Diese Woche in Kopenhagen

„Die Nordi-Verleihung für die dänische Politik 2023“

Die Nordi-Verleihung für die dänische Politik 2023

Die Nordi-Verleihung für die dänische Politik 2023

Kopenhagen
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Zum Jahreswechsel verteilt „Der Nordschleswiger“ erneut Preise für die besten Leistungen in der dänischen Politik im vergangenen Jahr.  In diesem Jahr gibt es Nordis in ganzen sechs Kategorien. Die Jury hat votiert, es ist Zeit, dass Conférencier Walter Turnowsky die Gewinnerinnen und Gewinner bekannt gibt:

Meine sehr geehrten Damen und Herren, herzlich willkommen zur Verleihung der Nordis für die besten Leistungen in der dänischen Politik im Jahr 2023. Es ist bereits das zweite Mal, dass wir dieses Preisfest veranstalten, und der Tradition entsprechend findet es am Freitag vor Silvester statt.

Die strenge, objektive und unbestechliche Jury besteht, wie es die Tradition gebietet, aus der Kopenhagen-Redaktion des „Nordschleswigers“. Sie hat votiert, und wir können daher unverzüglich zur Preisverleihung schreiten.

Die Nominierten in der Kategorie „Überzeugendster Parteiaustritt“ sind:

Lars Boje Mathiesen: Er übernahm bei den Neuen Bürgerlichen nach der Parteigründerin Pernille Vermund den Vorsitz. Danach verlangte er ein extra Gehalt als Vorsitzender, einen vierjährigen unkündbaren Vertrag und Parteiknete für seine persönliche Vermarktung. Kurze Zeit später war er nicht nur den Vorsitz, sondern auch das Parteibuch los.

Theresa Scavenius: Im September wurde sie aus der Fraktion der Alternativen ausgeschlossen (doch nicht aus der Partei) und ihr wurde fehlende Kooperationsfähigkeit vorgeworfen. Selbst sagte sie, es gehe um politische Differenzen. In der Klimapolitik wollte Scavenius mehr Härte zeigen als Parteichefin Franziska Rosenkilde. Auch weigerte sie sich, dem Verbot von Koranverbrennungen zuzustimmen. Ein Schlichtungsversuch scheiterte, und die kompromisslose Politikerin verließ die Alternativen – zum zweiten Mal. Auf ihrer Tür steht: „Die Alternative zu den Alternativen“.

Mikkel Bjørn: Er war der junge Hoffnungsträger bei den Neuen Bürgerlichen, doch trat er aus der Partei aus, als Lars Boje Mathiesen zum Vorsitzeden gewählt wurde. Bjørn sei wegen Pernille Vermund eingetreten, Boje Mathiesen sei der falsche Mann an der Spitze. Als Vermund dann wieder übernahm, war Bjørn bereits der junge Hoffnungsträger der Dänischen Volkspartei.

Und die Gewinnerin ist … Theresa Scavenius

Die Nominierten in der Kategorie „Bestes Comeback“ sind:

Marie Bjerre: Als die Venstre-Politikerin als Gleichstellungs- und als Digitalisierungsministerin zurücktreten musste, sagte sie zur Königin „på gensyn“ (auf ein Wiedersehen). Als sie nur zwei Wochen später erneut auf Amalienborg vorfuhr, war es zwar nicht die Königin, mit der sie sich traf, sondern die Vertretung, Prinzessin Benedikte. Aber sie war wieder Gleichstellungs- und Digitalisierungsministerin. Ihre Nachfolgerin Mia Wagner ist erkrankt. Ein Comeback mit gemischten Gefühlen.

Pernille Vermund: Eigentlich wollte sie nicht zur Berufspolitikerin werden und nach zwei Legislaturperioden das Folketing wieder verlassen. Daher gab sie bereits kurz nach der Wahl den Vorsitz bei den Neuen Bürgerlichen ab. Mit der Nachfolge hatte sie jedoch – siehe oben – kein glückliches Händchen und ihr „Kind“ geriet in eine existenzielle Krise. Jetzt leitet sie erneut die rechte Partei.

Jon Stephensen: Ihm verpassten die Moderaten eine „Denkpause“ in Form einer Krankschreibung, nachdem er einer jungen Parteikollegin eine sexistische Nachricht geschickt hatte. Das Denken half jedoch wenig: Er flog aus der Partei. Als dann auch Mike Fonsecca bei den Moderaten raussegelte, wurde es mit der Mehrheit der SVM-Regierung mehr als knapp. Stephensen bekam interessante Ausschussposten als Preis dafür, dass er versprach, brav mit der Regierung zu stimmen. Bei der dritten Lesung des Korangesetzes blieb es ihm als einzigen Befürworter überlassen, das Verbrennungsverbot vom Rednerpult aus zu verteidigen.

