbahn zu finden.

Anmerkung der Redaktion: Der Artikel wurde um 18:44 Uhr (21. Februar) und 14:14 (22. Februar) um die aktuellen Aussagen Johannes Callsens bzw. der Deutschen Bahn sowie die von Joachim Holstein ergänzt. 

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