Deutsch als Fremdsprache

Professor für Germanistik: Sprecht schlechtes Deutsch!

Professor für Germanistik: Sprecht schlechtes Deutsch!

Professor für Germanistik: Sprecht schlechtes Deutsch!

Kopenhagen/Süddänemark
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Immer weniger Däninnen und Dänen lernen Deutsch. Foto: Alexander Heinl/AP/Ritzau Scanpix

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Die deutsche Sprache ist in Dänemark nicht sehr beliebt, das bestätigte kürzlich auch eine Studie. Seit Jahren lernen weniger junge Däninnen und Dänen Deutsch. Moritz Schramm von der Süddänischen Universität erzählt, wie sich das ändern könnte und welche Ansätze es bereits gibt.

„Wir brauchen Leute in den Medien, im Radio und im Fernsehen, die schlechtes Deutsch sprechen“, dieser Überzeugung ist Moritz Schramm, Professor für Germanistik an der Süddänischen Universität und Vorsitzender der Deutsch-Dänischen Gesellschaft. 

Eine im August veröffentlichte Studie des „Nationalen Zentrums für Fremdsprachen“ (Det Nationale Center for Fremmedsprog) zeigt: Immer weniger Däninnen und Dänen lernen Deutsch. Die Ergebnisse machen deutlich, dass insbesondere der Unterricht auf hohem Niveau (A) ungern gewählt wird. Was die Gründe hierfür sind, erklärt Moritz Schramm im ersten Teil des Interviews. In diesem zweiten Teil spricht er darüber, was passieren muss, um das Erlernen deutscher Sprache und Kultur attraktiver zu machen und welche Ansätze es diesbezüglich bereits gibt.

Wie kann man dieses Problem angehen?

„Man könnte sich die Frage stellen, was wir in Dänemark von Deutschland lernen können oder wo Dänemark Deutschland einen Schritt voraus ist, und wie man dies aufeinander beziehen kann. Ich nenne das immer Relevanz herstellen für Dänemark. Und glücklicherweise gibt ja doch viel Unterstützung. Von politischer Seite, von weiten Teilen der Industrie und Wirtschaft. Die meisten Akteure sind sich darüber im Klaren, dass das Wissen um die deutsche Sprache, Kultur und Politik wichtig ist und dass Dänemark dort Nachholbedarf hat. Aber letztlich könnte man da schon noch mehr machen. Es fehlt nach wie vor eine wirkliche Strategie, wie man in Dänemark mit Deutsch umgehen will und natürlich müsste auch weiter Geld investiert werden. Da passiert schon einiges, glücklicherweise, aber es gibt schon noch weitere Möglichkeiten.“

Moritz Schramm ist unter anderem Vorsitzender der Dänisch-Deutschen Gesellschaft. Foto: Privat

Was wäre ein Beispiel, an dem du das festmachst?

„Ein konkretes, positives Beispiel sind die Sondermittel, die das dänische Parlament für den Fremdsprachenunterricht an Universitäten ausgesetzt hat. Diese zusätzlichen Ressourcen für die Universitäten bedeuten, dass wir neue Konzepte ausprobieren können und den Studierenden mehr anbieten können, auch denen, die nicht Deutsch studieren. Die können neben ihrem Studium als beispielsweise Ingenieure ein paar Stunden Deutschunterricht bekommen, und das funktioniert sehr gut. Diese Mittel sind sehr, sehr wichtig. Leider laufen sie im nächsten Jahr aus, und es ist unklar, ob sie verstetigt werden. Wenn nicht, wäre das sehr ärgerlich, da sie konkrete Sachen ermöglichen, die sehr gut funktionieren.“

Also herrscht doch ein Interesse daran, Deutsch zu lernen?

„Wir vom Institut hatten gar nicht mit so viel Interesse gerechnet. Vor allem ist es gut, dass die Sprache auf diese Weise mehr in die Gesellschaft hereinfließt, und das wäre ohne diese Sondermittel nicht möglich. Das heißt, diese Mittel sind notwendig, und ich hoffe, dass die Politiker diese verlängern. Ich finde auch, dass Dänemark nach wie vor eine Strategie fehlt für Deutschland, in Bezug auf Sprache und Kultur. Es gibt eine Strategie der dänischen Regierung von 2016, aber die konzentriert sich sehr auf die wirtschaftlichen Perspektiven und bezieht sich nur am Rande auf das Ausbildungssystem, die Universitäten werden beispielsweise gar nicht erwähnt. Und ich halte das für einen Fehler.“

Was muss also passieren?

