Geschichte

Deutsche Seite im „Abstimmungskampf“ 1920 ausgebremst

Deutsche Seite im „Abstimmungskampf“ 1920 ausgebremst

Deutsche Seite im „Abstimmungskampf“ 1920 ausgebremst

Tondern/Tønder
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Martin Klatt (l.) sprach über die Rolle der Sozialdemokraten bei der Abstimmung, Frank Lubowitz (r.) stellte den deutschen Werbefeldzug vor. Axel Johnsen (M.) leitete die lebhafte Diskussion. Foto: Volker Heesch

Volles Haus bei gemeinsamer Veranstaltung von Historisk Samfund for Sønderjylland, BDN und Archiv/Historische Forschungsstelle im Tonderner Museum. Auch Geld spielte bei der Werbung 1920 eine Rolle.

Die deutsche Abstimmungspropaganda knüpfte auch an die von Preußen verdrängte Idee eines unabhängigen Schleswig-Holsteins an. Sichtbar an den Schleswig-Holstein-Farben auf dem Plakt von 1920. Foto: Museum Sønderjyllnd

Die deutsch gesinnten Schleswiger sind Ende 1918 von der deutschen Kriegsniederlage und der daraufhin neu auf der Tagesordnung stehenden Frage der staatlichen Zugehörigkeit des seit 1864 von Preußen beherrschten einstigen Herzogtums überrascht worden. Das erfuhren die weit über 100 Interessierten bei der gemeinsamen Veranstaltung des dänischen Geschichtsvereins „Historisk Samfund for Sønderjylland“, des Bundes Deutscher Nordschleswiger und des Archivs/Historische Forschungsstelle der deutschen Volksgruppe im Pumpenhaus des Tonderner Museums.

Werbung für Verbleib ganz Schleswigs bei Deutschland

Archivleiter Frank Lubowitz berichtete dabei über die Werbung für einen Verbleib ganz Schleswigs bei Deutschland. Wobei der eilig gebildete Deutsche Ausschuss für das Herzogtum Schleswig vor allem auf historische Rechte pochte. Historiker Martin Klatt, Süddänische Universität Sonderburg, lieferte Einblicke in die bedeutende Rolle der Sozialdemokraten bei den Volksabstimmungen.

Sozialdemokraten mit Sonderrolle

Bei diesen waren auch im überwiegend dänisch geprägten Nordschleswig viele führende Figuren, die während der Revolutionstage im November 1918 in Arbeiter- und Soldatenräten dominierten, dem deutschen Lager zuzuordnen.

Neue Grenzziehung wurde aktuell

Im Sinne der traditionell internationalistisch ausgerichteten Sozialdemokratie hatten deren Mitglieder in der neuen Regierung in Berlin nach dem Sturz des Kaisers einen gegenüber den Ende 1918 lauter werdenden Forderungen nach einer neuen Grenzziehung in Schleswig aus dem dänischen Lager Verständnis signalisiert.

Lubowitz erläuterte, dass das eine Rolle spielte, dass die deutsche Werbung für einen Verbleib Schleswigs beim Deutschen Reich nicht recht in Schwung kam. So verließen die Sozialdemokarten den von konservativ-nationalistischen Kräften beherrschten Deutschen Ausschuss.

Realismus fehlte im deutschen Lager

Erst nach und nach setzte sich bei den deutsch Gesinnten ein realistischer Kurs durch, der u. a. Gleichberechtigung der zuvor lange unterdrückten dänischen Sprache und ein Selbstbestimmungsrecht der Völker im Sinne des US-Präsidenten Wilson mit Anspruch auf Volksabstimmungen vorsah. 

Vorentscheidung mit Versailles-Vertrag

Lubowitz ging auch darauf ein, dass nach anfänglichen Aussichten auf eine deutsch-dänische Einigung in der Schleswig-Frage mit der Veröffentlichung der Friedensvertragsbedingungen in Versailles im Mai 1919 eine Vorentscheidung gefallen war, dass es eine Abstimmungszone in Nordschleswig geben werde, bei der ein Mehrheitsvotum für Dänemark vorauszusehen war.

Er berichtete über den Einsatz von realistischen deutschen Repräsentanten wie dem Leiter des „Apenrader Tageblatts“, Julius Kähler und des Tonderner Landrats Emilio Böhme, die bis zu den Abstimmungsterminen am 10. Februar und 14. März u. a. die Registrierung in den Wahllisten und die Beherbergung auswärtiger Abstimmungsberechtigter vorbereiteten.

Versprechen einer besseren Zukunft

Ein wichtiges Element war die Werbung auf dänischer Seite mit Versprechungen für eine bessere wirtschaftliche Zukunft. Es gelang der deutschen Seite nicht, die Versorgungslage in Schleswig zu verbessern.  Martin Klatt erklärte, dass die Sozialdemokrarten in Nordschleswig zahlenmäßig unbedeutend waren, aber durch das Engagement ihrer führenden Köpfe in Flensburg, eine ihrer Hochburgen, für einen Verbleib bei Deutschland, eine ausschlaggebende Rolle beim Mehrheitsvotum für Deutschland spielten. In der von Axel Johnsen geleiteten Diskussion erklärte dieser auf Nachfrage des „Nordschleswigers“, dass in der Abstimmungspropaganda auch Zahlungen reichsdänischer Persönlichkeiten eine Rolle spielten.

A. P. Møller zahlte für Zeitungskauf

So habe wahrscheinlich der Reeder A. P. Møller dem im dänischen Lager an der Westküste agierenden Cornelius Petersen den Kauf der „Tondernschen Zeitung“ ermöglicht, die daraufhin für ein Votum zugunsten Dänemarks warb.

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