Leitartikel

„Die Sklaverei gehört zur Geschichte der deutsch-dänischen Zusammenarbeit“

Die Sklaverei gehört zur Geschichte der deutsch-dänischen Zusammenarbeit

Sklaverei: Ein Teil der Grenzland-Geschichte

Apenrade/Aabenraa
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Narben auf dem Rücken des ausgepeitschten Sklaven Peter aus Louisiana in den USA – nicht von den Jungferninseln. Doch Sklavenverordnungen aus Dänisch-Westindien zeigen, dass Auspeitschen und Abschneiden von Gliedmaßen mögliche Strafen waren, wenn Sklaven wegliefen oder rebellierten. Foto: Mathew Brady, CC0 1.0

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Am Gedenktag zum Ende der Sklaverei herrscht in Dänemark und im Grenzland Stillschweigen. Nicht aus Respekt für die Opfer der Gräueltaten unserer Vorfahren – sondern aus Ignoranz und Desinteresse, meint Cornelius von Tiedemann. Er macht auf das Unrecht aufmerksam, das von Dänemark und Schleswig-Holstein ausging – und für das sich in Kopenhagen heute niemand verantwortlich zeigen will.

 

  • Der Gedenktag zum Sklavenhandel wird in der deutsch-dänischen Region kaum gewürdigt, obwohl sich die Region durch den Sklavenhandel bereichert hat.
  • Das offizielle Dänemark hat sich nicht für seine Rolle im Sklavenhandel entschuldigt, während andere Länder dies bereits getan haben.
  • Dänemark verbot den Sklavenhandel 1792, ließ die Sklaverei jedoch bis 1848 zu, und sowohl Dänemark als auch das deutsch-dänische Grenzland waren maßgeblich am Dreieckshandel beteiligt.

Heute, am 23. August, ist der Internationale Tag zur Erinnerung an den Sklavenhandel und seine Abschaffung. Ein Gedenktag der Unesco, der leider weder in den Straßen Kopenhagens noch Flensburgs oder anderer Hafen- und Handelsorte in der deutsch-dänischen Region aufsehenerregend gewürdigt wird.

Grund genug dazu gäbe es.

Schließlich mussten Abertausende Menschen mit unermesslichem Leid und allzu oft dem Leben für den Reichtum bezahlen, mit dem in Dänemark und Schleswig-Holstein so manches Bauwerk errichtet wurde, das wir noch heute für seine Pracht und Eleganz bewundern. Die Namen ihrer Erbauer schmücken teils heute noch Straßenschilder, ob in und um Hamburg oder in den noblen Vororten Kopenhagens. Ihre Nachfahren gehören zum Teil noch immer den höheren Kreisen an.

Die Zeiten waren andere – aber das Erbe ist das unsere

Bei den Nachkommen der Opfer um Verzeihung zu bitten, das fällt derweil weder der dänischen Regierung noch dem Königshaus ein. Das offizielle Dänemark weist die Verantwortung von sich, da es sich um eine andere Zeit gehandelt habe.

Ein schwaches Argument, wenn man bedenkt, was alles in anderen Zeiten geschaffen wurde, womit sich Dänemark noch heute rühmt. Und angesichts der Folgen, die das dänische Kolonialunrecht noch heute für die Nachkommen der Menschen in der Karibik und in Westafrika hat.

Es ist nicht am dänischen Außenminister zu entscheiden, ob die Nachfahren der Opfer von damals dem dänischen Staat heute vergeben wollen oder nicht.

Cornelius von Tiedemann

Dies zudem als „unentschuldbar“ zu bezeichnen, wie Außenminister Lars Løkke Rasmussen (Moderate) es erst kürzlich zu „DR“ wieder getan hat, ist nichts als anmaßende und respektlose Heuchelei. Es ist schließlich nicht an ihm zu entscheiden, ob die Nachfahren der Opfer von damals dem dänischen Staat heute vergeben wollen oder nicht.

Schade, dass Dänemark, das sich so gerne als moralische Speerspitze darstellt, hier nicht weiter ist, als sich mit unwürdigen Wortfinten Verantwortung vom Hals zu schaffen. Politische Beobachter vermuten dahinter die Sorge, dass die USA, zu denen die Jungferninseln seit 1917 gehören, es nicht gerne sähen, wenn Dänemark mit der einstigen Kolonie über Wiedergutmachung verhandelt, solange Washington dies noch nicht getan hat. Doch selbst die USA haben sich ja bereits 2009 für die Sklaverei entschuldigt. Das Argument ist also nicht nur moralisch dünn.

