Kulturkommentar

„Schön verschreiben 4.0“

Schön verschreiben 4.0

Schön verschreiben 4.0

Apenrade/Aabenraa
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Beim Angeln kann es schon mal passieren, dass ein staatlicher Hecht anbeißt. Foto: Marcel Einig/Collage lar

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Klappern gehört zum Handwerk. Verschreiben bei Journalisten auch. Zum Glück. Wäre das nicht der Fall, würden uns viele besondere Wortkreationen entgehen. Und die Wissenschaft wäre womöglich um eine neue – vom „Nordschleswiger“ inszenierte – Erkenntnis ärmer, behauptet Redakteurin Marlies Wiedenhaupt.

Wir beim „Nordschleswiger“ erschaffen manchmal eine schöne neue Welt – bevor die Korrektur sie (meist) wieder zerstört. Durch das Verdrehen, Vertippen oder Auslassen von Buchstaben erwecken wir die Schweigermutter zum Leben, die endlich mal die Klappe hält, sorgen dafür, dass um einen verstorbenen Pastor vier Kinder und zwei Engel trauern, und bauen eine Glückwunschkate, in der man gemütlich sitzt und sich dafür hochleben lässt, dass es einen gibt.

Wenn wir uns verschreiben, kann es auch ziemlich tierisch zugehen. Etwa wenn wir über die deutschen Kindergräten Nordschleswigs berichten und den Kleinen auf diese Weise ein fischig anmutendes Skelett verpassen. Vielleicht können sie damit ja beim nächsten Faschingsfest glänzen und ordentlich auf die Tonne hauen.

Apropos Fisch: Wir hätten da noch einen staatlichen Hecht im Angebot, den ein nordschleswigscher Sechstklässler während einer Projektwoche stolz an Land gezogen hat. Ob das Tier ein Schild an der Flosse trug, das über seinen Status als schwimmendes Gemeineigentum aufklärte, entzieht sich leider unserer Kenntnis. Auch wissen wir nicht, ob sich der imposante Hecht überhaupt für sozialistische Strömungen interessierte. Sehr wahrscheinlich hätte er lieber weiter seine Unterwasserrunden gedreht – egal ob als eigenständiges oder verstaatlichtes Wesen. Denn gefangen zu werden war für ihn vermutlich eine stattliche Sauerei.

Eine Sauerei verbirgt sich wohl auch hinter dem Spinngewerbe. In diesem Fall haben wir uns eher „unschön verschrieben“ – ist das ästhetische Kunstwerk eines kleinen Krabblers doch glatt zu einer Branche mutiert, die ihre Kundinnen und Kunden belügt und sich schlimmstenfalls in einem Netz aus Lug und Betrug verstrickt.

So bereichern wie eben nicht nur die Sprachkultur, sondern vielleicht sogar die Wissenschaft um neue Erkenntnisse. Denn „Der Nordschleswiger“ hat möglicherweise herausgefunden, warum vor 66 Millionen Jahren eine spektakuläre, tonnenschwere Spezies wirklich ausgestorben ist. Die Dinosauerier kamen vielleicht mit ihrer martialischen Erscheinung selbst nicht klar, waren entsprechend wütend auf die Evolution und machten sich deshalb voll genervt vom oberkreidezeitlichen Acker.  

Dann doch lieber rechtzeitig zur Ente mutieren – so wie es Menschen tun, die vorzeitig aus der Berufstätigkeit austreten. Das machen sie ja entweder aus gesundheitlichen Gründen oder weil sie einfach keine Lust mehr auf ihren Job haben – und entscheiden sich für die Frühverentung.

Dann wäre da noch der gute Tipp, in dieser Jahreszeit im Straßenverkehr für gute Beleuchtung und somit für Sichtbarkeit zu sorgen. Wer zu diesem Zwecke allerdings die Schweinwerfer einschaltet, erreicht womöglich das Gegenteil. Und schlimmstenfalls kann sich dann auch die Schweigermutter nicht mehr mit einem bissigen Kommentar zurückhalten.

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