Vorschlag aus Politik und Praxis

Mehr Freiheiten schon nach der ersten Astrazeneca-Impfung?

Mehr Freiheiten schon nach der ersten Astrazeneca-Impfung?

Mehr Freiheiten schon nach der ersten Astrazeneca-Impfung?

Micha Lemme/shz.de
Berlin
Zuletzt aktualisiert um:
Covid-19-Impfstoff
Der Covid-19-Impfstoff von Astrazeneca hat bereits nach der ersten Dosis eine hohe Wirksamkeit. Foto: imago/Fotostand/K. Schmitt

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Astrazeneca-Geimpfte warten bis zu 14 Wochen auf den vollständigen Impfstatus. Doch es gibt Ideen, das zu beschleunigen.

Mehr Freiheiten für Geimpfte schon kurz nach der ersten Astrazeneca-Dosis!? Mit diesem Vorschlag machten vor einigen Tagen der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sowie der Vorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, Schlagzeilen. Doch seither scheint die Idee im Sande zu verlaufen – dabei beträfe eine entsprechende Regelung große Teile der Erstgeimpften, die noch einige Wochen auf ihre zweite Astrazeneca-Dosis warten müssen.

"Positiven Anreiz" für Astrazeneca setzen?

Hausärzteverbandschef Weigeldt befürwortete die Freiheiten für Erstgeimpfte im Interview mit der "Wirtschaftswoche": "Ansonsten gibt es das Dilemma: Entweder wird Astrazeneca erst gar nicht gewählt. Oder jemand will die zweite Impfung schon nach vier Wochen haben. Das ist aber nicht nur sinnlos, sondern kann sogar negative Effekte haben."

Deshalb könne für Astrazeneca ein positiver Anreiz gesetzt werden, wenn nach der ersten Spritze schon die gleichen Freiheiten gelten wie für diejenigen, die zwei Dosen Biontech oder Moderna bekommen haben, so Weigeldt weiter. Selbstverständlich dürfe für den vollen Impfschutz nicht auf die zweite Dosis verzichtet werden. Der Schutz von Astrazeneca sei jedoch schon nach der ersten Dosis sehr hoch.

Modell in Österreich mit Freiheiten nach der ersten Impfung

Das betonte auch Kretschmer gegenüber der Berliner "Morgenpost". Sachsens Regierungschef sagte: „Wir alle wollen in den Sommerurlaub fahren. Eine Erleichterung kann ich mir sehr gut vorstellen: Wer mit Astrazeneca geimpft wird, sollte schon drei Wochen nach der ersten Dosis mehr Freiheiten bekommen.“ Dabei verwies Kretschmer auch auf das Modell, das seit Kurzem in Österreich praktiziert wird.

Hier "gilt" eine Impfung – egal ob mit Biontech, Moderna oder Astrazeneca – schon ab dem 22. Tag nach der Erstimpfung und ermöglicht Zutritt zu Restaurants, Veranstaltungen und Hotels. Diese Freiheiten nach der ersten Dosis bestehen für maximal drei Monate, damit der Anreiz zur Zweitimpfung erhalten bleibt. Nach der zweiten Dosis verlängert sich die Gültigkeit dann um weitere sechs Monate. Ein Modell, das auch in Deutschland vorstellbar ist?

 

Weigeldt: Müssen Impfkampagne voranbringen

Auf Nachfrage unserer Redaktion bekräftigt Hausärzteverbandschef Weigeldt seinen Vorschlag: Die Frage, ob eine Rückkehr zu mehr Freiheiten zwangsläufig erst nach einer Zweitimpfung erfolgen kann, halte er "zumindest für diskutierbar“. Es müssten angesichts des knappen Impfstoffes dringend Lösungen gefunden werden, um die Impfkampagne voranzubringen. "Ein Gedanke wäre, mehr Erstimpfungen zu ermöglichen, etwa indem das Intervall für die Zweitimpfungen im Rahmen wissenschaftlicher Erkenntnisse verlängert wird", erklärt Weigeldt. In diesem Zusammenhang müsse dann auch über die Freiheiten der Geimpften diskutiert werden.

Was sagt also das Bundesgesundheitsministerium dazu? Auf unsere Nachfrage, ob und wie das Thema "Freiheiten für Erstgeimpfte" behandelt werde, heißt es nur: "Den vollen Impfschutz erreicht man erst zwei Wochen nach Vollendung der Impfserie. Bei den Impfstoffen von Biontech, Moderna und Astrazeneca ist das nach der zweiten Dosis der Fall." Erst dann sei davon auszugehen, dass der Geimpfte bei der Epidemiologie der Erkrankung keine wesentliche Rolle mehr spiele, so eine Sprecherin. Darüber hinaus weist das Ministerium auf die Informationen des Robert Koch-Instituts (RKI) hin.

Stiko: Nach erster Astrazeneca-Dosis besteht "relevanter Schutz"

Das RKI selbst verweist auf Nachfrage unserer Redaktion auf die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (Stiko). Dort heißt es, dass der Schutz gegen Covid-19 bei einmaliger Astrazeneca-Impfung nach gewisser Zeit abnehme – eine Zweitimpfung ist also unbedingt nötig. Doch die Zulassungsstudien hätten auch gezeigt, dass im Zeitraum von 22 bis 90 Tage nach der Erstimpfung der Schutz vor einer Covid-19-Erkrankung bei über 70 Prozent liege. Über diese Zeit lasse die Wirksamkeit nicht nach.

Bereits nach Verabreichung der ersten Impfstoffdosis bestehe also ein relevanter Schutz, der ohne einen Wirkverlust über mehrere Wochen anhalte, so die Ausführungen der Stiko. Dies ermögliche die Gabe der zweiten Dosis zu einem möglichst späten Zeitpunkt – ein Impfintervall von zwölf Wochen wird empfohlen. Jedoch gehen neuere Studien davon, dass der Astrazeneca-Impfstoff gegen die britische und vor allem die indische Corona-Variante weniger wirksam ist.

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