Der König der Niederlande hat erst kürzlich um Verzeihung gebeten für die Rolle des Königsreichs in Bezug auf die Sklaverei. Zuvor hatte bereits der niederländische Ministerpräsident dies getan.  

Vorreiter Dänemark? Von wegen!

Doch was hat sich Dänemark denn eigentlich zuschulden kommen lassen? Ist das Königreich nicht ein Vorreiter der Sklavenbefreiung gewesen?

Nix. Das Königreich Dänemark unterhielt einst Kolonien in der Karibik. Und Dänemark besaß noch bis 1850 einige kleine Kolonien (ab 1750 Kronkolonien) im heutigen Ghana. Im Gegensatz zu den oft romantisierten Jungferninseln in der Karibik ist dieser Umstand heute kaum im öffentlichen Bewusstsein.

Zu den dänischen Forts mit königlichen Namen wie Prinsenssteen wurden Abertausende Menschen aus dem Binnenland verschleppt und an die dänischen Kolonialisten verkauft. Die unschuldigen Menschen wurden dann unter unwürdigen und lebensfeindlichen Bedingungen unter dänischer Regie über den Atlantik in die Karibik verschleppt – und dort erneut verkauft. Um auf den Zuckerplantagen zu schuften, deren Produktion dann in unsere Gefilde verschifft wurde, zum Beispiel, um Rum daraus zu machen. Daher auch die „stolze“ Rumtradition der Hafenstadt Flensburg.

Der weitverbreitete Glaube, dass Dänemark das erste Land war, das die Sklaverei abschaffte, ist also falsch.

Cornelius von Tiedemann

Sklaverei in Dänemark noch lange legal

Ja, 1792 beschloss Dänemark als erstes Land, den Sklavenhandel offiziell zu verbieten. Doch dies geschah nur, weil Dänemark damit rechnete, dass England ein ebensolches Verbot erlassen würde. Man wollte schlicht vorbereitet sein, wenn die britische Großmacht den Sklavenhandel international zu bekämpfen beginnen würde. Und: Das dänische Gesetz trat erst elf Jahre später, 1803, in Kraft. Die Verzögerung war beabsichtigt: Man wollte ausreichend Zeit haben, um genügend Sklavinnen und Sklaven für die Plantagen in Dänisch-Westindien zu beschaffen, sodass diese in der Zwischenzeit selbstversorgend wurden.

Die Sklaverei als solche blieb unterdessen bis 1848 in Dänemark legal. Deutlich länger als in anderen Ländern, und erst nach einem Aufstand der Versklavten und internationalem Druck wurde sie verboten.

Der weitverbreitete Glaube, dass Dänemark das erste Land war, das die Sklaverei abschaffte, ist also falsch. Der Ursprung dieses Missverständnisses liegt darin, dass das Verbot des Sklavenhandels mit einem Verbot der Sklaverei selbst verwechselt wurde und bis heute wird.

Deutsche maßgeblich beteiligt am Dreieckshandel

Die haarsträubende Geschichte des dänischen Sklavenhandels hat noch eine besondere deutsch-dänische Note über die Zielhäfen im heutigen Deutschland hinaus. Wer es bisher nicht getan hat, darf den Namen Schimmelmann nachschlagen und in deutsch-dänische Abgründe eintauchen, die, wie eingangs erwähnt, bis heute nachhallen.

Der Sklavenhandel und die Sklaverei – auch sie gehören maßgeblich zur Geschichte nicht nur Dänemarks, sondern auch des deutsch-dänischen Grenzlands und der deutsch-dänischen Zusammenarbeit dazu. Die Wissenschaft hat dazu bereits zahlreiche Beiträge geleistet. Doch in der Grenzland-Öffentlichkeit findet das Thema kaum statt.

Stattdessen wird historische Verantwortung in die Geschichte und auf die damals handelnden Personen abgeschoben, als würden Staaten und Gemeinschaften keine Schuld auf sich laden können. Und es wird, wie etwa bei der Rumregatta in Flensburg, stattdessen lieber geschichtsblind drauflosgefeiert.

Ein Prosit auf die Ignoranz.

 

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