Und die Gewinnerin ist … Marie Bjerre

Die Nominierten in der Kategorie „Überzeugendster Abschied aus der Politik“ sind:

Kristian Klarskov: Der Neupolitiker der Moderaten hatte sich im Wahlkampf als erfolgreicher Unternehmer mit einer ganzen Reihe von Existenzgründungen dargestellt. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass eine „ganze Reihe von Pleiten“ die korrektere Beschreibung gewesen wäre, gab er sein gerade erst ergattertes Folketingsmandat keinen Monat später ab. Damit fällt seine Leistung eigentlich ins vergangene Jahr, doch die Jury hat ihm eine Ausnahmegenehmigung gewährt. 

Mike Fonsecca: Der 28-Jährige war weitgehend unbekannt, bis herauskam, dass er eine Beziehung zu einem 15-jährigen Mädchen hat. Das ist zwar nicht verboten, verstößt aber gegen den Kodex der Moderaten und er flog aus der Partei. Sollte er nach seiner ethisch-moralischen Grippe wieder ins Folketing zurückkehren, kann er die kommenden knapp drei Jahre auf Steuerzahlerkosten absitzen, bevor er auf Nimmerwiedersehen aus der Politik verschwindet.

Jakob Ellemann-Jensen: Der ehemalige Venstrevorsitzende kehrte wohlgemut von seiner monatelangen Krankschreibung zurück und übernahm erneut das Verteidigungsministerium, sein Traumministerium. Kurz darauf war dann das Wirtschaftsministerium sein Wunschministerium, denn neben dem Posten blieb ihm mehr Zeit für die Vorsitzerei. Doch da wollten ihn die Parteimitglieder schon nicht mehr. Als Prominente von dieser Sorte es dann auch noch laut gesagt hatten, gab Ellemann-Jensen bei einer rührseligen Pressekonferenz seinen Rückzug aus der Politik bekannt.

Und der Gewinner ist … Jakob Ellemann-Jensen

Der Jens-Otto-Krag-Preis

Dieser Preis ist dem ehemaligen sozialdemokratischen Staatsminister Jens Otto Krag gewidmet. Von ihm stammt das Bonmot „Man hat einen Standpunkt, bis man einen neuen hat“. Und in dem Sinne sind die Nominierten:

Stehanie Lose: Die zweite Vorsitzende von Venstre vertrat Troels Lund Poulsen als Wirtschaftsministerin, während er Jakob Ellemann-Jensen als Verteidigungsminister vertrat. Nachdem letzterer genesen war, kehrte sie zurück zum Posten als Regionsratsvorsitzende. Die Region, nicht die Landespolitik, sei ihr Ding, versicherte sie. Nach Ellemanns Rücktritt kehrte sie dann als Teil der Taskforce „Reanimierung von Venstre“ ins Wirtschaftsministerium zurück – diesmal nicht als Vertretung.

Franziska Rosenkilde: Zunächst war die Alternative-Vorsitzende für ein Verbot der Verbrennung von heiligen Schriften. Doch nach reiflicher Überlegung – und Schelte von Theresa Scavenius – war sie dann dagegen. In der Frage einer Untersuchung der Rolle der Staatsministerin schaffte sie sogar die doppelte Rolle rückwärts: Vor der Wahl im vergangenen Jahr war sie dafür, am Wahlabend dagegen und zwei Tage später – erneut nach Scavenius-Schelte – wieder dafür.

Pia Olsen Dyhr und Karina Lorentzen Dehnhardt: Pia Olsen Dyhr und ihre Sozialistische Volkspartei (SF) unterstützte zunächst gemeinsam mit allen übrigen Oppositionsparteien einen breit angelegten und teilweise öffentlichen Untersuchungsausschuss, eingerichtet, um Licht in die Affäre um den Nachrichtendienst FE zu bringen. Die SVM-Regierung wollte ungern in der Frage mit einer knappen Mehrheit allein dastehen und lud die SF-Rechtssprecherin Karina Lorentzen Dehnhardt zu Verhandlungen ein. SF bekam ein stärkeres Kontrollorgan für die Nachrichtendienste – und stimmte gegen den eigenen Antrag.

