Leitartikel

„Moderne Arbeitsplätze: Zeit ist die neue Währung“

Moderne Arbeitsplätze: Zeit ist die neue Währung

Moderne Arbeitsplätze: Zeit ist die neue Währung

Apenrade/Aabenraa
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Schuftet der Boomer nicht mehr, hat der Arbeitsmarkt es schwer. Unserer Autorin Marle Liebelt ist zum Dichten zumute – denn der überall beklagte Fachkräftemangel stimmt sie positiv.

Fachkräftemangel hier, Fachkräftemangel da. Die jungen Leute wollen die akademische Laufbahn und fehlen an anderer Stelle. Immer weniger Menschen entscheiden sich für eine Karriere in der Pflege, in den sozialen Berufen. 

Ja, ja – schlimm, schlimm. Ich sehe darin etwas Gutes. Denn die Zeit der Arbeitnehmenden ist gekommen. Die Generation Babyboomer geht in Rente, und die Jungen müssen nicht mehr das erstbeste Angebot wahrnehmen, das sie kriegen können. 

Sie können wählen, und das setzt den Arbeitsmarkt unter Druck. Die Arbeitgebenden sind im Zugzwang, müssen attraktiv sein. Das bedeutet nichts anderes, als dass sie ihre Arbeitsplätze an die Bedürfnisse ihrer Angestellten anpassen müssen – sonst sind diese weg. 

Junge Menschen wissen heutzutage gar nicht mehr, was harte Arbeit ist? Blödsinn. Sie sind nicht mehr bereit, sich für ihre Berufung aufzuopfern? Warum sollten sie? 

Dass sich die jungen Arbeitskräfte die Rosinen rauspicken, ist nicht das Problem. Es ist der Arbeitsmarkt, für den es ein Problem ist, dass sich die jungen Leute die Rosinen rauspicken können

Verlierer werden am Ende diejenigen Arbeitgebenden sein, die daran festhalten, dass man private und familiäre Opfer bringen muss, um es beruflich zu etwas zu bringen. Wo Flexibilität begrenzt ist, wird Geld kompensieren müssen.

Frauen arbeiten. Männer wollen Zeit mit ihrer Familie verbringen. Nicht nur physische Gesundheit ist hoch im Kurs – auch psychische. Mit der Gesellschaft wandelt sich auch das Berufsethos. Kein Mensch hat mehr Lust auf ein Leben nur für die Arbeit, familiäre Opfer und unterdrückte Probleme. Zumindest werden diese Menschen weniger – oder gehen in Rente. 

Das alte Arbeitsmodell hat ausgedient. Das gilt nicht nur für starre Arbeitszeiten und Anwesenheitspflichten. Die Arbeitgebenden kommen nicht mehr drumherum, ihren Angestellten maximale Flexibilität zu ermöglichen, wenn sie die Vollzeit-Woche am Leben halten wollen. In Dänemark sind das 37 Stunden, in Deutschland bedeutet Vollzeit sogar eine 40-Stunden-Woche. Wer das in einem starren Arbeitsmodell schaffen soll, muss private Opfer bringen.

Das ging lange gut. Die Vollzeit-Woche basiert auf der Idee, dass der Mann arbeiten geht und die Frau ihm zu Hause den Rücken freihält. Sprich, die Kinder betreut, den Haushalt schmeißt und das Management des Privatlebens übernimmt.

Inzwischen wollen das beide und am liebsten gleichermaßen. Wenn das das Ziel ist, ist der Weg berufliche Flexibilität. Wer sein Unternehmen also vor einem Fachkräftemangel schützen möchte, ist gut beraten, den Arbeitnehmenden das anzubieten. Der Dank wird sein: zufriedene, gesunde und fleißige Arbeitskräfte statt Fachkräftemangel.

Win-win.

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