Porträt
Der Brückenbauer
Der Brückenbauer
Der Brückenbauer

Die Zweisprachigkeit ist mit das wichtigste Kapital des Anwalts Stefan Reinel. Aus seiner Kanzlei in Kopenhagen „übersetzt“ er dänisches und deutsches Recht für Unternehmen des jeweiligen anderen Landes.
Die Kanzlei „Njord“ befindet sich mitten in der dichten Kopenhagener Innenstadt. Das Gebäude ist ein wenig brutal im mittelalterlichen Stadtkern erichtet worden. Die Kanzlei liegt sich im obersten, sechsten Stockwerk.
„Das Gebäude ist eines der hässlichsten der Innenstadt, aber der Blick ist dafür einer der schönsten“, sagt Stefan Reinel, während er auf die Dachterrasse führt. Der Herbst zeigt sich von seiner milden Seite, und wir entschließen uns, das Interview dort stattfinden zu lassen.
Reinel ist seit 2013 Partner und Vorstandsvorsitzender von Njord.
Er ist in Bochum geboren. Seine Mutter zog mit ihm 1972 nach Haderleben/Haderslev. Und auch wenn er seit 1978 nicht mehr in Nordschleswig wohnt, kann er den lokalen Sprachton nicht verbergen. Nach dem Abitur am Deutschen Gymnasium für Nordschleswig ging er nach Aarhus, um Jura zu studieren.
„Ich bin von diesem Fach fasziniert, denn im Kern geht es hier darum, wie wir unsere Interaktionen regeln. Letzten Endes stehen ja immer Menschen dahinter, wenn es um juridische Fragen geht.“
Sprachliche und kulturelle Qualifikationen sind wichtig
Ihm war früh klar, dass er seine Zweisprachigkeit in seiner professionellen Laufbahn nutzen wollte.
„Das wusste ich von vornherein. Meines Erachtens ist es enorm wichtig, dass man sprachliche und kulturelle Qualifikationen mitbringt, wenn man in einem Land agiert.“
Reinel hat sich folgerichtig auf internationales Wirtschaftsrecht spezialisiert.
1994 erhielt er auch die Zulassung als Rechtsanwalt in Deutschland. Die Kanzlei beschäftigt 15 Leute, in der Abteilung die mit den deutsch-dänischen Fragen arbeitet.
Missverständnisse ausräumen
Der Anwalt weiß, dass Englisch nicht ausreicht, wenn ein dänisches Unternehmen in Deutschland arbeiten möchte, schon gar nicht, wenn es um juridische Fragen geht.
„Wenn ein Vertrag auf Englisch abgefasst ist, dann streiten sich die Parteien häufig nachher darüber, was sie eigentlich vereinbart haben.“
Njord arbeitet daher grundsätzlich mit beiden Sprachen. Es ist jedoch bei einem Vertrag immer die eine Sprache entscheidend, da ansonsten wiederum Missverständnisse entstehen könnten.
Unterschiedliche Denkweisen
Doch nicht nur sprachlich kann es zu Missverständnissen kommen. Auch die juridische Denkweise unterscheidet sich.
„Man kann sagen, dass die dänische Jura pragmatischer ist, die deutsche dagegen präziser“, lautet seine Einschätzung.
Als Beispiel nennt er, dass ein Deutscher beim Kauf einer Immobilie sofort einen Notar heranziehen wird. Ein Däne wird ihn nur verdutzt anschauen, denn das gibt es in Dänemark nicht.
„Das Übersetzen dieses juridischen Verständnisses ist im Wesentlichen, das, was wir tagtäglich machen. Das ist meines Erachtens eine hohe Kunst, die viel Erfahrung braucht.“

Genau dieser Einsatz wurde auch betont, als Reinel am Dienstag das Goldene Ehrenzeichen der Republik Österreich verliehen bekam.
„Durch seine Arbeit als Anwalt trägt Stefan Reinel kontinuierlich zur Verbesserung der Vernetzung zwischen Dänemark und dem gesamten deutschsprachigen Raum bei. Der Dialog zwischen diesen zwei Gebieten zieht sich wie ein roter Faden durch seine berufliche Laufbahn“, sagte Botschafterin Maria Rotheiser-Scotti in ihrer Rede.
Strafrecht
Auch auf andere Weise verbindet Reinel zwei verschiedene Gebiete. Neben internationalem Wirtschaftsrecht praktiziert er nämlich auch Strafrecht. Zwei- bis dreimal pro Woche erscheint er vor Gericht.
„Es ist heutzutage eher üblich, dass man sich stärker spezialisiert, aber ich finde dies spannender. Außerdem gibt es durchaus Berührungspunkte zwischen Wirtschaftsrecht und Strafrecht“, weiß der erfahrene Anwalt zu berichten.
„Handlungen von Betrieben können strafrechtliche Relevanz bekommen, und häufig geht das schneller als man glaubt.“
Die richtige Mischung
Privat engagiert Reinel sich ebenfalls für deutsch-dänische Fragen. 25 Jahre lang war er Vorstandsvorsitzender der Sankt Petri Schule in Kopenhagen.
„Das Deutsch-Dänische hat ja in der Stadt eine lange Tradition. Ich habe ein Bein in jedem Lager. Die Mischung ist für mich interessant.“
Was die Frage nach der eigenen Identität aufwirft.
„Die ist eindeutig nordschleswigscher Prägung“, sagt Stefan Reinel, ohne zu zögern.