Kulturkommentar

„Schön verschreiben 3.0“

Schön verschreiben 3.0

Schön verschreiben 3.0

Apenrade/Aabenraa
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Verschreiber sind beim „Nordschleswiger“ an der Tagesordnung. Die meisten eliminiert die Korrektur, aber die besten schaffen es in diese Rubrik. An manchen hätte sogar der Begründer der Psychoanalyse, Sigmund Freud, seine wahre Freude gehabt, ist Redakteurin Marlies Wiedenhaupt sicher.

Wenn einem meiner Kollegen beim „Nordschleswiger“ das Wort Bevolkerung aus der Feder fließt, liegt die Ursache dafür nahe: Er heißt ja schließlich nicht Völker, sondern Volker und ist darauf konditioniert, hier keine Pünktchen auf das „o“ zu tüteln. Deshalb ist der Grund für den Verschreiber wohl eher die Gewohnheit als etwa eine Freudsche Fehlleistung im klassischen Sinne.

Der Vater der Psychoanalyse, Sigmund Freud, hätte an diesem Lapsus möglicherweise wenig Spaß gehabt, weil eine psychische Motivation, wie er sie manch sprachlicher Fehlleistung attestierte, hier kaum zu unterstellen ist.

Beim Abgeordneten der Einheitslist könnte das schon eher zutreffen. Hatte da jemand von uns schlechte Erfahrungen mit den Politikern gemacht? Oder gerade persönlich eine üble Phase erwischt, die von Intrigen,  Komplotten und anderen hinterhältigen Machenschaften geprägt war – und zwar von allen miesen Mitmenschen gleichzeitig?

Die Antwort kennen wir ebenso wenig wie den wirklichen Grund dafür, warum es über Schwiegermütter zuhauf Witze und blöde Bemerkungen gibt. Meist abgedroschen und gar nicht lustig. Doch wie unsere Leserinnen und Leser bereits wissen, neigen wir manchmal dazu, uns die Wirklichkeit schönzuschreiben und so eine neue Wörterkultur zu schaffen. Das ist uns auch hier trefflich gelungen. Mit unserer Variante dieser ja oft unfreiwillig mitgeheirateten Verwandten lassen wir für alle Spötter ein wahrlich neues Wesen entstehen: die Schweigermutter. In unserem Netzartikel ist sie – was sicher viele bedauern – nicht erschienen. Denn auf den letzten Drücker hat jemand die Buchstaben in die richtige Reihenfolge gerückt.

Tja, so wünscht sich der eine „Nordschleswiger“-Mitarbeiter vielleicht unbewusst eine Schweigermutter, die andere Mitarbeiterin möglicherweise einen Mann. Einen Knud zum Beispiel. Wie sonst ist der Satz zu erklären, dass zahlreiche Menschen an einer Knudgebung teilgenommen haben? Und wie viele haben tatsächlich einen bekommen? Möglicherweise durch die  Unterstützung einer himmlischen Institution mit einem sechsten Sinn für unbewusste Wünsche.

Freud jedenfalls hätte das gefreut!

Ob er auch die prächtig tragenden Kirchbäume im Garten als Fehlleistung in seinem Sinne eingestuft hätte oder den Wunsch von Veranstaltern, die um möglichst viele Anmeldungen beten, wagen wir hier nicht zu behaupten. Wir interpretieren die Verschreiber jedenfalls so: Da ist jemand lange nicht in die Kirche gegangen und hat ein furchtbar schlechtes Gewissen deswegen.

Ebenfalls mit den Gedanken woanders – vermutlich bei einer etwas unappetitlich präsentierten Süßspeise – war wohl der Kollege, der über die Vorteile eines Notrufarmbandes schrieb, das ältere Menschen im Gegensatz zum Mobiltelefon stets direkt am Körper tragen. Denn: „Wenn jemand nachts auf die Toilette geht, bleibt das Handy auf dem Nachtisch liegen.“

Wer weiß, welche Plätze die allgegenwärtigen Handys demnächst noch alle bevolkern.

 

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