Diese Woche in Kopenhagen

„Die Suche nach dem letzten Republikaner“

Die Suche nach dem letzten Republikaner

Die Suche nach dem letzten Republikaner

Kopenhagen
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In diesen Tagen scheint jede und jeder in Dänemark überzeugter Royalist zu sein. Walter Turnowsky untersucht in dieser Woche, ob es sie überhaupt noch gibt: die Gegner der Monarchie. 

Alles für die Katz mit der Neujahrsansprache von Mette Frederiksen.

Dabei hatte die Staatsministerin bereits am 21. Dezember freudig auf Instagram verkündet, sie habe ihrer Rede den letzten Feinschliff verpasst und werde jetzt Richtung Jütland in den Weihnachtsurlaub fahren. Da könnten so einige, die noch im Stress den letzten Weihnachtsgeschenken nachjagten, ob der Rechtzeitigkeit von Mette ganz neidisch geworden sein.

Ein wenig verraten, worum es in der diesjährigen Rede gehen sollte, hatte sie da auch bereits: um Seniorinnen und Senioren. Sie wollte erzählen, was die Regierung ihnen in dem kommenden Jahr alles Gutes tun wollte.

Sogar schöne Plakate hatte sie geordert, damit alle auch die frohe Neujahrsbotschaft mitbekommen. Sie zieren seit dem Jahreswechsel Busschuppen und Bahnhöfe.

Neue Rede musste her

Und dann kam ausgerechnet eine Seniorin daher und machte Mette einen Strich durch die bis ins Detail geplante Rechnung. Jene Seniorin, die übrigens Margrethe heißt und Königin von Dänemark ist, hat die Regierungschefin um ein Treffen gleich nach den Feiertagen gebeten. Dort hat sie Letzterer mitgeteilt, dass sie nicht mehr Königin von Dänemark sein möchte.

Mettes und Margrethes Untertanen sollten das am Silvesterabend so gegen viertel nach sechs erfahren. Und somit konnte Mette ihre Rede in die Tonne treten.

Diese sollte nämlich erst am Tag danach gehalten werden, und nach Margrethes Rede würde kein Mensch mehr Mettes rhetorisch ausgefeilten Seniorinnen- und Senioren-Versprechungen zuhören.

Also musste die Staatsministerin sich eiligst noch einmal hinter die Tastatur klemmen.

Der Umschlag für den Texter

Auch Peter Bjerre Rosa musste die bereits getane Arbeit von Neuem beginnen. Er ist Texter bei „DR“ und hatte am Freitag vor Silvester die Untertitel für die Ansprache der Königin fein säuberlich eingegeben. Am Sonntagvormittag bekam er dann laut „Ekstra Bladet“ die Nachricht, er solle sich bereithalten, es gebe Änderungen. Um 16.30 Uhr erhielt er einen Umschlag mit der Aufschrift „vertraulich“, der die endgültige Fassung der Rede enthielt.

Ihm hat es, wie aus seinem Facebook-Post hervorgeht, nichts ausgemacht, alles noch einmal eingeben zu müssen. Allerdings kamen ihm die eineinhalb Stunden, die er dichthalten musste, „sehr lang“ vor.  

Die Royalistin

Für Mette hatten das Noch-einmal-hinter-die-Tastatur-klemmen-Müssen trotz allem einen Vorteil: Sie konnte sich als überzeugte Royalistin outen. Sie erwähnte auch, dass sie nicht als solche geboren sei. Letzteres ist alles andere als eine Übertreibung: Auch noch etliche Jahre nach ihrer Geburt, als Kultursprecherin ihrer Fraktion, stand sie der Institution Monarchie ausgesprochen kritisch gegenüber.

So ist also den Republikanerinnen und Republikanern eine weitere Stütze abhandengekommen. Wobei hier mit Republikanern weder Trump-Fans noch Anhänger einer ehemaligen rechten deutschen Partei gemeint sind. Im dänischen Kontext steht der Ausdruck für Menschen, die sich eine Republik statt einer konstitutionellen Monarchie wünschen.

Svend Aukens Ausdruck

Doch diese Menschen sind allmählich so selten, dass sie eigentlich schon auf die Rote Liste für bedrohte Arten gehören.

So können wir auch die sozialdemokratische Ministerin Pernille Rosenkrantz-Theil, die einst der damals noch revolutionären Truppe der Einheitsliste angehörte, nicht mehr dazuzählen. Anlässlich der Neujahrstafel der Königin sagte sie, sie sei „nichtpraktizierende Republikanerin“. Der Ausdruck stammt übrigens von Svend Auken, was jedoch auch nicht erklärt, was das genau bedeuten soll.

Der revolutionäre Kampf der Einheitsliste gegen die Monarchie bestand übrigens darin, dass die Fraktion sich im Folketingssaal nicht erhob, wenn Vertreterinnen und Vertreter des Königshauses in die Königsloge traten. Mittlerweile hat die Linksaußen-Partei jedoch diese aufwieglerische Praxis aufgegeben und durch eine typisch dänische Lösung ersetzt: Die Fraktion schleicht erst in den Sitzungssaal, nachdem die Königsfamilie erschienen ist. „Nichtpraktizierende Revolutionäre“ eben.

