Kulturkommentar

„Schön verschreiben 6.0“

Schön verschreiben 6.0

Schön verschreiben 6.0

Apenrade/Aabenraa
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Wenn Frauen mit der Figur einer Lokomotive in der Glamourwelt ein großer Bahnhof bereitet wird – dann ist viel gewonnen. Foto: Montage André Mackus

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Wer beim „Nordschleswiger“ Texte verfasst, ist ja nicht nur Denker, sondern auch Dichter. Deshalb kann sich Redakteurin Marlies Wiedenhaupt beim Korrekturlesen manchmal zunächst keinen Reim darauf machen, was bestimmte Wortkreationen bedeuten.

Was bitteschön ist ein Fußbadruck? Ist da etwa jemand gegen die Schüssel getreten, als ein anderer jemand sich gerade bei einem angenehm warmen Fußbad entspannte? Der Ruck, den dies auslöste, ließ vermutlich alle Gemütlichkeit dahin- und das Wasser auf den Teppich schwappen – und nun musste erst mal ein Lappen her. Aber nein, es handelte sich nicht um eine solche Lappalie. Es ging um unseren ökologischen Fußabdruck und wie wir ihn verringern können, um das Klima möglichst wenig zu belasten.

Auch das Grundbauchsystem lädt zu allerlei Spekulationen und inneren Bildern ein. Kürzlich schrieben wir, dass die preußische Variante desselben beim Besitzwechsel von Immobilien in Deutschland noch immer eine Rolle spielt. Ein Kollege hat hier einem angestaubten Behörden-Begriff kurzerhand ein wichtiges Körperteil und damit eine menschliche Note angedichtet und die Welt wieder ein kleines bisschen schöner gemacht, beziehungsweise zu machen versucht.

Die Korrektur sollte bei besonderen Verschreibern eigentlich viel öfter ein Auge zudrücken. Denn beim Kauf einer Immobilie spielt neben dem Grundbuch schließlich auch das Bauchgefühl eine Rolle. Das gilt nicht nur für diejenigen, die selbst in dem erworbenen Gebäude leben wollen. Auch wer Wohnraum als Spekulationsobjekt kauft, sollte seinen Bauch – und am besten auch gleich sein Gewissen – mal fragen, ob der eigene Seelenfrieden damit klarkommt, dass man mit dem Grundbedürfnis Wohnen satte Renditen erzielen will und andere Menschen in ihrer Existenz bedroht.

Apropos Menschen. So manch einer ist ja nicht nur begleitet von der Mutter, sondern auch von Presswehen in die Welt gerutscht. Da mussten wir uns bei einer Presskonferenz, die der Gesundheitsminister dem „Nordschleswiger“ zufolge kürzlich angekündigt hatte, doch fragen, ob es da neben dem Thema Corona-Pass auch um Geburtsvorbereitung gehen sollte. Um richtiges Pressen. Oder darum, ob Pressen überhaupt eine hilfreiche Methode ist, ein neues Leben zu beginnen.

Hatte das Virus den Regierungsmitgliedern schon dermaßen die Sinne verwirbelt, dass sie sich ein Leben außerhalb des Konferenzmodus gar nicht mehr vorstellen konnten? Sollte von nun die Geburt aller Neubürgerinnen und Neubürger nur noch in öffentlichen Zusammenkünften stattfinden? Nein, die Presse hat schließlich doch noch ein „e“ spendiert. War auch keine allzu schwere Geburt.

Ins Leben verholfen haben wir kürzlich auch so manchem Kobold. Wir machten die übermütigen Hausgeister doch glatt zum Mitspieler von Lithium – als zentrale Elemente bei der Herstellung von wiederaufladbaren Batterien. Aber die sind mit Kobalt vermutlich weitaus besser bedient.

Sehr gut bedient – oder einfach nur bedient – war schätzungsweise der Mann, der wegen Gewalt zu 14 Tagen Hafen verurteilt wurde. Ob das nun schöner ist, als im Knast zu landen, bleibt der Fantasie unserer Leserschaft überlassen. Je nachdem, ob sie bei dem Hafenjob an gemütliches Den-Blick-schweifen-lassen-und-den-Schiffen-Hinterherschauen denkt oder an körperlich zermürbendes Ladung-Löschen.

Die Fantasie ist vermutlich mit dem Redakteur auf Reisen gegangen, als er die Modelleisenbahner im weiteren Verlauf seines Textes in Modelbauer verwandelte. Schweiften die Gedanken da etwa ab zu Menschen in der Glamourwelt mit einem perfekt anmutenden Körper? Und dazu, wie man sich so einen Body selbst bauen könnte?

Tröstlich für alle Unperfekten ist ja, dass die Modelwelt neuerdings nicht mehr nur auf magersüchtig anmutende Menschen setzt – ein Trost für Teenies und andere, die mit ihrem Körper hadern oder sogar unter ihm leiden.

Aber Normalität kehrt in dieser Branche wohl erst dann ein, wenn auch einem Model mit der Figur einer Lokomotive auf den Laufstegen dieser Welt ein großer Bahnhof bereitet wird.

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