Nach Brauerei-Wegzug

Unternehmer kritisieren Flensburger Verwaltung

Unternehmer kritisieren Flensburger Verwaltung

Unternehmer kritisieren Flensburger Verwaltung

Julian Heldt/shz.de
Flensburg
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Illustre Runde: In der Kanzlei Müller & Partner wurde über die Lage der Wirtschaft in Flensburg diskutiert. Foto: Marcus Dewanger

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Unternehmer kritisieren die aktuelle Entwicklung in Flensburg, fordern mehr Visionen und einen besseren Austausch mit dem Rathaus.

Es sind sechs bekannte Akteure aus der Wirtschaft, die an diesem Donnerstagmittag mit dem Landtagsabgeordneten Kay Richert und Ratsfrau Susanne Rode-Kuhlig (beide FDP) in der Kanzlei Müller & Partner in Sonwik zusammengekommen sind.

Mit Abstand und Maske wird über die angespannte wirtschaftliche Lage in Flensburg und das Verhältnis zur Verwaltung gesprochen. „Dass diese Leute heute hier sitzen, ist ein Ausdruck größter Verzweiflung“, sagt Richert.

Der FDP-Landtagsabgeordnete Kay Richert. Foto: Marcus Dewanger

Eines der Hauptthemen der Runde: der angekündigte Teil-Wegzug der Flensburger Brauerei nach Schuby. „Es ist ein Ergebnis, mit dem wir alle nicht zufrieden sein können“, sagt Arbeitgeberverbandschef Dr. Fabian Geyer. Das Thema sei sehr emotional. „Bundesweit verbindet man Flensburg mit der Brauerei. Das sind alles Arbeitsplätze, die nun nicht mehr vor Ort sind“, so Finanzdienstleister und Unternehmensberater Lothar Koch. 

Unternehmensberater Lothar Koch. Foto: Marcus Dewanger

Die Brauerei wollte sich ursprünglich an der Westerallee erweitern, gab diese Pläne jedoch aufgrund von Klagedrohungen der Bürgerinitiative Flensburger Westen kurzfristig auf. Oberbürgermeisterin Simone Lange sprach anschließend davon, dass die fehlgeschlagene Erweiterung in Flensburg schade sei, man jedoch froh sein könne, eine Lösung in der Region gefunden zu haben.

FDP-Politiker Richert sieht Parallelen zum Wegzug von Queisser. „Das war 1:1 das gleiche.“ Der beratende Volkswirt Dr. Martin Spey fordert eine Aufarbeitung der Geschehnisse: „Man muss sich mit dieser Niederlage befassen.“ Aus Sicht von Geyer sei die Wiederholungsgefahr groß. „Wenn das noch einmal passiert, ist das schon die Definition von Schwachsinn“, so Spey.

Das derzeitige Handeln der Verwaltung sehen die Unternehmer und Wirtschaftsfachleute kritisch. „Die Stadt wird nicht als wirtschaftsfreundlich angesehen. In den letzten fünf Jahren hat sich in Flensburg überhaupt nichts bewegt. Ich muss mich dafür rechtfertigen, wenn ich auswärts unterwegs bin – das nervt“, ärgert sich Geyer.

Arbeitgeberverbandschef Dr. Fabian Geyer. Foto: Marcus Dewanger

Jens Drews ist Chef der Flensburger Gilde und hat als Optiker in der Großen Straße den direkten Draht zu den Kaufleuten in der Innenstadt. „Wir haben eine absolut fehlende Empathie in der Verwaltung. Dieses an die Hand nehmen, wenn ein Unternehmen sich hier ansiedeln möchte, fehlt“, erklärt er. Viele Geschäftsleute in Flensburg seien kraftlos und leer. Die Folgen der Corona-Maßnahmen hätten ihnen zu schaffen gemacht, berichtet Drews. „Ich ringe nach einer Öffnungsstrategie mit und nach Corona.“

Hans Peter Kjer hat als Eigentümer mehrerer Immobilien die Entwicklung der Innenstadt in den vergangenen Jahren hautnah begleitet. „Wir haben mit Pact I und II vieles bewegt. Wir müssen nun ein Konstrukt finden, bei dem Geld da ist. Wenn man nicht das Kapital hat, kann man noch so viele Stadtmanager einstellen“, sagt er. Kjer berichtet von Mietern, die gekündigt haben und aus der Innenstadt abgewandert sind. Ihn ärgert es, dass in der Angelburger Straße auf der Sinnerup-Baustelle seit vielen Monaten nichts passiert. „Es ist fürchterlich, dass er (Anm. d. Red.: Sinnerup) nicht unterstützt wird.“

Immobilieneigentümer Hans Peter Kjer. Foto: Marcus Dewanger

Einig sind sich die Fachleute, dass es ihnen in Flensburg an Visionen mangelt. „Wie die Stadt in zehn bis 15 Jahren aussehen soll, da fehlt mir jegliche Antwort. Es gibt keine Strategie, nicht einmal einen strategischen Ansatz“, kritisiert Geyer. Es sei nicht verwerflich, sich Expertenrat zu holen. Volkswirt Spey sieht es ähnlich: „Ich glaube, wir würden einen großen Schritt vorankommen, wenn wir uns interdisziplinär mit der Stadt und verschiedenen Know-How-Träger zusammensetzen würden.“

Das Bahnhofshotel, die Erweiterung der Flensburger Fahrzeugbau Gesellschaft und die Brauerei – in Flensburg haben zuletzt mehrere Bauvorhaben für Diskussionen gesorgt. „Wenn wir über Unternehmen sprechen, die sich erweitern wollen, heißt es, dass dieser Kapitalist nur Geld verdienen will“, beklagt Richert. Dabei sei es dem Gemeinwesen immer dann gut gegangen, „wenn die Kaufleute gut wirtschaften konnten“.

Mehr wirtschaftliche Denke

Auch Koch betont: „Unternehmen bringen der Stadt Geld.“ Investoren dürften nicht als negatives Element betrachtet werden.

Ratsfrau Rode-Kuhlig wünscht sich in diesem Zusammenhang mehr wirtschaftliche Denke. „In der Verwaltung und bei meinen Ratskollegen.“

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