Leitartikel

„Impfstoff-Dramatik“

Impfstoff-Dramatik

Impfstoff-Dramatik

Apenrade/Aabenraa
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Impfstoff, Impftermin, Impfpass - diese drei Schlagworte bestimmen in diesen Tagen die öffentliche Corona-Debatte. Nach dem Aussetzen des Astrazeneca-Impfstoffs bleibt zu hoffen, dass wir das Richtige tun und uns nicht den Mut ob des Wirrwarrs an Meinungen und Meldungen rund um das Thema „Impfen“ nehmen lassen, meint Nils Baum.

Am 11. März teilte die Gesundheitsbehörde mit, dass die Impfungen gegen das Corona-Virus mit dem Impfstoff von Astrazeneca vorübergehend für zwei Wochen ausgesetzt werden. Zuvor waren mehrere Berichte über Thrombosen bei Personen bekannt geworden, die das Astrazeneca-Präparat erhalten hatten. Unter anderem hatte es einen Todesfall in Dänemark gegeben, weitere neun Fälle, bei denen es zu Blutgerinnseln kam, wurden danach noch registriert.

Seitdem hat die Europäische Arzneimittelbehörde die Zusammenhänge untersucht. Am Donnerstag kam die Behörde zu dem Schluss, dass der Impfstoff von Astrazeneca sicher sei, aber dass eine Verbindung zwischen dem Vakzin und den Thrombosefällen nicht ausgeschlossen werden könne. Es könne jedoch klar geschlussfolgert werden, dass die Vorteile eines Schutzes gegen Covid-19 die möglichen Risiken überwiegen.

Daraufhin tickerten am Freitag die Meldungen ein, dass Deutschland, Frankreich und Italien die Impfungen mit dem Wirkstoff von Astrazeneca wieder aufnehmen. Und eine Reihe weiterer EU-Staaten plant den erneuten Einsatz ab der kommenden Woche.

Hierzulande teilte die Gesundheitsbehörde am Freitagmittag mit, dass man an der zweiwöchigen Pause festhalten will und somit frühestens am nächsten Donnerstag das Impfen mit Astrazeneca wieder aufnehmen wird. Der Direktor der Behörde, Søren Brostrøm, gab zu verstehen, dass er eine Pause von zwei oder drei oder vier Wochen nicht als das große Problem ansieht, da der Impfstoff gut gekühlt abrufbereit auf Lager steht und somit zügig wieder zum Einsatz kommen kann, sollte man sich dafür entscheiden.

Ob es dann wirklich zügig vorangeht, ist jedoch alles andere als gewiss. Denn längst haftet dem Astrazeneca-Impfstoff bei vielen der Ruf eines Präparats an, das es möglichst zu vermeiden gilt. Doch ob es möglich sein wird, den Impfstoff abzulehnen, ohne ans Ende der Impfkette zu rücken, ist noch unklar.

Zuvor hatte der gesundheitspolitische Sprecher der Konservativen, Per Larsen, gegenüber „DR Nyheder“ gefordert, dass man die Möglichkeit haben sollte, den Impfstoff von Astrazeneca abzulehnen, wenn man sich damit unsicher fühle. Dagegen setzte der coronapolitische Sprecher der Einheitsliste, Peder Hvelplund, das Argument, es sei problematisch, wenn man die Leute Impfstoffe „shoppen“ lassen würde, sprich, ihnen die freie Wahl überlasse.

Wie man sich in dieser Frage verhalten will, konnte Brostrøm am Freitag noch nicht sagen, denn dazu habe man in der Gesundheitsbehörde noch nicht Stellung bezogen. Er selbst würde sich aber ohne zu zögern mit Astrazeneca impfen lassen, versicherte der Direktor der Gesundheitsbehörde.

In Deutschland geht man in der Frage der Impfstoffe jetzt sogar noch einen Schritt weiter. So hat Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in einem Gespräch mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen darauf gedrängt, den russischen Impfstoff Sputnik V schnellstmöglich in der EU einzusetzen. Als Argument hieß es, europäische Untersuchungen hätten gezeigt, dass es sich um einen äußerst sicheren Impfstoff handele, der in einigen Fällen sogar die bereits zugelassenen Präparate übertreffe.

Damit stieß Söder scheinbar auf offene Ohren bei von der Leyen, schließlich appellierte sie anschließend für mehr Offenheit mit der Begründung, dass die EU eine der Regionen in der Welt sei, die am meisten Impfstoff exportiere. Noch am Mittwoch hatte sie mit Exportverboten für in der EU hergestellten Impfstoffe gedroht.

Und während man sich in Brüssel alle Optionen offenhalten will, laboriert man hierzulande weiterhin an einem Corona-Pass. Am Freitag wurde mitgeteilt, dass die beiden IT-Unternehmen „Netcompany“ und „Trifork“ den Zuschlag für die erst vergangene Woche lancierte Ausschreibung bekommen haben, die App bis Mai zu entwickeln. Jetzt soll es schnell gehen, und als Nächstes wartet eine Debatte um den Schutz persönlicher Daten und das Risiko einer Überwachungsgesellschaft auf uns.

In der Zwischenzeit rüstet auch Nordschleswig für die Massenimpfung der Bevölkerung auf. Die Region Süddänemark hatte am Donnerstag mitgeteilt, dass es künftig neben Sonderburg (Sønderborg) und Apenrade (Aabenraa) auch Impfzentren in Hadersleben (Haderslev), Woyens (Vojens), Tondern (Tønder), Toftlund und Rothenkrug (Rødekro) geben wird. An Impfzentren wird es also demnächst nicht mehr mangeln.

Fehlt nur noch der Impfstoff in ausreichenden Mengen. Da kommt die Meldung, dass Dänemark in den kommenden beiden Wochen fast 50.000 Impfdosen von Pfizer/Biontech geliefert bekommt, genau zur rechten Zeit. Und da passt es natürlich ins Bild, dass die beiden Gründer von Biontech, Özlem Türeci und Ugur Sahin, am Freitag in Berlin von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurden. In seiner Laudatio sagte er, den beiden sei es gelungen, im richtigen Moment „das Entscheidende“ zu tun.

Bleibt zu hoffen, dass auch wir hierzulande das Richtige tun und uns nicht den Mut von den vielen verschiedenen Meldungen über Impfstoffe, Impftermine und Impfpässe nehmen lassen. Dann findet vielleicht ja demnächst auch noch ein siebter Impfstoff Eingang in das hiesige Angebot. Sein Name entstammt den ersten zehn sowjetischen Satelliten, die eine Erdumlaufbahn erreichten. In Deutschland werden die Sputnik-Rufe bereits lauter.

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