Jubiläum

Dänemarks Platz in der EU steht auf ewig zur Debatte

Dänemarks Platz in der EU steht auf ewig zur Debatte

Dänemarks Platz in der EU steht auf ewig zur Debatte

Ritzau/nb
Kopenhagen
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„50 Jahre nachdem Dänemark Mitglied geworden ist, habe ich die Hoffnung, dass sich die Debatte nicht mehr darum dreht, inwiefern wir dabei sein sollen oder nicht. Wir sind seit einem halben Jahrhundert mit an Bord. Jetzt geht es darum, was wir mit der europäischen Zusammenarbeit wollen“, sagt Außenminister Jeppe Kofod (Soz.). Foto: Philip Davali/Ritzau Scanpix

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Einer aktuellen Meinungsumfrage zufolge fällt die Zustimmung der Bevölkerung zur EU derzeit so hoch wie selten aus. Gleichzeitig bewertet eine Mehrheit die momentane Zusammenarbeit dennoch als zu umfassend.

Dänemark und die EU können in Kürze ein glückliches und dennoch nicht sorgenfreies goldenes Jubiläum feiern.

Am Sonnabend ist es 50 Jahre her, dass die ersten Schritte in Richtung einer dänischen Mitgliedschaft unternommen wurden, als Staatsminister Jens Otto Krag (Soz.) den Beitrittsvertrag zu den Europäischen Gemeinschaften unterschrieb.

Seitdem hat sich die Zahl der Mitgliedsstaaten vervierfacht. Die Zusammenarbeit ist auch in der Breite der Themen gewachsen, und das Gleiche ist mit der Unterstützung in der Bevölkerung geschehen.

Denn die Zustimmung in Dänemark zur EU-Mitgliedschaft erreicht ein neues historisches Höchstmaß, wie eine Umfrage von „Voxmeter“ aus Anlass des Jubiläums zeigt.

Was wollen wir mit der EU?

„50 Jahre nachdem Dänemark Mitglied geworden ist, habe ich die Hoffnung, dass sich die Debatte nicht mehr darum dreht, inwiefern wir dabei sein sollen oder nicht. Wir sind seit einem halben Jahrhundert mit an Bord. Jetzt geht es darum, was wir mit der europäischen Zusammenarbeit wollen“, sagt Außenminister Jeppe Kofod (Soz.).

Doch die Diskussion darum, ob Dänemark Mitglied bleiben oder doch besser wieder austreten sollte, will nicht verebben. In diesen Tagen gibt der Traum für einen dänischen EU-Austritt den Spitzenkandidatinnen und -kandidaten der zerstrittenen Dänischen Volkspartei einen gemeinsamen Fixpunkt.

Unter der Bevölkerung sieht es derweil anders aus. Hier unterstützen 71,7 Prozent die Mitgliedschaft. Lediglich 17,8 Prozent sind entschiedene Gegner.

Geborgenheit, Wirtschaft, Sicherheit und Werte

Rückblickend war das nicht immer so. Insgesamt hat es sieben Volksabstimmungen zur EU gegeben, seitdem knapp zwei Drittel im Oktober 1972 für einen Beitrag Dänemarks zur Gemeinschaft stimmten. Dreimal endeten die Volksabstimmungen in einem „Nein“, und zwar zum Euro, zum Vertrag von Maastricht und zur Änderung des Vorbehaltes einer Zusammenarbeit in der Justizpolitik.

Manchmal nimmt man Frieden, Sicherheit und Entwicklung als selbstverständlich hin. Allerdings beruht all das darauf, dass es vor uns Bürgerinnen und Bürger, Politikerinnen und Politiker gegeben hat, die Entscheidungen von großem Einfluss auf unser heutiges Leben getroffen haben.

Jeppe Kofod (Soz.), Außenminister

Außenminister Jeppe Kofod begründet mit vier Worten, weshalb die EU entscheidend für Dänemark ist: Geborgenheit, Wirtschaft, Sicherheit und Werte.

„Manchmal nimmt man Frieden, Sicherheit und Entwicklung als selbstverständlich hin. Allerdings beruht all das darauf, dass es vor uns Bürgerinnen und Bürger, Politikerinnen und Politiker gegeben hat, die Entscheidungen von großem Einfluss auf unser heutiges Leben getroffen haben. Diese ist eine davon“, sagt Kofod.

