Leitartikel

„Roulette Royal“

Roulette Royal

Roulette Royal

Siegfried Matlok
Siegfried Matlok Senior-Korrespondent
Apenrade/Aabenraa
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König Frederik X. steht vor großen Herausforderungen – auch politisch, obwohl das Königshaus stets seine strikt unpolitische Rolle betont. Der frühere Chefredakteur des „Nordschleswigers“, Siegfried Matlok, analysiert die Risiken vor dem Hintergrund früherer Gefahren und wünscht dem König viel Glück bei Roulette Royal!

Der Thronwechsel hat – wie doch nicht anders erwartet – in Dänemark „traumhaft“ geklappt. König und Regierung betonten in hoher gegenseitiger Wertschätzung die gute Zusammenarbeit, ja sogar von einem Zusammenspiel zwischen Krone und Politik war die Rede. Die sozialdemokratische Staatsministerin Mette Frederiksen, die sich nun als überzeugte Royalistin outete, erklärte, die Zukunft der Monarchie liege in den Händen des Königshauses, aber es gibt natürlich eine rote Linie; nicht nur für die Genossen.

Kann eine Rede zum Klima unpolitisch sein?

Eine konstitutionelle Monarchie wie die dänische, wo die Macht des Monarchen durch eine Verfassung („Grundloven“ von 1953) geregelt wird, muss stets diese Beschränkung strikt beachten und deshalb wird auch immer wieder die unpolitische Rolle der Monarchie hervorgehoben. Aber ist das Königshaus wirklich so unpolitisch, wie es sich und seine Anhänger stets darstellen. Ist etwa eine Rede von Königin Margrethe zu Corona oder von König Frederik zum Klima unpolitisch?

Die Osterkrise von 1920

Es lohnt sich ein historischer Rückblick, beginnend nach der Volksabstimmung 1920 über die Teilung Schleswigs in Nord- und Südschleswig. Weil König Christian X. damals mit Flensburg liebäugelte, trotz klarer deutscher Mehrheit, riskierte er sogar das ganze Königreich, als er die Regierung Liebe (Radikale Ventre) am 5. April 1920 zum Rücktritt zwang; nach nur fünf Tagen im Amt! Das war die dänische Osterkrise, praktisch ein Staatsputsch: Hunderttausende demonstrierten auf dem Schlossplatz und riefen „Nieder mit Christian“.

Gerettet wurde das Königshaus ausgerechnet vom sozialdemokratischen Parteiführer Thorvald Stauning, der als Republikaner den König dazu zwang, künftig die Spielregeln der parlamentarischen Demokratie strikt einzuhalten – oder auf den Thron zu verzichten. König Christian lenkte ein, das Königshaus überlebte. Mette Frederiksen hat dazu die Anekdote geliefert, dass Stauning nur deshalb an der Monarchie festhielt, weil er Angst davor gehabt haben soll, dass sonst ein Bürgerlicher – er dachte offenbar an einen Venstre-Mann – eines Tages dänischer Präsident werden könnte.

Roulette um die Macht

Das Königshaus hat sich – im Großen und Ganzen – an die neuen Spielregeln von 1920 gehalten, die vor allem dann eine Bewährungsprobe zu bestehen haben, wenn nach Neuwahlen die parlamentarischen Verhältnisse unklar sind. Dann findet – aktuell – eine sogenannte Königinrunde statt, bei der die Fraktionsvorsitzenden der Parteien in Audienz ihre Wahl für einen Verhandlungsführer bzw. Staatsminister mitteilen. Grob gesagt muss das Königshaus bei dieser Königinrunde eigentlich nur die Mandatszahlen richtig addieren, aber selbst dabei gibt es natürlich Grauzonen, die dann beim Roulette um die Macht politisch brisant ausschlaggebend sein können.

Zwei Beispiele, wo das Königshaus direkt-indirekt sozusagen Zünglein an der Waage gewesen ist.

