Virus-Mutationen

Wie schnell kann man mRNA-Impfstoff anpassen?

Wie schnell kann man mRNA-Impfstoff anpassen?

Wie schnell kann man mRNA-Impfstoff anpassen?

Elke Schröder/shz.de
Flensburg
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Im Impfzentrum eingetroffen: Impfstoffe der Hersteller Pfizer-Biontech und Astra-Zeneca in einem Kühlschrank. Foto: Friso Gentsch/dpa

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Wie lange könnte dauern, mRNA-Impfstoff anzupassen, um auf Virus-Mutationen zu reagieren? Wie wird er hergestellt?

Bereits angesichts der britischen und südafrikanischen Virus-Varianten haben sich Forscher und Pharmaunternehmen intensiv mit der Frage der Wirksamkeit oder Überarbeitung von Impfstoffen gegen Sars-CoV-2 beschäftigt. So hat beispielsweise der britische Hersteller GlaxoSmithKline Anfang Februar angekündigt, gemeinsam mit dem Tübinger Start-up Curevac „mRNA-Impfstoffe der nächsten Generation“ entwickeln zu wollen, um auch auf Virus-Mutationen reagieren zu können, wie die „Ärzte Zeitung“ berichtete.

„Wir werden auch wahrscheinlich noch weitere Mutationen oder Varianten bekommen, solange wir hohes Infektionsgeschehen in der Welt haben“, sagte Prof. Dr. Marylyn Addo, Leiterin der Sektion Infektiologie am Zentrum für Innere Medizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) jüngst vor Journalisten im Science Media Center (SMC). Sollten angepasste Impfstoffe notwendig werden, hätte man aber „gute Tools, mit denen wir auf Veränderungen, die sich im Zuge der Virusevolution ergeben“ reagieren könnte, sagte die Medizinerin im Hinblick auf die bereits drei in Deutschland in einem Jahr zugelassenen Impfstoffe.

Auch die deutsche Firma Biontech stellt sich darauf ein, möglicherweise einen mRNA-Impfstoff zu entwickeln, der auf Mutationen zugeschnitten ist. „Natürlich machen wir uns Gedanken darüber, wie wir uns auf Veränderungen des Virus vorbereiten und wie wir den Impfstoff weiterentwickeln können, sagte Prof. Dr. Uğur Şahin, Vorstandsvorsitzender von Biontech, ebenfalls im SMC. Der Prozess der Wirkstoff-Anpassung sei derselbe wie bei der Entwicklung. Augenblicklich sei noch kein sogenannter Wechsel des Impfstoffs nötig, so Şahin. Doch wie werden mRNA-basierte Impfstoffe überhaupt hergestellt? Hier die wichtigsten Schritte im Überblick:

1. Produktion des Wirkstoffs – im „Kochtopf“

Am Anfang des Produktionsprozesses steht die Herstellung der mRNA - m steht für Messenger, auf Deutsch: Bote, aus diesem Grund spricht man auch von Boten-RNA. Die Ribonukleinsäure (RNA) ähnelt vom Aufbau zwar der DNA, hat aber nur einen Strang. Die mRNA enthält eine Art Bauplan für ein Oberflächen-Protein des Coronavirus Sars-CoV-2, das Spike-Protein. Nach einer Impfung soll der Körper so das ungefährliche Teilstück des Virus bilden, um die Immunabwehr des Menschen auszulösen. Und so wird die mRNA hergestellt:

In einem ersten Schritt werden Bakterien in Bioreaktoren gezüchtet, die bereits einen Teil der Erbinformation des Virus in Ringform enthalten, die sogenannte Plasmid-DNA. Diese Bioreaktoren funktionierten „wie große Kochtöpfe“, sagte Sierk Poetting, der Betriebsleiter und Finanzvorstand der Mainzer Firma Biontech im „Stern“-Interview.

