Leitartikel

„Glückliches Königinnenreich“

Glückliches Königinnenreich

Glückliches Königinnenreich

Siegfried Matlok
Siegfried Matlok Senior-Korrespondent
Nordschleswig
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Dänemark hat Ihrer Majestät, Margrethe II., viel zu verdanken, und das gilt nicht minder für die deutsche Volksgruppe. Die Königin hat 1986 die Aussöhnung zwischen dem dänischen Staat und der deutschen Minderheit ermöglicht. Ex-Chefredakteur Siegfried Matlok würdigt ihre großen Verdienste und fühlt sich auch schon beim neuen König Frederik X. „zu Hause“.

Dänemark wird ab 14. Januar 2024 im wahrsten Sinne des Wortes wieder ein Königreich, aber die 52 Jahre Königinnenreich werden in den Geschichtsbüchern des Landes einen festen, würdigen Platz einnehmen – historisch auch allemal in der Geschichte des deutsch-dänischen Grenzlandes und damit auch in der Geschichte der deutschen Minderheit.  

Seit der Geburt wider Willen 1920 in den dänischen Staat hat die deutsche Minderheit schon unter Pastor Schmidt-Wodder eine loyale Linie gegenüber dem dänischen Königshaus verfolgt, die auch in dunklen Zeiten der dänischen Geschichte von 1940 bis 1945 nie ernsthaft infrage gestellt wurde. Deshalb enthielt ja auch die Gründungserklärung des Bundes deutscher Nordschleswiger von November 1945 an erster Stelle (!) den Hinweis auf das Bekenntnis „zur unbedingten Loyalität gegenüber dem dänischen König“. 

Königin Margrethe hat selbst diesen „Widerspruch“ im Verhalten zu Staat und Staatsoberhaupt mal so zu erklären versucht, dass es nach ihrer Ansicht für die deutschen Nordschleswiger leichter gewesen ist, vom deutschen Kaiserreich in das dänische Königshaus zu wechseln. Ob das so stimmt, lassen wir mal beiseite, aber man darf nie vergessen, dass die Königin ja als „Sonnenstrahl“ während der deutschen Besatzungszeit geboren wurde und sie dadurch – bis zum heutigen Tage – stark geprägt ist, wie ihre letzte Neujahrsansprache andeutete, als sie auf den Konflikt zwischen Israel und Gaza eingehend selbst an die Judenrettung 1943 erinnerte.

Ihre einflussreiche Mutter, die aus Schweden stammende Königin Ingrid, hat einst davon gesprochen, dass sie erst durch ihre Erfahrungen in  „Sønderjylland“ bewusst dänisch geworden sei. Vor diesem Hintergrund wuchs Margrethe auf, auch mit anti-deutschen Gefühlen. Als Jugendliche – jährlich mit ihren Eltern zu Gast in der Gravensteiner Sommerresidenz –  warf sie mal an der Flensburger Förde einen Blick auf die andere, deutsche Seite und stellte damals fest: Da trennten sich Welten, wie die Monarchin es einmal formuliert hat.

Unvergessen ihre Ansprache in der Tingleffer Sporthalle, in der sie die deutsche Minderheit als eine zusätzliche Dimension im Reichtum des Grenzlandes würdigte.

Die bitteren Zeiten haben sich – glücklicherweise – geändert, und als Monarchin hat sie selbst daran mitgewirkt, die Beziehungen zu Deutschland – und wir sprechen hier bis 1990 ja allein von der Bundesrepublik – und zu den Deutschen stetig zu verbessern. Dass Dänemark gleichzeitig mit ihrer Thronbesteigung Mitglied in der EWG (heute EU) wurde, hat natürlich auch dem bilateralen Verhältnis einen multilateralen Schub gegeben. Die alte Feindschaft und Gegnerschaft wurde via Nato und EU durch einen so beschleunigten europäischen Prozess neuen Vertrauens abgelöst, bis hin zu einer inzwischen gefestigten Freundschaft zwischen den beiden Nachbarn.

Die Königin hat 1989 den Berliner Mauer-Fall als einen der glücklichsten Momente ihres Lebens bezeichnet, aber wie rasch Geschichte wandelbar ist, wurde just in ihrer Abschiedsrede deutlich, als sie – selbst noch ein Kind des Kalten Krieges – nun wieder über Krieg in Europa sprechen musste.

Wohl niemand kennt Dänemark und die Landsleute besser als Königin Margrethe. Das gilt besonders für die mit Tiefen und Höhen turbulente Geschichte des Grenzlandes. Ihre Zuneigung, ja Liebe zur dänischen Minderheit, die in ihren Neujahrsansprachen stets zum Ausdruck kam, wurde nicht zuletzt durch zahlreiche triumphale Besuche in Südschleswig unter Beweis gestellt.

Es gibt die schöne Geschichte von einer Dampferfahrt auf dem Rhein gemeinsam mit führenden Mitgliedern der dänischen und deutschen Minderheit, die – es war in den 80er-Jahren – plötzlich den Geburtstag der Monarchin feierten, wobei beide friedlich streitend „unsere Königin“ für sich beanspruchten.

Margrethe II. wusste natürlich um die belastete Geschichte der deutschen Minderheit, und dennoch war sie es, die 1986 die von ihrem Hofmarschall Hans Sølvhøj vertraulich an sie herangetragene Idee eines Besuchs bei den deutsch-nordschleswigschen Untertanen spontan annahm und als erstes dänisches Staatsoberhaupt dann offiziell die deutsche Minderheit in Nordschleswig besuchte. Unvergessen ihre Ansprache in der Tingleffer Sporthalle, in der sie die deutsche Minderheit als eine zusätzliche Dimension im Reichtum des Grenzlandes würdigte. Ihr war – wie aus dem Königshaus damals zu hören waren – wichtig, mit ihrem Besuch entscheidende Akzente zu setzen, die fehlende Aussöhnung zwischen dem dänischen Staat und der deutschen Minderheit herbeizuführen, ohne dabei – wie sie es ja auch 2021 unterstrichen hat – die Vergangenheit zu vergessen.

Historisch ist ihr Verdienst an dieser Entwicklung zur Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit nicht hoch genug zu bewerten. Sie hat mit anderen Worten den Durchbruch ermöglicht.  Und 2008 wurde dieser royale Kurs auch eindrucksvoll beim Besuch des Kronprinzenpaares bei der deutschen Minderheit in Nordschleswig bestätigt, als der künftige König seine Ansprache in Tingleff mit den herzlichen Worten abschloss: „Bei euch haben wir uns heute sehr zu Hause gefühlt!“

Die deutsche Minderheit fühlt sich heute im dänischen Staat so gut und so geborgen zu Hause wie nie zuvor seit 1920; da ist längst nicht mehr der Begriff Herbergsstaat zu hören!  

Das haben wir mit großem „Tak“ auch Königin Margrethe zu verdanken, und wir sind fest davon überzeugt, dass auch der König Frederik X. die besondere Rolle des Grenzlandes richtig einordnen wird.

Auch wenn natürlich seine geopolitisch-historischen Voraussetzungen für das besondere Verhältnis von Deutschen und Dänen andere sind als jene, die Königin Margrethe II. 1972 vorfand, und die sie in den 52 Jahren ihrer Regentschaft so gewinnbringend für unsere Zukunft gestaltet hat.

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