Leitartikel

„Mutmacherin“

Mutmacherin

Mutmacherin

Apenrade/Aabenraa
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Königin Margrethe II. ist eine Mutmacherin für alle, die in Dänemark ankommen wollen, meint Cornelius von Tiedemann und nennt sie „eine der großen integrativen Kräfte im Lande“.

Als Einwanderer hat man bestimmte Empfindlichkeiten. Einerseits ist man immer darauf bedacht, sich möglichst an die in der mehr oder weniger neuen Heimat geltenden Sitten und Gebräuche, Gepflogenheiten und Moden anzupassen – sie zumindest aber zu respektieren und ist froh, wenn einem dies gelingt und man für dieses Gelingen gelobt wird.

Andererseits möchte man sich selbst, die eigene Persönlichkeit, die in einem mehr oder weniger anderen Umfeld geprägt wurde, nicht ausmerzen, will sich selbst und seine Herkunft nicht verleugnen. Schließlich gibt es aus der mehr oder weniger alten Heimat auch viel Wertvolles – und vielleicht sogar Bereicherndes – für die mehr oder weniger neue Heimat. Hier kann es sehr schmerzen, wenn die eigene Andersartigkeit als unerwünschter Makel hervorgehoben wird.

Hier bei uns in der deutschen Minderheit erleben wir das gleich in mehrfacher Hinsicht. Denn auch in die Minderheit wird eingewandert – aus Deutschland, aber, in den Kindergärten und Schulen zumeist, auch aus der dänischen Mehrheitsbevölkerung. Gleichzeitig ist die Minderheit ihrerseits, wie die Bezeichnung schon sagt, eine Minderheit in Dänemark, für die vieles, was für Einwanderer zutrifft, ebenfalls gilt. Man ist irgendwie anders. Wer also aus dem Ausland in die Minderheit einwandert, wandert natürlich auch immer nach Dänemark ein und somit in eine vielfache Andersartigkeit.
 
Die deutsche Minderheit will es den Dazugekommenen dabei so leicht wie möglich machen, das Kunststück, sich in zwei Strukturen zugleich einzufinden, zu meistern und die Andersartigkeit dabei als Stärke zu betrachten und zu nutzen. Das ist nicht nur ein Lippenbekenntnis, das wird strukturell gelebt.

Und auch die dänische Gesellschaft tut strukturell vieles, um es Neuankömmlingen leicht zu machen, sich einzugliedern – ohne die eigene, mehr oder weniger von der alten Heimat geprägte Persönlichkeit aufgeben zu müssen. Aller Veränderungen auf Drängen mehrerer politischer Parteien und aller rücksichtslosen Rhetorik, die hierzulande beizeiten herrschen kann, zum Trotz.

Über allem – und somit auch über der loyalen Minderheit – steht seit fast 50 Jahren die Königin, Margrethe II. 24 Regierungen mit neun verschiedenen Regierungschefs hat sie bereits erlebt. Und eine Gesellschaft, die sich verändert hat.

Auch deshalb, weil viele Menschen dazugekommen sind. Qua Geburt natürlich – und durch Einwanderung und Flucht. Königin Margrethe ist die Königin aller in Dänemark Lebenden. Ungeachtet ihrer politischen Ansichten und ihrer Herkunft. Ja, sie ist sogar die Königin derer, die die Monarchie abschaffen wollen.

Wenn Königin Margrethe spricht, dann spricht sie zu uns, der Bevölkerung Dänemarks. Sie ist Dänemarks Königin, nicht „dänische“ Königin oder Königin nur der Dänen. Sie ist unsere Königin und gerade deshalb eine der großen integrativen Kräfte im Lande. So antiquiert die Idee eines Königshauses manchem scheinen mag – so wichtig ist diese Rolle deshalb doch gerade in der modernen Zeit.

Denn die Königin spricht alle an, sie spricht von „uns“ und von „uns in Dänemark“.

Anders als zum Beispiel die politisch motivierte Staatsministerin Frederiksen, die ständig von „uns Dänen“ und „wir Dänen“ spricht. Sie tut dies im Rahmen ihrer Strategie, dem rechten Parlamentsflügel das Wasser abzugraben, indem ein nationales Zusammengehörigkeitsgefühl heraufbeschworen wird. Das gelingt ihr auch sehr gut – zumindest, was die Mehrheitsbevölkerung betrifft.

Doch wie soll sich ein Einwanderer, der noch nicht die dänische Staatsbürgerschaft hat, angesprochen fühlen, wenn sie lediglich den Dänen dafür dankt, sich in der Corona-Krise rücksichtsvoll verhalten und einen großen Einsatz geleistet zu haben?

Wie gesagt: Einwanderer sind als „Andersartige“ besonders empfindsam. Sie sind froh, wenn ihre Bemühungen anerkannt und ihre Eigenheiten geschätzt werden.

Und sie sind, das weiß ich aus eigener Erfahrung, froh, dass es bei allem Streit um Integration, Identität, Zusammenhalt, Werte und so weiter und so fort über allem die Königin gibt, die sie zu Neujahr und in Krisenzeiten wie dieser daran erinnert, dass sie dazugehören. Die ihnen somit Mut macht, sich weiterhin und noch mehr als bisher einzubringen.

 

 

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