Analyse

Fall Støjberg: Ellemanns Dilemma

Fall Støjberg: Ellemanns Dilemma

Fall Støjberg: Ellemanns Dilemma

Kopenhagen
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Inger Støjberg nach ihrer Aussage vor der Anordnungskommission Foto: Philip Davali/Ritzau Scanpix

Die Anschuldigungen gegen Inger Støjberg sind so schwerwiegend, dass sie laut Experten für ein Gerichtsverfahren ausreichen. Der Venstre-Vorsitzende Jakob Ellemann-Jensen steht jetzt vor einer Zerreißprobe seiner Partei, lautet die Einschätzung von Walter Turnowsky.

Die Anordnung, Asylpaare, bei denen ein Partner minderjährig war zu trennen, war illegal. Daran lässt der Bericht der Untersuchungskommission keine Zweifel. 

In der Frage wird nichts hinter juridischen Vorbehalten versteckt.

„Die Kommission schätzt ein, dass diese Anordnung eindeutig illegal war“, schreiben die drei Kommissionsmitglieder in ihrem vorläufigen Bericht.

Inger Støjbergs (Venstre) Verteidigung, ihre Pressemitteilung vom 10. Februar 2016 sei ausschließlich „politische Kommunikation“, wollen die Juristen nicht gelten lassen. Hier hatte sie geschrieben, dass alle Paare zu trennen seien.

Auf Støjbergs ausdrücklichen Wunsch

Die entscheidende Frage ist jedoch, wie viel Verantwortung die Kommission bei Støjberg persönlich verortet. Sie sei mehrfach von Mitarbeitern des Ministeriums mündlich gewarnt worden, dass eine Regelung ohne Ausnahmen illegal sei, ist das Ergebnis der Kommission, die mehr als 1,1 Terabyte Daten durchpflügt und 32 Zeugen zum Teil mehrfach vernommen hat. 

„Die Kommission kann auf der vorliegenden Grundlage nicht darauf schließen, dass Inger Støjberg einen direkten Dienstbefehl an die Beamten des Ministeriums erteilt hat, sie sollten eine Verwaltung im Widerspruch zum Gesetz einleiten, aber die Beamten des Departements haben in Übereinstimmung mit Inger Støjbergs ausdrücklichem Wunsch gehandelt und haben der Ausländerbehörde eine ausnahmslose Anordnung erteilt. Inger Støjberg hat trotz mehrfacher Warnungen ihrer Verwaltung an dem Wunsch festgehalten.“

Auch sei mindestens bis zum 1. Juli an der illegalen Praxis festgehalten worden.

Ellemann-Jensen argumentiert wie Frederiksen

Der Venstre-Vorsitzende Jakob Ellemann-Jensen versucht, dem ersten Teil der Aussage Positives abzugewinnen.

„Mir ist mitgeteilt worden, dass die Kommission zu dem Ergebnis kommt, dass Inger zu keinem Zeitpunkt eine direkte Order dazu gegeben hat, im Widerspruch zum Gesetz zu agieren“, schreibt er auf Facebook.

Sollte Ihnen diese Form der Argumentation bekannt vorkommen, liebe Leserinnen und Leser, so liegen Sie genau richtig. Denn ganz ähnlich verteidigt sich Staatsministerin Mette Frederiksen (Soz.) im Mink-Fall. Eine direkte Order zur Tötung der Minks soll es von ihr nicht gegeben haben.

Und genau hier findet wir den ersten Teil von Ellemanns Dilemma. Verteidigt er seine zweite Vorsitzende allzu eifrig, so klingt seine Kritik an der Regierung im anderen Fall ziemlich fadenscheinig, um nicht zu sagen doppelmoralisch.

Der Druck auf Ellemann-Jensen wird in den kommenden Stunden und Tagen noch steigen. Staatsrechtler äußern bereits öffentlich, dass der Kommissionsbericht durchaus für einen Reichsgerichtsprozess (rigsretssag) ausreichen würde. Denn der Bericht enthält noch weitere Anschuldigungen. So sei das Folketing irregeführt worden, und dem Ombudsmann habe man zentrale Informationen vorenthalten. Beides an sich schon Gesetzesübertritte eines Ministers.

Ellemann kann auf Støjberg schlecht verzichten

Andererseits weiß Ellemann-Jensen genau, dass Støjberg eine große Anzahl von Unterstützern in der Partei hat. Auch bei einem Teil der Wähler ist sie ausgesprochen populär. Und drittens braucht er sie, um die rechte Flanke Richtung Dänische Volkspartei und Neue Bürgerliche abzudecken.

Er kann also auf Støjberg nur schlecht verzichten. Lässt er sie fallen, riskiert er einen offenen Flügelstreit in der Partei. Und das ist so ungefähr das Letzte, das er sich leisten kann.

Mit seiner Äußerung lässt Ellemann-Jensen letztlich alle Möglichkeiten offen. Vorläufig darf Støjberg ihre Posten behalten. Zunächst solle der Bericht parteiintern gründlich erörtert werden, ließ der Vorsitzende verlauten.

Spielen auf Zeit

Am Ende entscheidet das Folketing, ob ein Verfahren gegen Støjberg eingeleitet werden soll. Und hier verfügen die Sozialdemokraten und die Unterstützerparteien über eine Mehrheit. Die Unterstützerparteien würden die Venstre-Politikerin nur allzu gerne vor den Kadi stellen. Doch die Sozialdemokraten stecken aufgrund des Mink-Falls in einem ähnlichen Dilemma wie Ellemann-Jensen.

Kommt es zu einem Verfahren, kann der Venstre-Vorsitzende wie bisher versuchen, auf Zeit zu spielen. Er wolle das Ergebnis des Verfahrens abwarten, wäre nicht unbedingt eine überraschende Aussage von seiner Seite.

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