Leitartikel

„Mehr Abstand, bitte!“

Mehr Abstand, bitte!

Mehr Abstand, bitte!

Apenrade/Aabenraa
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Die momentane Corona-Krise sollte uns Anlass sein, einmal innezuhalten, um zu überlegen, ob wir Menschen nicht zu weit in die Tierwelt eingedrungen sind. So wünschenswert ein Impfstoff gegen Covid-19 ist, so behebt er doch nur die Symptome, nicht aber die Ursachen dieser Krise, meint Redakteur Nils Baum.

Die Corona-Krise hat so manchen unfreiwilligen Verzicht mit sich gebracht. Plötzlich dürfen oder sollen wir alles Mögliche nicht mehr. Auf den Schock des Frühjahrs folgte ein Aufatmen im Sommer und erneutes Wehklagen, als die Infektionszahlen im September wieder anstiegen. So ganz konnte man sich nicht des Eindrucks verwehren, dass viele von uns überrascht waren. Schon wieder unfreiwilliger Verzicht? Wann ist Corona endlich vorbei?

Doch anstatt zu fragen, wann man denn endlich wieder seinen gewohnten Mustern und Strukturen folgen kann, sollten wir vielleicht einmal überlegen, ob wir nicht gut daran täten, langsam zu erkennen und anzuerkennen, dass wir etwas anders machen sollten.

Die bisherigen Epidemien dieses noch immer jungen Jahrhunderts heißen SARS, Schweinegrippe, MERS, Ebola und Covid-19. Sie alle stammen aus der Tierwelt und haben sich auf den Menschen übertragen. Sind wir dem Tier zu dicht auf die Pelle gerückt?

Laut einem Bericht des Umweltprogramms der Vereinten Nationen stammen ungefähr 60 Prozent der menschlichen Krankheiten ursprünglich von Tieren ab. Oftmals wurden sie zunächst auf Nutztiere übertragen, welche die Erreger dann weiter an den Menschen gaben.

Dass sich Menschen an einer Infektionskrankheit anstecken, die tierischen Ursprungs ist, ist deshalb eigentlich nichts Neues. Es scheint nur, dass es sich noch nicht so richtig in unserem Bewusstsein festgesetzt hat.

Doch für die Übertragung tierischer Krankheiten auf den Menschen ist weder die Fledermaus noch das Huhn verantwortlich. Es ist vielmehr der Mensch selbst, der den Tieren zu wenig Freiraum bietet.

Unsere hohe Nachfrage nach Fleisch hat zur massenhaften Umwandlung naturbelassener Flächen in Nutzflächen geführt. Neue Mega-Städte sind an vielen Orten der Welt entstanden, die der Verbreitung von Krankheitserregern gute Voraussetzungen bieten; der natürliche Lebensraum wurde für viele Wildtiere immer weiter eingeschränkt, da das wachsende Interesse an Wildtieren dazu führt, dass Jäger in direkten Kontakt mit den Tieren kommen, die später dann auf Tiermärkten vor Ort geschlachtet und verkauft werden.

Der Kontakt zwischen Mensch und Tier wurde so über Jahrzehnte immer enger, und der Mensch dringt immer weiter in Ökosysteme vor, in denen er eigentlich nichts zu suchen hat. Unsere globale Mobilität trägt ihres dazu bei, dass sich Krankheitserreger schnell um den Erdball verbreiten können. Aber auch die derzeit im Fokus der Öffentlichkeit stehenden Nerzfarmen zeigen, wie sehr eine große Anzahl an Tieren, die auf engstem Raum gehalten werden, zur Steilvorlage für eine rasante Verbreitung von Krankheitserregern sowohl unter den Tieren selbst als auch auf den Menschen wird.

In der Fachwelt nennt man die Übertragung von Krankheiten vom Tier auf den Menschen Zoonose. Die meisten von ihnen entstammen der Massentierhaltung.

Der Versuch, solche Gefahren mithilfe von Antibiotika entgegenzuwirken, hat zu neuen Herausforderungen geführt. Die Krankheitserreger passen sich an die Antibiotika an, die damit ihre Wirksamkeit als Schutzmittel für Mensch und Tier verlieren. Neue Gefahr droht auch von steigenden Temperaturen, die neue Tierarten in unsere Breitengrade bringen, die wiederum für den Menschen gefährliche Erreger übertragen können, von denen wir bisher verschont blieben.  

Können wir vor diesem Hintergrund erleichtert aufatmen, wenn demnächst hoffentlich ein Impfstoff gegen Covid-19 in ausreichender Zahl zur Verfügung steht?

So sehr die Maßnahmen gegen Covid-19 in unser aller Interesse liegen, scheint doch vieles darauf hinzudeuten, dass eine Bekämpfung dieses Virus eben doch nur die Symptome behebt, aber nicht die Ursachen.

Deswegen könnte es sich lohnen, in diesen turbulenten Tagen und Wochen einmal in sich zu gehen und sich zu fragen, ob die Idee mit zwei fleischfreien Tagen vielleicht doch nicht so blöd ist; oder ob man sein Fleisch statt aus der Supermarkttheke vielleicht besser lokal beim Bauern kauft und dafür einen Preis bezahlt, der den tatsächlichen Kostenfaktor für eine artgerechte Tierhaltung widerspiegelt?

Damit würden wir uns auf längere Sicht nämlich wieder mehr aus der Tierwelt zurückziehen. Statt in fremde Lebensräume einzudringen, würden wir den Tieren wieder mehr Freiraum geben und könnten dann besseren Gewissens sagen, was auch in diesen Tagen der Maskenpflicht gilt: Mehr Abstand, bitte!

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