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„Ungarn würde heute an den Kopenhagener Kriterien scheitern“
Ungarn würde heute an den Kopenhagener Kriterien scheitern
Ungarn würde heute an den Kopenhagener Kriterien scheitern
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Eine Konferenz im Folketing erinnert an die Entstehung der Kopenhagener Kriterien, die heute aktueller denn je sind. Jan Diedrichsen nimmt dabei vor allem auch die Minderheitenrechte im Fokus.
Vor 30 Jahren wurden die Kopenhagener Kriterien als politisches Instrument eingeführt. Sie wurden zu den viel zitierten Grundparametern der Erweiterungspolitik der Europäischen Union. Der vormals „gemütliche“ westeuropäische Wirtschaftsverband musste nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dem Entstehen der vielen neuen Demokratien im Osten Europas entscheiden, wie es mit dem Einigungsprozess weitergehen sollte.
Die zahlreichen Minderheiten und Nationalitäten – rund 300.000 Deutsche in Polen und rund 1,8 Millionen Ungarn in den Nachbarstaaten, um nur zwei zu nennen – waren ein heißes Diskussionsthema dieser Tage. Die Entwicklungen auf dem Balkan mit den jugoslawischen Zerfallskriegen und den damit verbundenen Zivilisationsbrüchen, die Vergewaltigungslager, Massenerschießungen und brutalste Vertreibungen nach Europa brachten, machte die Frage der Minderheiten und Nationalitäten zur Schicksalsfrage.
Daran erinnerte unter anderem der dänische Außenminister Lars Løkke Rasmussen und hochrangige Vertreterinnen und Vertreter aus ganz Europa während einer Konferenz, die Anfang der Woche in Kopenhagen im Folketing stattfand. Die Anwesenden machten keinen Hehl daraus, dass die Kopenhagener Kriterien aktuell zu neuer Bedeutung kommen.
Moldawien und Ukraine wurde eine EU-Mitgliedschaft in Aussicht gestellt. Der Balkan ist der chronisch instabile Hinterhof der Europäischen Union, der eine verlässliche europäische Perspektive braucht, will man nicht irgendwann „überrascht“ werden, wenn in der Region wieder die Gewalt explodiert. Dies sind hinreichend viele Gründe, um die Kopenhagener Kriterien wieder zu Ehren kommen zu lassen.
Demokratie in Ungarn ausgehöhlt
Doch auch von innen betrachtet, erhalten die Kopenhagener Kriterien eine wesentliche Bedeutung und schaffen politische Einordnung: Ein Grundprinzip jeder Demokratie und ein Eckpfeiler der Kopenhagener Kriterien sind freie und faire Wahlen. Unter Orbáns Fidesz-Führung ist diese demokratische Norm in Ungarn dramatisch ausgehöhlt worden. Die Wahlgesetze wurden manipuliert, Wahlmanipulationen sind weitverbreitet und der Medienpluralismus wird massiv unterdrückt.
Bei den letzten nationalen Wahlen kam die OSZE zu dem Schluss, dass in Ungarn „grundsätzlich keine gleichen Ausgangsbedingungen“ herrschten. Aus diesen Gründen kam das Europäische Parlament im vergangenen Jahr zu dem Schluss, dass Ungarn eine Wahlautokratie ist.
Isoliertes Ungarn
Würde Ungarn heute einen Antrag auf Beitritt zur EU stellen, würde es an den Kopenhagener Kriterien krachend scheitern.
Nach Jahren des Zauderns werden nun harte Maßnahmen gegen Ungarn ergriffen. Der neue Mechanismus der Haushaltskonditionalität wurde genutzt, um Ungarn EU-Mittel in Milliardenhöhe vorzuenthalten. Das Europäische Parlament versucht aktuell zu verhindern, dass Ungarn die turnusgemäß anstehende Ratspräsidentschaft der EU übernimmt. Ungarn ist in Europa isoliert.
Es ist ferner beschämend und unanständig, wie sich vor allem der de facto Autokrat in Budapest, Victor Orbán, positioniert. In einem aktuellen Interview hat er der Ukraine die Staatlichkeit abgesprochen und auf die Frage, ob Putin ein Kriegsverbrecher sei, lakonisch mit „Nein“ geantwortet. Wenn sich Orban und zahlreiche ungarische Politiker als die großen Minderheitenschutzleute inszenieren und gar behaupten, dass Ungarn als einziges Land wirklich etwas für die Minderheiten tue, ist das eine politische Pose.
Minderheiten müssen sich positionieren
Vielmehr kreieren sie für die Minderheiten eine äußerst gefährliche Entwicklung. Wenn die Minderheiten sich weiter willenlos auf die Seite Ungarns ziehen lassen, werden sie das politisch mittelfristig unter anderem mit einem politischen Bedeutungsverlust teuer bezahlen. Es ist kein Geheimnis, dass die Minderheiten und ihre Institutionen verschärft unter Beobachtung stehen, wie sie sich zu den politischen und ideologischen Vereinnahmungsversuchen der Orbán-Apologeten verhalten.
Die Minderheiten und ihre Organisationen müssen sich nicht zuletzt mit Rückblick auf die vor 30 Jahren verabschiedeten Kopenhagener Kriterien von den Umarmungs- und Vereinnahmungsbestrebungen der Demokratiefeinde in Budapest überzeugend distanzieren.