Coronavirus

Infektiologe aus SH: Ansteckungsrisiko an der Luft gering

Infektiologe aus SH: Ansteckungsrisiko an der Luft gering

Infektiologe aus SH: Ansteckungsrisiko an der Luft gering

Margret Kiosz/shz.de
Schleswig-Holstein
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Auf Grund des geringen Infektionsrisikos sehen Experten das Tragen der Mund-Nasen-Bedeckung in den Draußenbereichen nicht mehr unbedingt als Pflicht – vorausgesetzt: Der Mindestabstand kann eingehalten werden. Foto: Imago Images/Michael Weber

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An Orten, in denen das Abstandhalten schwierig wird, soll die Mund-Nasen-Bedeckung allerdings weiterhin getragen werden, meinen die Experten Helmut Fickenscher und Jan Rupp.

Die Maskenpflicht bleibt ein heißes Eisen. Zu gut erinnern sich auch die Schleswig-Holsteiner an das Hickhack zu Beginn der Corona-Pandemie, als es hieß: Abstand ja, Masken nein, denn die seien eher schädlich. Dann kam die Kehrtwende und halb Schleswig-Holstein griff zu Nadel, Faden, Stoffresten und Gummibändern. Die selbstgenähten Prototypen sind längst passé – kaum vorstellbar, dass sie jemals wieder Standard werden. Heute gelten OP-Masken und FFP2-Masken als Goldstandard, und viele fürchten, dass wir die „Maulkörbe“ nie wieder los werden. 

 

 

Die beiden schleswig-holsteinischen Fachleute auf diesem Gebiet, die Infektiologen Professor Jan Rupp von der Uni Lübeck und sein Kollege Professor Helmut Fickenscher vom UKSH-Campus Kiel sind sich im Grunde einig: Draußen müssen Masken nicht mehr unbedingt sein. Denn an der frischen Luft sei das Ansteckungsrisiko mit Blick auf die niedrigen Inzidenzwerte äußerst gering. 

Doch dann kommt bei beiden das große Aber: Überall dort, wo es eng ist und Abstandhalten schwierig wird, solle der Mundschutz weiter getragen werden. „Also in Küstenorten auf der Kurpromenade ja, in der leeren Fußgängerzone eher nicht“, meint Fickenscher. Die Maske bleibe zumindest so lange ein Thema, wie noch keine Herdenimmunität vorliege. Derzeit sind 20 Prozent der Nordlichter immunisiert – nötig sind dafür aber 80 Prozent. 

Umkleidekabinen sind tückisch für hohe Aerosolkonzentrationen 

Maske auf oder ab – das wird landesweit nicht einheitlich gehandhabt. In Laboe muss man den Mundschutz am Wochenende auf der Kurpromenade tragen, in Itzehoe und Tönning sind die Hinweisschilder abgebaut – in Husum nicht. „Das muss jede Kommune eigenverantwortlich entscheiden“, so Fickenscher. 

Hilfreich ist dabei ein Blick auf wissenschaftliche Untersuchungen. So haben Aerosolforscher herausgefunden, dass in großen Theatern und Museen, Freibädern, Schwimm- und Sporthallen das Ansteckungsrisiko nicht so hoch sei, weil dort sehr viel Raum und Luft seien. „Da reicht die Aerosolkonzentration kaum aus, um andere zu gefährden“, meint Gerhard Scheuch, vormals Präsident der Internationalen Gesellschaft für Aerosole in der Medizin. 

 

In engen Räumen ist die Gefahr am größten. Doch auch dabei gibt es Tücken – denn selbst in vermeintlich Frischluft-durchfluteten Freibädern gibt es enge Umkleiden. „Da muss man schauen, dass die super belüftet sind.“ Denn gerade in kleinen, engen und unbelüfteten Räumen sei die Gefahr am höchsten. „Im Aufzug würde ich eher nicht fahren, Treppenhäuser sind besser belüftet“, gibt auch der Kieler Infektiologe zu Bedenken. Schon während einer kurzen Fahrt im Lift könne man sich anstecken, auch wenn man alleine ist. „Die Wolke bleibt drin.“ 

Experte geht von „massiven“ Lockerungen im Herbst aus 

Dass korrekt getragene Masken die Verbreitung der Coronaviren deutlich bremsen können, hat jetzt ein Mainzer Forscherteam des Max-Planck-Instituts für Chemie gezeigt: Um die Reproduktionszahl – die angibt, wie viele Menschen ein Infizierter im Schnitt ansteckt – um von etwa drei auf unter eins zu reduzieren, müssen demnach 60 bis 70 Prozent der Menschen chirurgische Masken korrekt anwenden. Bei FFP2-Masken wären es etwa 40 Prozent. 

 

Die beiden schleswig-holsteinischen Infektiologie-Professoren raten bei Innenbereichen – wie in Supermärkten – erst einmal bei der Maskenpflicht zu bleiben. Natürlich spielen auch die Inzidenzwerte und das Auftreten von Virusmutationen eine Rolle. Entwickeln sich beide Werte positiv, dann könne man die AHA-Regeln weiter reduzieren. „Wir haben uns in Schleswig-Holstein darauf geeinigt, die Landesverordnung alle zwei Wochen nachzuregulieren.“ Möglicherweise sei noch im Juni Spielraum für Lockerungen vorhanden. Spätestens im Herbst geht Fickenscher von massiven Erleichterungen aus, wenn weiter viel geimpft wird.

 

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