Der Balkon

Die von der royalen Saula zur royalen Paula gewandelte Mette Frederiksen bekommt eine schöne Belohnung für die ungeplanten Überstunden vor Silvester. Sie darf am 14. Januar um 15 Uhr vom Balkon auf Christiansborg aus Frederik zum neuen König ausrufen. Wie man sie kennt, wird sie das in vollen Zügen genießen. Und auch die Tatsache, dass die Aufzeichnung dieses Ausrufens immer noch abgespielt werden wird, wenn ihre politischen Errungenschaften schon längst in Vergessenheit geraten sind.

Sie tritt damit ganz buchstäblich in die Fußstapfen des großen Sozialdemokraten Jens Otto Krag, der 52 Jahre vorher von ebendiesem Balkon neben Margrethe stehend rief: „König Frederik IX. ist tot. Lang lebe Königin Margrethe II.“

Von diesem Balkon aus wird Mette Frederiksen Frederik zum König ausrufen. Foto: Walter Turnowsky

Und auch in einem weiteren Punkt tritt sie in seine Fußstapfen. Von ihm stammt nämlich der Ausspruch: „Man hat einen Standpunkt, bis man einen neuen hat.“ Das gilt für die Staatsministerin (wie bei den meisten ihrer Kolleginnen und Kollegen) nicht nur in Bezug auf die Monarchie.

Die Bevölkerung liebt ihre Königin

Und auch wenn Mette sich ein wenig anders ausdrücken muss als Krag, wird sie mit der kurzen Ansprache und dem Hochlebenlassen bei ihrem (Wahl-)Volk gut ankommen. Und hier finden wir wohl auch die Erklärung dafür, dass die republikanischen Politikerinnen und Politiker immer rarer werden.

Eine Umfrage von „DR“ zeigte unmittelbar vor Silvester, dass 70 Prozent der Bevölkerung die Monarchie bewahren wollen, nur 17 Prozent möchten sie abschaffen. Noch populärer als die Monarchie an sich ist Königin Margrethe: 84 Prozent bewerten sie positiv. Es ist wohl auch eine Anerkennung dafür, dass sie in ihren 52 Jahren Amtszeit das Königshaus modernisiert hat, ohne die Traditionen aus den Augen zu verlieren.

Das ist womöglich auch der Grund, weshalb selbst der nichtpraktizierende Oberrevoluzzer Pelle Dragsted auf „X“ schreibt, die Königin habe ihr Amt gut verwaltet. Selbst wenn die Einheitsliste 51 Prozent der Stimmen bekommen sollte, klingt das nicht gerade nach einer sofortigen Abschaffung der Monarchie.

Royale Medien

Betrachtet man die Medienlandschaft, fällt es ebenfalls schwer, die wirklich überzeugten Republikanerinnen und Republikaner auszumachen. Selbst eine Zeitung wie „Politiken“, die einst die republikanischen Fahnen wehen ließ, schreibt in diesen Tagen ausgesprochen brav über das Königshaus. So brav, dass bereits kritische Leserbriefe eingegangen sind.

Unser eigener „Nordschleswiger“ kann auch nicht gerade als antiroyale Hochburg bezeichnet werden. Das belegt der Leitartikel „Glückliches Königinnenreich“ des ehemaligen Chefredakteurs Siegfried Matlok, in dem er die Verdienste der Monarchin über den grünen Klee lobt.

Auch sein Nachfolger Gwyn Nissen wird, wie ich aus zuverlässigen Quellen erfahren habe, keinen Leitartikel schreiben, in dem er fordert, man solle mit dem Rücktritt der Königin gleich auch die Monarchie abschaffen.

Das Widerstandsnest

Überhaupt habe ich den Eindruck, dass man bei einer Umfrage innerhalb der Minderheit auf noch mehr als 70 Prozent Royalistinnen und Royalisten kommen würde – und darüber hinaus vornehmlich auf nichtpraktizierende Republikanerinnen und Republikaner.

Ist denn wirklich ganz Dänemark von Monarchie-Anhängerinnen und -Anhängern besetzt? Nein! Ein kleines, von unbeugsamen „Ekstra Bladet“-Journalisten bevölkertes, Büro unweit von meinem hört nicht auf, der royalen Übermacht Widerstand zu leisten.

Die Boulevardzeitung wird jedoch einigen Zaubertrank benötigen, um das Königshaus abzuschaffen. Die bereits erwähnte Umfrage zeigt, dass 84 Prozent Kronprinz Frederik positiv bewerten, 85 Prozent Kronprinzessin Mary. Das sind komfortable Vorschusslorbeeren für das kommende Königspaar.

Allerdings wäre es sinnvoll, wenn Frederik sich nicht mehr vor einem Madrider Apartment mit einem Rollkoffer ablichten ließe.

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