Leitartikel

„Merkels Denkmal“

Merkels Denkmal

Merkels Denkmal

Siegfried Matlok
Siegfried Matlok Senior-Korrespondent
Apenrade/Aabenraa
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Seniorkorrespondent Siegfried Matlok blickt auf die Regierungszeit von Angela Merkel zurück und bilanziert, dass die Kanzlerin a. D. große Entscheidungen getroffen hat, die auch Dänemark direkt und indirekt betroffen haben.

Mit dem Regierungswechsel in Berlin, der im Vergleich zu früheren Bonner Machtwechseln in angenehmer Atmosphäre stattfand, ging die 16-jährige Ära von Angela Merkel zu Ende: Ihr Nachfolger Olaf Scholz sprach davon, dass sie „Großartiges bewegt“ habe. Ob sich die Historiker eines Tages dieses Urteil zu eigen machen, bleibt abzuwarten, zweifelsohne gab es Siege und Niederlagen in ihrer langen Karriere.

Ihr Platz in der deutschen Geschichte ist gesichert, und sie hat vor allem in der europäischen Geschichte der EU in den vergangenen 16 Jahren eine herausragende Rolle gespielt, natürlich nicht nur für Deutschland, sondern auch für die anderen Mitgliedsländer – darunter Dänemark. Sie hat große Entscheidungen getroffen, die auch Dänemark direkt und indirekt betroffen haben. In der dänischen Bevölkerung war sie wohlgelitten, ja sogar populär als eine deutsche Bundeskanzlerin, die selbst in schwierigsten Situationen stets einen Kompromiss gefunden hat. 

Im Fernsehen von „TV2“ beklagte Kommentator Hans Engell ihren Mangel an Visionen, und Ulla Therkelsen rapportierte aus Berlin, Merkel habe doch vor allem den Interessen „von Mercedes und Siemens“ gedient. Zwischen den Zeilen wurde so mehr oder weniger angedeutet, dass sie für Dänemark kaum etwas bewirkt habe. 

Widerspruch!!!

Eine junge Frau stand an der Küste von Rügen und konnte bei klarem Wetter die dänische Insel Møn sichten – es war die mecklenburgische Pfarrerstochter Angela Merkel, die so selbst ihren sehnsuchtsvollen Blick  Richtung Freiheit beschrieb. Als die Mauer fiel, war eine ihrer ersten Auslandsstationen Dänemark – Kopenhagen, wo sie beim Sozialdemokraten Svend Auken zu Gast war. 

Zwei historische Ereignisse/Ergebnisse für Dänemark bleiben mit der Person Angela Merkel verbunden:
1) Ein Bauwerk wird sozusagen ihr deutsch-dänisches Denkmal, die Fehmarn-Verbindung. Sie war in Deutschland sehr umstritten, besonders in der Großen Koalition unter Bundeskanzlerin Angela Merkel, wo der sozialdemokratische Regierungspartner durch den von ihm gestellten Bundesverkehrsminister dem Projekt ein Bein zu stellen versuchte. 

Schwierige deutsch-dänische Verhandlungen, die sogar vor dem Abbruch standen, wurden erst gelöst, als Angela Merkel mit einer SMS-Nachricht von „AM“ ihren Verkehrsminister anwies, den dänischen Wünschen nach einer Fehmarn-Verbindung entgegenzukommen. 

Die schwachen Verkehrsprognosen für die Verbindung ließ sie nicht gelten; ihr Anliegen war die Brücke – sprich Tunnel – zwischen Dänemark und Deutschland; auch trotz großer Bedenken in ihrem eigenen mecklenburgischen Wahlkreis. Das außenpolitische Moment mit dem geostrategischen Ausbau der Beziehungen zwischen den Nachbarn war für sie ausschlaggebend.

2) Man erinnere sich bitte an die Mohammed-Krise, ausgelöst 2005 durch die Karikatur des Propheten Mohammed von Kurt Westergaard in „Jyllands Posten“. Es war die schwerste außenpolitische Krise Dänemarks nach 1945 – leider auch mit vielen Toten bei den gewaltsamen Demonstrationen in zahlreichen muslimischen Ländern. Nicht Dänemarks traditionell engste Bündnispartner USA und Großbritannien sprangen dem bedrängten Königreich in schwerster Not zur Seite, sondern als erste ausländische Regierungschefin war es Deutschland mit Angela Merkel, die den Dänen in dieser bedrohlichen Lage Solidarität zusicherte, eine politisch brisante Tat, die besonders der damalige Staatsminister Anders Fogh Rasmussen ihr dankbar nie vergessen hat.

Und als der stets unter Morddrohungen lebende Künstler Westergaard 2010 in Potsdam mit einem Medienpreis für seine Verdienste um die Pressefreiheit ausgezeichnet wurde, da nahmen – trotz heftiger Proteste vom Zentralrat der Muslime – sowohl Bundespräsident Joachim Gauck als auch Bundeskanzlerin Angela Merkel demonstrativ an der Preisverleihung teil. Merkel wertete die Preisverleihung als Zeichen für die Pressefreiheit und lobte Westergaard – übrigens abweichend vom Manuskript – mit den Worten: „Das Geheimnis der Freiheit ist der Mut.“

Nicht zuletzt Anders Fogh Rasmussen, der als Regierungschef am längsten mit Merkel zusammengearbeitet hat, würdigte ihre Verdienste auch für Dänemark; wohl nicht zufällig, denn Merkel hatte ihre Finger mit im Spiel bei der Wahl von Anders Fogh zum Nato-Generalsekretär. Aber auch Staatsminister Lars Løkke und Helle Thorning haben wiederholt die führende bilaterale und internationale Rolle der Bundeskanzlerin hervorgehoben. Sie hat damit jene Politik fortgesetzt, die schon unter Bundeskanzlern wie Willy Brandt, Helmut Schmidt und Helmut Kohl eine Messlatte bundesdeutscher Außenpolitik geworden war: nämlich bei aller (Lebens-)Notwendigkeit der deutsch-französischen Partnerschaft stets die Pflege der Interessen „kleinerer“ Mitgliedsstaaten zu beachten – und von dieser Politik hat auch Dänemark in den 16 Jahren unter Angela Merkel sehr profitiert. 

In den königlichen Gesellschaftsräumen auf Christiansborg hängen 17 Gobelins des dänischen Künstlers Bjørn Nørgaard, die die dänische Historie und die Weltgeschichte durch die vergangenen 1.000 Jahre umfassen. Auf diesen imponierenden Wandteppichen findet man unter anderem Bismarck und Brandt.

Sollte man die Fortschritte in den deutsch-dänischen Beziehungen in einer Person zusammenfassen, dann war es in den vergangenen 16 Jahren Angela Merkel, die das Vertrauen in Deutschland weiter gefestigt und eine gute Nachbarschaft in Freundschaft verwandelt hat.

Auf künftigen Gobelins hätte sie auch einen Ehrenplatz auf Christiansborg verdient!

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