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„Die geheimnisvolle Loge der Presse im Folketing“

Die geheimnisvolle Loge der Presse im Folketing

Die geheimnisvolle Loge der Presse im Folketing

Kopenhagen
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Wer als Journalistin oder Journalist fest auf Christiansborg arbeitet, hat gute Möglichkeiten, den Politikerinnen und Politikern auch einmal im formlosen Rahmen zu begegnen. Doch dieses Privileg hat auch seine Begrenzungen, wie Walter Turnowsky berichtet, der als „Nordschleswiger“-Korrespondent auf „Borgen“ ein und aus geht.

Am Donnerstag fand ein Pressefrokost mit Justizminister Peter Hummelgaard von der Sozialdemokratie in einem Nebenraum des Snapstinget auf Christiansborg statt.

Schnaps gab es allerdings keinen; das ist im Restaurant des Folketings ein wenig außer Mode gekommen – zumindest alltags. Dafür gab es die eine oder andere durchaus nicht uninteressante Sache, die uns Hummelgaard bei der Veranstaltung der Presseloge des Folketings erzählt hat. Aus deiner Perspektive ist jedoch ein Haken bei der Sache.

Das Schweigegelöbnis

Benannter Haken wurde gleich zu Anfang von der Logenvorsitzenden Rikke Gjøl Mansø von „DR“ ausgeworfen: „Was in der Loge gesagt wird, bleibt in der Loge.“

Und das ist damit auch so ziemlich das Einzige, was ich dir von dem Frokost berichten darf. Wahrscheinlich ist es so eben noch im Rahmen des Zulässigen zu erwähnen, dass es Smørrebrød und statt Schnaps Mineralwasser und Brause gab. Mir ist nicht ganz klar, was die Strafe wäre, sollte ich mehr verraten. Aber ich stelle mir so etwas wie Kielholen vor, oder mindestens Excommunicatio.

Loge ohne Rituale

Doch wer ist diese Loge überhaupt, die derart geheimnisvolle Treffen mit hochrangigen Politikerinnen und Politikern veranstaltet? Laut Wörterbuch ist eine Loge „eine Art Geheimbund“. Häufig werden Logen auch mit mysteriösen Ritualen und geheimem Handdruck in Verbindung gebracht.

Du darfst dir jetzt jedoch nicht vorstellen, dass wir in dunkle Roben gehüllt über die Gänge von „Borgen“ wandeln. Auch benötigen wir keinen Handdruck, um uns einander gegenüber zu erkennen zu geben. Man erkennt uns schon von Weitem an dem blauen Band unserer Zugangsberechtigung zum Folketing. Und auch die Aufnahme findet ohne größere Zeremonien statt.

Denn der Eindruck von der sehr geheimnisvollen Presseloge, den ich in der Einleitung geweckt habe, ist nicht so ganz korrekt. Sie besteht schlichtweg aus den Journalistinnen und Journalisten, die täglich im Folketing arbeiten. Mittlerweile sind wir fast 200.

Das „Logenabzeichen“ mit blauem Ordensband Foto: Walter Turnowsky

Sämtliche Medien in Dänemark – und so auch „Der Nordschleswiger“ – haben das Recht, einen solchen „privilegierten Zugang“ für einen oder (je nach Größe des Mediums) mehrere Mitarbeitende zu beantragen. Wer ihn bekommt, wird automatisch Mitglied der Presseloge.

Vom Referieren zur kritischen Berichterstattung

Die Loge ist bereits mehr als 100 Jahre alt. Als der damalige Reichstag 1918 in das zu dem Zeitpunkt noch nicht fertig erbaute dritte Christiansborg einzog, zogen Pressevertreter mit ein (die rein maskuline Form ist hier berechtigt). Es sollte erstens ein sozialer und fachlicher Verein sein. Und zweitens sollte die Presseloge gemeinsam mit dem Präsidium des Folketings festlegen, unter welchen Bedingungen die „vierte Staatsmacht“ auf der „Burg“ arbeiten kann und darf.

Das ist bis heute gleich geblieben. Was anders geworden ist, ist, wie gearbeitet wird. Seinerzeit haben die Referenten, ihrem damaligen Titel entsprechend, treu und brav berichtet, was die Politiker – und allmählich auch die Politikerinnen, von denen die ersten vier ebenfalls 1918 gewählt wurden – in den beiden Kammern des Reichstages sprachen.

Heute würden Mitglieder der Presseloge „brav“ als eine ziemliche Beleidigung empfinden – vermutlich „Satisfaktion“ fordern. Die Tatsache, dass man sich formlos auf den Gängen begegnet, verhindert nicht, dass die Kolleginnen und Kollegen ausgesprochen kritisch das Tun der Politikerinnen und Politiker verfolgen.

Hintergedanke eines Justizministers

Und so ein Hintergrundgespräch, wie jenes am Donnerstag, ist eben auch ein Teil dieses etwas lockeren Umgangs miteinander. Hummelgaard kann Sachen sagen, die nicht spruchreif sind, und es zum Teil wohl auch nicht werden. Und gerade im Ressort des Justizministers gibt es derzeit einige interessante Fragen, die zur Diskussion stehen. Da wäre zum Beispiel ... ach nein, fast hätte ich es vergessen: „Was in der Loge gesagt wird, bleibt in der Loge.“ Noch nicht einmal beim Plausch am Kaffeeautomaten darf ich es erwähnen.

Wobei ich schon so viel sagen kann, dass ein Justizminister selbstverständlich nicht eine Stunde für so ein Gespräch einplant, nur um gemütlich ein wenig aus dem Nähkästchen zu plaudern. Auch wenn es da offener zugeht als beim formellen Interview, will er den Journalistinnen und Journalisten seine Deutung der Dinge vermitteln.

Noch zwangloser geht es beim jährlichen Presselogenfest zu, bei dem die Abgeordneten und Presseleute miteinander speisen. Und bei der Gelegenheit ist nicht nur Mineralwasser auf dem Tisch. Auch hier – und vielleicht insbesondere hier – gilt das Gesetz der Loge. Wobei beim letzten Mal doch recht witzig war, dass …

Es gibt jedoch noch einen Zusatz zu dem Gesetz: Wird bei einem Hintergrundgespräch etwas gesagt, das so wichtig ist, dass es berichtenswert ist, kann man im Anschluss um ein Interview bitten. Soweit ich beobachten konnte, hat das am Donnerstag keiner getan.

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