Kieler Landtag

Sondersitzung: Viel Kritik am Infektionsschutzgesetz

Sondersitzung: Viel Kritik am Infektionsschutzgesetz

Sondersitzung: Viel Kritik am Infektionsschutzgesetz

Kay Müller/shz.de
Kiel
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Der Landtag in Kiel hat schon härtere Debatten erlebt als die Sondersitzung an diesem Dienstag. Foto: Christian Charisius

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Eine Mehrheit im Landtag will Änderungen und hat sich doch damit abgefunden, dass es die wohl nicht geben wird.

So recht glaubt er nicht daran, dass sich noch was ändern lässt am Infektionsschutzgesetz, das im Bund noch in dieser Woche beschlossen werden soll. Auf einmal spricht Ministerpräsident Daniel Günther im Landtag nur noch von einer „Protokollnotiz“, in der die Landesregierung deutlich machen werde, was ihr an dem Gesetz des Bundes nicht passt. Dabei verabschiedet der Landtag kurz darauf mit großer Mehrheit einen Antrag, in dem sie die Landesregierung auffordert, sich für Änderungen im Bund einzusetzen. Darin wird deutlich, was die meisten Redner im Plenum betonen.

„Im Zweifel sind mildere Mittel anzuwenden als pauschale Ausgangssperren bei einer Inzidenz über 100“, sagt etwa FDP-Fraktionschef Christopher Vogt, der den Gesetzentwurf auf Bundesebene als „Murks“ bezeichnet. Die Zahl von 165 Neu-Infektionen pro 100.000 Einwohner in einer Woche, ab der Schulschließungen greifen sollen, sei willkürlich gewählt und entspreche dem Durchschnittswert in Deutschland, so Vogt weiter. Zudem sei es falsch nur auf die Infektionszahlen zu schauen und Faktoren wie die Auslastung der Krankenhäuser mit Covid-Patienten nicht zu berücksichtigen. „Wir sind skeptisch, dass dieses Gesetz vor Gericht Bestand haben wird.“ Vogt will am liebsten den Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat anrufen, um weitere Änderungen durchzusetzen.

Will am liebsten den Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat anrufen, um weitere Änderungen durchzusetzen: FDP-Fraktionschef Christopher Vogt. Foto: dpa

Dass sieht Günther allerdings anders: „Kein Vermittlungsausschuss, damit das Gesetz für die anderen Bundesländer möglichst schnell in Kraft tritt“, ist seine Maxime. Der CDU-Politiker meint zwar genauso wie der FDP-Mann, dass Schleswig-Holstein ein funktionierendes Regelwerk habe, sagt aber auch: „Wir verschließen uns der Debatte über das Gesetz nicht, weil wir ein bundesweit einheitliches Handeln möglich machen wollen.“

Fraktionen kritisieren Fixierung auf Inzidenzzahlen

Das sehen auch andere Redner so, betonen aber wie etwa Lars Harms, dass es ja einen Grund haben müsse, warum die Infektionszahlen im Norden unter denen in anderen Ländern liegen. Der SSW-Mann fordert regional unterschiedliche Maßnahmen, wenn die Zahlen über 100 steigen – und nicht gleich kreisweite Schließungen.

Jörg Nobis von der AfD hingegen hält das Gesetz für verfassungswidrig. Für ihn tragen nicht nur einzelne Bundesländer die Schuld, sondern auch die CDU-geführte Bundesregierung.

Es gab ein Kollektivversagen der Bundesländer.

Tobias Koch, CDU-Fraktionschef

CDU-Fraktionschef Tobias Koch äußert zwar auch Kritik, aber für ihn überwiegen die Vorteile des Gesetzes. Denn es sorge dafür dass sich anders als in der Vergangenheit andere Bundesländer an die Notbremse halten und bei Inzidenzen über 100 die Notbremse ziehen müssten. „Es gab ein Kollektivversagen der Bundesländer.“

Will auf jeden Fall, dass die Kritik aus dem Norden an dem Gesetzentwurf des Bundes deutlich wird: Grünen-Fraktionschefin Eka von Kalben. Foto: dpa

Eka von Kalben von den Grünen gibt zu, dass ihre Fraktion bis kurz vor Sitzungsbeginn erheblichen Beratungsbedarf gehabt habe – auch was den Entschließungsantrag angeht. „Wir sind skeptisch, ob das ausreicht.“ Es ist nicht neu, dass die Grünen eher für schärfere Maßnahmen sind, die FDP aber bei weiteren Grundrechtseinschränkungen auf der Bremse steht – und mittendrin der größte Jamaika-Koalitionspartner CDU. Deren Chef Daniel Günther macht deutlich, was er von dem neuen Gesetz hält, dass seine Partei im Bund mit ausgehandelt hat: „Es hätte deutlich flexibler sachgerechter und transparenter ausgestaltet werden können.“

SPD enthält sich

Und was sagt der Oppositionschef? „In der Gesamtheit schafft das Gesetz mehr Verlässlichkeit, Nachvollziehbarkeit und Transparenz.“ Und doch enthält sich Ralf Stegner und der Rest der SPD-Fraktion bei der Abstimmung über den Entschließungsantrag, weil „wir Ihnen nicht helfen werden, die Unstimmigkeiten in ihrer eigenen Koalition zu bemänteln“. Günther mache das nur um den Laden zusammenzuhalten. „Aber Sie wissen, dass es in der Sache wirkungslos ist“, so Stegner.

Aber immerhin haben die Politiker mal über zwei Stunden lang im Landtag darüber gesprochen.

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