Nach der Vermehrung der Bakterien werden die Zellen zerstört. Es bleibt eine „Bakteriensuppe“ im „Kochtopf“: ein Gemisch aus Zellresten und Plasmid-DNA, das in diversen Reinigungsschritten getrennt wird. Die Plasmid-DNA dient nun als Vorlage für die mRNA. Vorbereitet wird die Herstellung, indem die DNA-Doppelhelix entrollt und zum Einzelstrang geöffnet wird. Letzterer stellt dann mit Hilfe des Enzyms RNA-Polymerase die mRNA her.

Das US-Pharmaunternehmen Pfizer stellt diesen Prozess in einer Grafik wie folgt dar:

Foto: Pfizer

2. Aufbereitung der mRNA: Aufreinigung

Die mRNA muss nach der Produktion im Bioreaktor aber noch einmal gereinigt und von Rückständen getrennt werden, „sonst wäre der Impfstoff nicht verträglich“, erklärte unlängst Rolf Hömke vom Verband der forschenden Arzneimittelunternehmen im „Bayerischen Rundfunk“. Dieser Prozess wird als Aufreinigung bezeichnet.

3. Formulierung – Fettmolekül-Hülle für empfindliche mRNA

Im nächsten Schritt muss die empfindliche mRNA gut „verpackt“ werden, damit der Wirkstoff später sicher, stabil und leicht in die Körperzelle gelangen kann. Eine Art Schutzhülle wird dafür um den mRNA-Wirkstoff aufgebaut. Diese besteht aus speziell hergestellten Fetten, also Lipiden. Dieser Prozess wird Formulierung genannt.

Kleinste Mengen der mRNA und Fettmoleküle werden dazu gemischt, erklärte Olivia Merkel vom Fachbereich Pharmazeutische Technologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München, der Deutschen Nachrichten Agentur (dpa). Über zwei Kanäle treffen demnach die beiden Stoffe aufeinander und bilden dann Kapseln, in denen jeweils einige mRNAs verpackt seien.

Damit sich ein solches sogenanntes Lipid-Nanopartikel (LNP) um den Wirkstoff herum aufbauen kann, braucht es laut Sierk Poetting vier synthetische Fettmoleküle, wovon zwei aktuell sehr rar seien. Für dieses Verpacken benötige man spezielle Hochdruckpumpen, erklärte der Biontech-Betriebsleiter in dem „Stern“-Interview weiter. Was sich nach einer gewaltigen Anlage anhört. Doch tatsächlich seien diese nur so groß wie ein Schreibtisch mit vielen Schläuchen daran. Kleiner als gedacht und offenbar auch feiner: „Es gibt sie nicht von der Stange“, so Poetting.

Die „Hülle“ verhindert auch, dass der Wirkstoff nicht zu schnell im Körper abgebaut wird. Sie sei aber auch ein Grund dafür, dass die Impfstoffe zum Teil gekühlt werden müssen, so Olivia Merkel weiter. Längere Zeit Raumtemperatur ausgesetzt, könnten die Partikel miteinander verschmelzen und der Impfstoff könnte seine Wirkung verlieren, sagte die Wissenschaftlerin, die selbst an solchen RNA-Hüllen forscht.

Pfizer fasst diese Produktionsschritte in dieser Grafik noch einmal zusammen:

Foto: Pfizer

4. Abfüllung in Fläschchen

Die letzten Schritte bis zur Auslieferung sind die sterilen Filtration und die Abfüllung des Impfstoffs in Fläschchen. Nach der Qualitätskontrolle bekommen die Fläschchen ihre Etiketten, werden verpackt und schockgefroren, bevor sie in Tiefkühllagern auf den Versand in Trockeneisbehältern vorbereitet werden. Nach dem Transport ins Impfzentrum liegt der Impfstoff dann wie hier (Foto) in fertig aufgezogenen Einweg-Spritzen in einer Kabine zur Verimpfung an die Patienten bereit.

Foto: imago images/MiS

Wie schnell könnte eine Anpassung von Impfstoffen gelingen?

Bei mRNA-Impfstoffen gehe man davon aus, dass innerhalb von sechs Wochen ein neuer Impfstoff generiert werden könne, sagte Hamburger Infektiologin Marylyn Addo. Bei viralen Vektor-Impfstoffen geht sie dagegen eher von Monaten aus, auch abhängig vom Zulassungsprozess.

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