Und die Gewinnerin ist … Stephanie Lose

Die Nominierten in der „Kategorie Größte verpasste Chance“ sind:

Mette Frederiksen: Die Staatsministerin wollte Nato-Generalsekretärin werden – oder eigentlich wollte sie das offiziell gar nicht, sondern war vorgeschlagen worden. Sie hatte die Sprachregelung „ich bin nicht Kandidatin“ mit sich selbst beziehungsweise ihrem Spin-Team abgesprochen. Am Ende wurde daraus nichts, weil die Nato-Staaten sich nicht einigen konnten und den amtierenden Generalsekretär Jens Stoltenberg baten, ein Jahr dranzuhängen.

Margrethe Vestager: Als zweite Vorsitzende der EU-Kommission und Wettbewerbskommissarin ist sie die machtvollste Europapolitikerin, die Dänemark je gehabt hat. Doch sie wollte noch höher klettern und Vorsitzende der Europäischen Investmentbank werden. Anders als Frederiksen in Bezug auf den Nato-Generalsekretär meldete sie ihre Kandidatur offiziell an. Vestager ließ sich sogar von der Kommission beurlauben, um mehr Zeit zu haben, Lobby zu betreiben. Genutzt hat es nichts. Spätestens als Bundeskanzler Olaf Scholz die Gegenkandidatin Nadia Calvino unterstützte, war das Rennen für Vestager gelaufen. Und ab kommenden Sommer ist sie auch nicht mehr EU-Kommissarin.

Die Opposition: Sie wollte die Regierung in den Fragen um die Koranverbrennung und den FE-Untersuchungsausschuss gehörig unter Druck setzen. Daher kündigte sie für diese beiden Abstimmungen die Clearingabsprachen auf. Diese Absprachen bedeuten, dass wenn ein Folketingsmitglied fehlt, eine Person der Gegenseite nicht an der Abstimmung teilnimmt. Und so hieß es für die drei Regierungsparteien alle Mann (jeglichen Geschlechts) an Bord – ob Corona oder nicht. Doch nachdem die Regierung einerseits Jon Stephensen Unterstützung gekauft und anderseits die Radikalen für das Korangesetz und SF für den „kleinen“ FE-Ausschuss gewonnen hatte, war ihre Mehrheit recht komfortabel.

Und die Gewinnerin ist … Mette Frederiksen

Und damit sind wir auch bereits bei der Verleihung des Hauptpreises angekommen.

Die Nominierten für den „Größter politischen Erfolg im Jahr 2023“ sind:

Pia Olsen Dyhr: Wo drei sich unpopulär machen, freut sich die Vierte. Bei der Wahl bekamen die Sozialdemokratie, Venstre und die Moderaten noch 50,7 Prozent. Sowie die Umfragen derzeit aussehen, müssen die drei Regierungsparteien schon fast froh sein, wenn sie bei der kommenden Wahl die 30-Prozent-Marke knacken (sie haben allerdings noch drei Jahre Zeit). Die abtrünnigen Wählerinnen und Wähler der Sozialdemokratie sind der SF-Vorsitzenden Pia Olsen Dyhr zugelaufen, ohne dass sie viel dafür tun musste.

Alex Vanopslagh: Der Chef der Liberalen Allianz (LA) macht es im bürgerlichen Lager ähnlich wie Olsen Dyhr im sozialistischen. Bereits bei der Wahl konnte LA sich von 2,3 auf 7,9 Prozent steigern. Jetzt liegt sie seit Monaten in den Umfragen über 10 Prozent und wäre damit drittstärkste Kraft. „Daddy Vanopslagh“ präsentiert sich zunehmend als die Alternative unter den blauen Parteien.

Nicolai Wammen: Nur die Einheitsliste wollte bei seinem Haushaltsentwurf nicht mitmachen. Diese breite Absprache ist zwar nicht, wie er selbst meint „historisch“ (der Inhalt ist alles andere als das), doch zeugt sie von beachtlichem politischem Handwerk. Wammen hatte einen zweiten Blick in seine Schatztruhe geworfen und dort noch ein paar hunderte Millionen Kronen extra gefunden. So konnte er an alle Parteien ein paar Krümel austeilen – und eine Mehrheit hatte er ja von vorneherein.

Und der Gewinner ist … Alex Vanoslagh.

Und damit bleibt mir nur noch, dir einen guten Rutsch und ein sicheres Fest zu wünschen. Wir sehen uns hoffentlich im kommenden Jahr in dieser Kolumne wieder.

Die Preisträgerinnen und Preisträger des vergangenen Jahres sind hier unterhalb zu finden:

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