Kriminalität

Jede zweite Schule hat keinen Plan für den Umgang mit Cybermobbing

Jede zweite Schule hat keinen Plan für den Umgang mit Cybermobbing

Cybermobbing: Hälfte der Schulen ohne Plan für Umgang

Kopenhagen/Apenrade
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An fast jeder zweiten Schule gab es im vergangenen Jahr einen Fall von Cybermobbing. Foto: Mads Claus Rasmussen/Ritzau Scanpix

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495 Schulleiterinnen und Schulleiter hat der Rat für Kriminalprävention befragt, 72 Prozent berichten über Fälle von Cybermobbing im vergangenen Jahr. Der Rat empfiehlt den Schulen einen Plan zur Aufarbeitung solcher Fälle und sieht auch die Kommunen in der Pflicht. In den meisten Schulen der deutschen Minderheit liegen solche Handlungspläne vor.

Die Mehrheit der Schulen hat im vergangenen Jahr Fälle von Cybermobbing unter ihren Schülerinnen und Schülern erlebt. Die Hälfte der Schulen verfügt dabei nicht über einen festen Plan für den Umgang mit digitaler Belästigung. Die Schulen, die einen Plan haben, hätten diesen oft nirgends niedergeschrieben.

Dieses Bild ergibt sich aus einer vom Rat für Kriminalprävention (Det Kriminalpræventive Råd) in Auftrag gegebenen Umfrage, über die die Nachrichtenagentur „Ritzau“ berichtet.

Fälle von Cybermobbing an Mehrheit der Schulen

Von den 495 befragten Schulleiterinnen und Schulleitern gaben 72 Prozent an, dass es an ihrer Schule im vergangenen Jahr mindestens einen Fall von Cybermobbing einer Schülerin oder eines Schülers gegeben hat.

Dabei kann es sich zum Beispiel um Online-Mobbing oder die Weitergabe von Nacktfotos handeln. Letzteres war in 36 Prozent der Schulen laut Schulleitung der Fall.

Der Rat für Kriminalprävention hält es daher für sinnvoll, dass die Schulen einen klaren Plan entwickeln, wie sie mit Fällen von digitaler Belästigung umgehen.

Die dänische Regierung hatte im Jahr 2016 einen Aktionsplan gegen Mobbing an Schulen ins Leben gerufen.

Kein fester Reaktionsplan an Hälfte der Schulen

Die Hälfte der Schulen hatte geantwortet, dass es keinen festen Plan für den Umgang mit solchen Fällen gibt. Entweder weil sie alle Fälle unterschiedlich behandeln oder weil sie eine Praxis haben, der sie folgen.

45 Prozent der Schulleiterinnen und Schulleiter gaben an, dass es an ihrer Schule einen Plan gibt. Darunter sind aber auch 18 Prozent, bei denen der Plan nirgendwo aufgeschrieben ist.

Handlungspläne gegen Mobbing an Schulen des DSSV

Die Einrichtungen des Deutschen Schul- und Sprachvereins für Nordschleswig haben laut Schulrätin Anke Tästensen entsprechende und klare Handlungspläne gegen Mobbing, die auf den jeweiligen Internetseiten der Schulen einsehbar sind.

Ob es im vergangenen Jahr Mobbingfälle gegeben hat, kann Tästensen auf Nachfrage des „Nordschleswigers“ nicht sagen und verweist auf die einzelnen Schulen. „Wenn es Fälle an den Schulen gibt, werde das in der Regel intern aufgearbeitet.“

In einer Elterninformation gibt etwa die Deutsche Privatschule Apenrade (DPA) Tipps zum Umgang mit Mobbing. Darunter sind klare Hinweise, auf welche Anzeichen Erziehende bei ihren Kindern achten können und wie sich Mobbing überhaupt definieren lässt. Auch findet sich auf der Webseite der Handlungsplan zur Prävention und Aufarbeitung von Mobbingfällen.

Auch die Deutsche Schule Hadersleben hat eine entsprechende Anti-Mobbing-Strategie. Darin ist etwa eine Handlungskette vorgesehen, sollte es zu (Cyber-)Mobbing kommen, damit jeder Verdacht geprüft werden kann. 

Aber es ist sicher, dass wir nichts tolerieren, was den Schulfrieden gefährdet.

Jens Mittag, Schulleiter des Deutschen Gymnasiums für Nordschleswig in Apenrade.

DGN hat keinen verschriftlichten Handlungsplan

Jens Mittag, Schulleiter am Deutschen Gymnasium für Nordschleswig (DGN) spricht auf Nachfrage von einem „heiklen Thema“. Im Hinblick auf die Ergebnisse der Umfrage des Rates müsse man jedoch schauen, was für Fälle das waren. „Das können ja Fälle verschiedenen Schweregrades sein, von unbedachten Äußerungen bis zum absichtlichen Veröffentlichen von anzüglichen Bildern“, so Mittag. Daher sei eine Einschätzung der Ergebnisse schwierig. 

„Was unsere Schülerinnen und Schüler im Internet treiben, können wir nicht vollständig überblicken. Sie bewegen sich ja auch auf Plattformen, auf denen wir nicht unterwegs sind.“ Ausschließen möchte er Mobbingfälle daher nicht. „Wenn wir es nicht wissen, können wir nicht handeln“, sagt Mittag.

„Als ,Reaktionsplan' fordern wir unsere Schülerinnen und Schüler auf, Schulleitung, Kollegen oder Vertrauenslehrer zu informieren, wenn etwas vorgefallen ist.“ Verschriftlicht sei allerdings kein Handlungsplan. 

Wie genau die Reaktion dann aussehe, hänge davon ab, was vorgefallen ist. „Aber es ist sicher, dass wir nichts tolerieren, was den Schulfrieden gefährdet“, sagt der Leiter des DGN.

Es ist klar, dass die Schulen die Unterstützung der Kommunen brauchen, um systematischer mit digitalem Mobbing umzugehen.

Helena Juul Kanafani, Analystin beim Rat für Kriminalprävention

Helena Juul Kanafani, Analystin beim Rat für Kriminalprävention, ist der Meinung, dass es sich für Schulen lohnen kann, ihre Hausaufgaben zu machen und einen Plan aufzustellen.

„Glücklicherweise werden die meisten Fälle von digitaler Belästigung aufgeklärt. Aber ohne einen Plan tragen die Lehrkräfte eine große Verantwortung und wissen nicht immer, wie sie am besten mit den Fällen umgehen sollen“, so Juul Kanafani gegenüber „Ritzau“. 

Dabei stellten sich Fragen wie: Wann sollte die Schule reagieren? Welche Maßnahmen sollten ergriffen werden? Wie kann die Verbreitung illegaler Bilder gestoppt werden? Und wie kann man sicherstellen, dass Beweise gesichert werden, falls die Polizei eingeschaltet werden muss?

„Diese Fragen sind ohne einen Plan nur schwer zu beantworten. Es ist klar, dass die Schulen die Unterstützung der Kommunen brauchen, um systematischer mit digitalem Mobbing umzugehen“, sagt sie.

Cybermobbing ist nicht mit physischer Gewalt zu vergleichen

Helena Juul Kanafani stellt unter anderem fest, dass jede dritte Schule mit digitalen Vergehen gegen Schülerinnen und Schüler genauso damit umgeht wie mit physischen Taten. Cybermobbing sei jedoch ganz anders geartet, sagt sie.

„Beleidigende Bilder im Internet können in kurzer Zeit an viele Menschen weitergegeben werden. Es kann auch notwendig sein, Beweise zu sichern, wenn der Fall der Polizei gemeldet werden soll“, sagt sie.

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