  • 1975: Nach einer erfolgreichen Folketingswahl für die Minderheits-Regierung von Venstre unter der Leitung von Poul Hartling versuchte dieser, eine Fortsetzung seiner Regierung nach einer Königrunde zu erreichen. Die Fahrer der Dienstwagen für die neuen/alten Minister waren bereits bestellt und abfahrbereit, doch in letzter Minute hat der für das Verhältnis Königshaus-Staatsministerium zuständige Kabinettssekretär auf Amalienborg (also im Auftrage von Königin Margrethe) dem Staatsministerium ernste Bedenken signalisiert, weil Hartling offenbar nicht von Beginn an im Folketingssaal mit der parlamentarischen Unterstützung von Mogens Glistrups Fortschrittspartei rechnen konnte. Hartling verzichtete kurzfristig – und überließ die Regierungsgeschäfte wieder seinem sozialdemokratischen Vorgänger Anker Jørgensen.
  • 1993: Der konservative Staatsminister Poul Schlüter tritt nach der sogenannten Tamil-Affäre zurück. Im bürgerlichen Lager wurde ernsthaft erwogen, Venstres Außenminister Uffe Ellemann-Jensen kommissarisch als Regierungschef einzusetzen, um danach den konservativen Finanzminister Henning Dyremose zum Staatsminister zu machen. Diese Lösung wurde mit dem Hinweis auf den Rücktritt von Staatsminister Jens Otto Krag 1972 begründet, der – ohne Königrunde – Anker Jørgensen zu seinem sozialdemokratischen Nachfolger berief. Der Kabinettssekretär des Königshauses, Niels Eilschou Holm, meldete jedoch als Einwand, eine solche von V-K befürwortete Machtübernahme sei möglicherweise „verfassungswidrig“. Das Beispiel Krag-Jørgensen aus dem Jahre 1972 sei also nicht kopierbar. Zwar habe damals keine Königrunde stattgefunden, jedoch hätten alle Fraktionsvorsitzenden in Gesprächen kein Veto eingelegt. Als Schlüter auf Christiansborg diesen Wink mit dem Zaunpfahl von Amalienborg erhielt, zog er die richtige Konsequenz: Rücktritt ohne Bedingungen, sodass anschließend eine Königrunde eröffnet wurde, die erwartungsgemäß mit dem Ergebnis endete, dass die Bürgerlichen das Amt des Staatsministers am 25. Januar 1993 an den Sozialdemokraten Poul Nyrup Rasmussen abliefern mussten.

Anderes Modell in Schweden

In Schweden gab es früher auch Königsrunden nach Wahlen, doch in Stockholm wurde bereits vor Jahren eine Änderung herbeigeführt, wonach diese Aufgabe nun nur noch dem Parlaments-Präsidenten zufällt, um so den König aus einer gefährlichen politischen Schusslinie herauszunehmen. Eine ähnliche Reform in Dänemark wurde – wenn die Frage überhaupt gestellt wurde – von Königin Margrethe eindeutig abgelehnt.

Künftig muss das „politische“ Roulette also in der Regie von König Frederik X. drehen. In dem Zusammenhang ist bemerkenswert, dass der neue König nach seiner Proklamation seinen bisherigen Hofchef, den früheren Departementchef Christian Schønau, nicht nur zum neuen Hofmarschall ernannt hat. Der in manchen Kreisen nicht unumstrittene Schønau soll künftig gleichzeitig in Personalunion die Funktion als Kabinettssekretär wahrnehmen, also für den direkten Draht zum Staatsminister bzw. zu Departementchefin Barbara Bertelsen verantwortlich sein.

Mit anderen Worten: Dem 57-jährigen Schønau fällt die Schlüsselrolle zu, den König davor zu bewahren, sich politisch die Finger zu verbrennen – stets mit dem Risiko, dass das Königshaus dann ins Wanken geraten kann. Ganz abgesehen von allen anderen politischen und unpolitischen Einsturzgefahren.

Dem König ist nur eine glückliche Hand zu wünschen, damit er das Roulette Royal gewinnt. Ohne Gewähr!

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