Dänemark im Herzen der EU verankert

Dänemark solle im Herzen der EU verankert sein, hebt er hervor. Und zwar trotz der vier Vorbehalte. Trotz eines weiter andauernden Neins zum EU-Mindestlohn entgegen einer klaren Mehrheit unter den übrigen EU-Mitgliedsstaaten. Trotz einer mit Nachdruck vorgetragenen Position als eines der wenigen Länder, die auf einen EU-Sparhaushalt drängen.

„Es ist in Ordnung, wenn die Menschen Dänemarks Positionen diskutieren wollen. Aber das ändert nichts daran, dass wir vonseiten der Regierung gerne im Herzen Europas verankert sein wollen. Das ist nicht gleichbedeutend damit, dass man der EU-Zusammenarbeit gegenüber skeptisch eingestellt ist, sondern nur, dass man einigen Vorschlägen gegenüber kritisch ist“, sagt Kofod.

Dänemark wurde vor 50 Jahren Mitglied der Europäischen Gemeinschaft. Staatsminister Jens Otto Kragh unterzeichnete gemeinsam mit dem Minister für Außenwirtschaft, Ivar Nørgaard, am 22. Januar 1972 in Brüssel den Beitritt zu den Römischen Verträgen. Im Oktober desselben Jahres stimmte eine Mehrheit der Bevölkerung für einen Beitritt, der zum 1. Januar 1973 Realität wurde. Foto: Nf/Ritzau Scanpix

Venstre wünscht sich mehr EU-Begeisterung

Nach Auffassung der Opposition und von Venstre ist diese Haltung jedoch nicht „gut genug“. Hier teilt man nicht die Auffassung, dass Dänemark im Herzen der EU stehe.

„Die Regierung ist sehr zurückhaltend, um es milde auszudrücken, und negativ bis skeptisch, wenn ich es kritischer umschreiben soll“, sagt Venstres EU-politischer Sprecher Kim Valentin.

Er verweist auf die Verhandlungen über das EU-Budget zur Bewältigung der Krise im Sommer 2020, bei dem Dänemark als eines von vier Ländern in die Schusslinie geriet, als das Land auf dem kleinstmöglichen Budget beharrte. Das war ein historischer Bruch, meint Venstre.

Valentin erinnert auch an die Berechnungen, die zeigen, dass Dänemark durch seine Mitgliedschaft wohlhabender wird. In Kronen und Öre ausgedrückt beschert die Mitgliedschaft Dänemark ein um 140 Milliarden Kronen größeres Bruttonationalprodukt, wie eine Analyse von Deloitte und Kraka aus dem Jahr 2021 zeigt.

Uneinigkeit über Beibehaltung der vier Vorbehalte

Während die Regierung daran festhält, dass man die Vorbehalte der Bevölkerung von 1992 nach dem Nein zu Maastricht „respektieren will“, wünscht sich Venstre die Aufhebung mehrerer der Vorbehalte.

„Stehen die heutzutage noch im Wege? Ja, das tun sie. Vor allem die Vorbehalte bezüglich der gemeinsamen Verteidigungs- und Justizpolitik, denn in diesen Bereichen könnten wir ansonsten federführend mit auftreten“, sagt Kim Valentin.

Die Regierung ist sehr zurückhaltend, um es milde auszudrücken, und negativ bis skeptisch, wenn ich es kritischer umschreiben soll.

Kim Valentin (Venstre), EU-politischer Sprecher

Dänemark verzichtet nach Ansicht von Venstre in mehreren Bereichen auf Einflussmöglichkeiten, wo es eigentlich an vorderster Stelle stehen müsste. Vor allem im Verteidigungsbereich, wo in diesen Jahren besonders viel passiert. Auch im Justizbereich sollte Dänemark Venstre zufolge die Wertedebatte gegen Ungarn und Polen anführen, die von den gemeinsamen EU-Werten abweichen.

Zweiteilung auch in der Bevölkerung

Die Regierung werde, so wie die Lage momentan aussieht, ihre Haltung zu den Vorbehalten jedoch nicht ändern, so der Außenminister. Seiner Meinung nach funktioniert die EU-Zusammenarbeit nicht wie sie sollte. 

„Nein, das tut sie nicht, und das wird wohl auch kaum jemals passieren. Sie steht unter konstanter Weiterentwicklung, und so soll das auch sein. Denn die Herausforderungen um uns herum ändern sich“, sagt Kofod.

Und so sieht es offenbar auch eine Mehrheit in der Bevölkerung.

Denn während die Däninnen und Dänen begeistert für die EU sind, meint gleichzeitig eine Mehrheit, dass die Zusammenarbeit zu umfassend geworden ist. Das sagen zumindest 42 Prozent.

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