Grenzöffnungsdebatte

„Schleswig sollte ohne Grenze auskommen!“

„Schleswig sollte ohne Grenze auskommen!“

„Schleswig sollte ohne Grenze auskommen!“

Apenrade/Aabenraa
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Stau an der Grenze bei Krusau/Kruså Foto: Karin Riggelsen

Wann wird die deutsch-dänische Grenze wieder durchlässiger? Diese Frage treibt in diesen Tagen viele um – von Bürgermeistern über binationale Paare und Bewohnern im Grenzland bis hin zu Top-Politikern. Doch die Diskussion darum wird mit unterschiedlicher Vehemenz geführt. Drei Experten geben ihre Bewertung zur Prominenz der Grenzöffnungsdebatte ab.

„Schleswig sollte ohne Grenze auskommen!“ So lautet die kurze und klare Bewertung der aktuellen Situation von Steen Bo Frandsen, Historiker und Leiter des Centers für Grenzregionsforschung an der Süddänischen Universität in Sonderburg.

Die Realität sieht bekanntermaßen anders aus. Dennoch sei das Thema nicht notwendigerweise eines, das in der Gesamtbevölkerung als dringend relevant empfunden werde, lautet die Einschätzung von Historiker Frandsen:

„Beide Minderheiten repräsentieren eine regionale Identität. Und die Grenzdiskussion zeigt, dass es ein gemeinsames Interesse beidseitig der Grenze gibt in der Frage, ob die Grenze offen oder geschlossen sein sollte. Aber diese regionale Identität findet sich nicht in der Mehrheitsbevölkerung.“

Sorge um Grenze für Mehrheitsbevölkerung weniger relevant

Deswegen hätten vor allem die Minderheiten ein klares Interesse daran, dass es keine harte Grenze gibt, so Frandsen weiter. In der Mehrheitsbevölkerung sei diese Sorge weniger stark ausgeprägt, da diese sich nicht als Schleswiger empfinde. Deswegen seien es vor allem die Minderheiten diesseits und jenseits der Grenze, die ihre Stimme im Lichte der Corona-Krise in die Waagschale werfen würden.

Aber auch dies geschieht nach Auffassung der vom „Nordschleswiger“ befragten Experten mit unterschiedlicher Vehemenz.

Unterschiedliche Europabilder

Frank Lubowitz, Leiter der historischen Forschungsstelle beim Bund Deutscher Nordschleswiger (BDN): „Der Weg der deutschen Volksgruppe hat sich in den letzten Jahrzehnten immer stark Europa-fokussiert gezeigt, weil darüber auch Erleichterungen an der deutsch-dänischen Grenze möglich waren – aber eben nicht nur dort, sondern in einem größeren europäischen Zusammenhang. Dieses Europabild hat man in der dänischen Gesellschaft so aber nie gehabt.“

Eine gemeinsame regionale Identität finde sich deswegen kaum mehr – zumindest keine grenzüberschreitende, ergänzt Historiker Frandsen. Dies komme unter anderem darin zum Ausdruck, dass die dänischen Nordschleswiger in erster Linie dänisch geworden seien.

Und Lubowitz gibt zu bedenken, dass Dänemark als Ganzes zwar auch von den Vorteilen der europäischen Einigung profitiert habe, aber als im Verhältnis zu anderen EU-Staaten kleines Land mit einer entsprechend geringeren Bevölkerungszahl sei es stets in besonderem Maße auf die Wahrung seiner Identität bedacht.

Wichtig, die Perspektive der Minderheiten zu verstehen

Eine Konsequenz dieser Sichtweise zeigte sich seiner Einschätzung nach dann im Zuge der Flüchtlingskrise im Jahre 2015. Diese nahm Dänemark zum Anlass, erneut Grenzkontrollen und Einreisebeschränkungen einzuführen; eine Maßnahme, die in Zeiten der Corona-Krise weitere Legitimität erfahren habe.

Dennoch empfindet Hauke Grella, Leiter des Deutschen Museums in Nordschleswig, die aktuelle Grenzschließung als eine sehr spezielle Situation. Wichtig sei seiner Meinung nach, die Perspektiven der Minderheiten zu verstehen. „Wenn man so dicht an der Grenze wohnt, ist es ein Normales, über die Grenze zu pendeln. Dies ist 2001 mit Schengen in Kraft getreten und etwas sehr Positives.“

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