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„Wie Gotland und Åland in der Ostsee militärische Ziele wurden“

Wie Gotland und Åland in der Ostsee militärische Ziele wurden

Wie Gotland und Åland militärische Ziele wurden

Jan Diedrichsen
Jan Diedrichsen
Apenrade/Aabenraa
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Die Åland-Inseln zwischen Finnland und Schweden sind laut einem internationalen Abkommen eine demilitarisierte Zone. Aufgrund russischer Aggression könnte sich das ändern, so die Einschätzung von Jan Diedrichsen. Auch Gotland hat große strategische Bedeutung.  

 Die sicherheitspolitischen Expertinnen und Experten sind sich in der Analyse überwiegend einig: Falls Russland versuchen sollte, den Konflikt mit Europa über den verbrecherischen Angriffskrieg auf die Ukraine hinaus eskalieren lassen zu wollen, befindet sich die Ostsee wahrscheinlich im Zentrum des „Sturms“. Die Ostsee ist eine wichtige Wasserstraße für die Nato-Staaten – darunter Estland, Lettland und Litauen. St. Petersburg sowie ein großer Marinestützpunkt in Kaliningrad liegen ebenfalls an dem Gewässer und sichern Russland den direkten Zugang zur Ostsee.

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock hat kürzlich angesichts des russischen Angriffskrieges die enge sicherheitspolitische Zusammenarbeit der Ostseeanrainerstaaten betont. Die Sicherheit eines jeden von uns ist die Sicherheit von uns allen – auch hier im Ostseeraum", sagte Baerbock bei einem Treffen der Außenminister der Ostseeanrainer in Wismar. Eine Position, die auch der anwesende dänische Außenminister Lars Løkke Rasmussen (Moderate) geteilt hat.

Doch die Wirklichkeit ist konkret: 90 Kilometer vor der schwedischen Küste liegt Gotland. Eine Ferieninsel, die zum Dreh- und Angelpunkt der Sicherheitslage in der Ostsee geworden ist. Wenn Russland in die baltischen Länder vordringen würde – was das gängigste Worst-Case-Szenario ist –, braucht es Gotland. Gotland liegt strategisch günstig zwischen Schweden und dem Baltikum und war historisch schon immer von großer Bedeutung für die Kontrolle der Ostsee und ihrer Seewege.

Die schwedische Regierung verstärkt seit dem russischen Angriff die eigenen Truppen auf Gotland – zuletzt mit zusätzlichen Militärfahrzeugen und Truppen. Die Russen haben sich mehrfach in der Region bemerkbar gemacht, unter anderem mit Landungsbooten in der Nähe der Insel und mit Kampfflugzeugen im Luftraum.

Der russische Angriffskrieg hat die über Jahre auf vielen Ebenen gewachsene Ostseekooperation in ihren Grundfesten erschüttert.

Zur Person: Jan Diedrichsen

Jan Diedrichsen (Jahrgang 1975), wohnhaft in Berlin und Brüssel, leitet die Vertretung des Schleswig-Holsteinischen Landtages in Brüssel, hat sein Volontariat beim „Nordschleswiger“ absolviert und war als Journalist tätig. 13 Jahre lang leitete er das Sekretariat der deutschen Minderheit in Kopenhagen und war Direktor der FUEN in Flensburg. Ehrenamtlich engagiert er sich bei der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) – davon bis 2021 vier Jahre als Bundesvorsitzender. Seit Juni 2021 betreibt er gemeinsam mit Wolfgang Mayr, Tjan Zaotschnaja und Claus Biegert ehrenamtlich den Blog VOICES.

Auch Åland kommt eine besondere Bedeutung zu. Åland ist eine autonome Region Finnlands mit schwedischsprachiger Bevölkerung. Die militärische Bedeutung der Inselgruppe liegt vor allem in ihrer potenziellen Rolle als Seeverbindung zwischen der Ostsee und dem Bottnischen Meerbusen. Bei einem möglichen Angriff Russlands in der Region würden die Gewässer um die Inseln als Durchfahrtsroute für Marineeinheiten genutzt werden.

Bislang ist Åland eine demilitarisierte Zone. Gemäß dem Åland-Abkommen von 1921, das zwischen Finnland und Schweden unter der Schirmherrschaft des Völkerbundes geschlossen wurde, ist Åland entmilitarisiert. Finnland hat sich verpflichtet, auf der Inselgruppe keine militärischen Einrichtungen zu errichten. Doch es wird derzeit heftig diskutiert, ob eine militärische Absicherung der Insel nicht notwendig geworden ist. Nach dem Nato-Beitritt Finnlands haben sich der Diskurs und die Stimmung im Land und auf der Insel gewandelt.

Der russische Angriffskrieg hat die über Jahre auf vielen Ebenen gewachsene Ostseekooperation in ihren Grundfesten erschüttert. Es wäre vor dem Angriff Russlands undenkbar gewesen, solche militärischen Überlegungen, wie sie aktuell laufend thematisiert werden, überhaupt als Diskussionspunkte aufzurufen. Bis heute tun sich viele schwer, die latente Bedrohung des Friedens an der Ostsee als Fakt anzuerkennen. Doch solange Russland eine aggressive und skrupellose Macht ist, die auch vor schlimmsten Verbrechen nicht zurückschreckt, ist die Bedrohung des Friedens an der Ostsee real.

Lennart Meri, der erste frei gewählte Präsident des wieder unabhängigen Estlands, bezeichnete 1992 in Kopenhagen die Ostsee als „Mittelmeer der nordischen Länder“. Seit den 90er-Jahren hat man in den baltischen Staaten die immer engere Zusammenarbeit – auch mit Russland – als Garant für den Frieden in der Region betrachtet. Estland, Lettland und Litauen sind daher besonders auf Wehrhaftigkeit und die Nato-Solidarität sowie die Unterstützung der Ostseeanrainer in diesen Kriegszeiten erpicht. Sie haben ihre historischen Erfahrungen. Alle drei Länder wurden während des Zweiten Weltkriegs von Stalin okkupiert und annektiert, bevor sie mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 ihre Unabhängigkeit wiedererlangten.

Das Misstrauen und die Stärkung der eigenen militärischen Wehrhaftigkeit ist leider aktuell das Gebot der Stunde.

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Cornelius von Tiedemann
Cornelius von Tiedemann Stellv. Chefredakteur
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