„Wir müssen uns in Dänemark überlegen, wie wir das ganze Ausbildungssystem und auch die Gesellschaft stärker für deutsche Themen öffnen können, und da geht es nicht immer nur um Sprache. Wir müssen auch allgemein das Interesse an Deutschland verstärken. Es gibt in Dänemark inzwischen ganz deutlich ein positives Interesse an Deutschland und deutschen Themen, aber wir sollten den Zugang weiter vertiefen und langfristige Strategien entwickeln, wie wir das Feld im gesamten Ausbildungssystem stärken.“

Welche Rolle spielen die finanziellen Mittel?

„Die Universitäten stehen alle sehr unter finanziellem Druck, gerade die Geisteswissenschaften. Da sind Sondermittel ein positiver Weg, was zu verändern, denn sie geben uns die Möglichkeiten, neue Konzepte zu entwickeln und auch weiter in die Gesellschaft hineinzuwirken. Ohne diese Sondermittel können wir das nicht, weil wir uns dann ständig im Existenzkampf befinden.“

Wie steht es um das Bewusstsein bei den Verantwortlichen?

„Manchmal denkt man, dass die Politiker vielleicht nicht wissen, unter welchem Druck wir stehen, auch finanziell. Die Gefahr, dass weitere Deutsch-Ausbildungen geschlossen werden – die Universitäten in Aalborg und Roskilde haben ihre Deutsch-Ausbildungen ja schon zugemacht – steht immer im Raum, auch wenn ich das Gefühl habe, dass gerade die Universitätsleitung das nicht wünscht. Es ist aber natürlich unter dem finanziellen Druck nicht immer einfach. Da ist die positive Einstellung, die in Dänemark dazu existiert, natürlich schon wichtig. Also natürlich darf es nicht bei Lippenbekenntnissen von der Politik und der Wirtschaft bleiben. Und dafür sind die Sondermittel ein positives Beispiel. Diese haben vieles in die Wege geleitet und ermöglicht, was sonst schwer geworden wäre.“

Was wäre dein Ansatz?

„Wir sollten dafür sorgen, dass Deutsch als Sprache in Dänemark weniger von dem Mythos umgeben ist, dass man die Sprache entweder gut oder gar nicht spricht. Ich sage immer, dass wir Leute brauchen, die in den Medien, im Radio und im Fernsehen schlechtes Deutsch sprechen. Natürlich ist es beeindruckend, wenn Leute gut Deutsch sprechen. Aber wir brauchen Rollenvorbilder, die Deutsch sprechen, obwohl sie darin nicht perfekt sind. Wir müssen mit anderen Worten davon wegkommen, dass man Deutsch perfekt sprechen muss, bevor man den Mund öffnet. Oft werden Leute auf Englisch interviewt, weil die Journalisten keine Fehler machen wollen. Wir müssen weg von der Fehlerkultur. Deutsch sollte Teil des Alltags in Dänemark sein, in allen seinen Varianten und Abstufungen, auch mit allen holprigen und möglicherweise ungewöhnlichen Ausdrucksformen. Wir müssen weg vom Perfektionismus. Es sollte normal sein, dass man immer wieder Deutsch hört, in verschiedenen Formen. Man versteht vielleicht nicht immer gleich alles, aber manches eben doch. Manches ist korrekt und anderes eben nicht. Und gerade in Medien und in der Öffentlichkeit würde ich mich sehr freuen, wenn Leute mal richtig schlechtes, insbesondere grammatisch schlechtes Deutsch sprechen würden. Auch das ist Teil der Normalität.“

Wie kann man das Interesse an deutscher Kultur stärken?

„Einmal im Monat organisiere ich mit drei Kolleginnen und Kollegen von der Süddänischen Universität, der Universität Kopenhagen und der Handelshochschule Kopenhagen, und in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut Kopenhagen, einen ‚Deutschlandsalon‘, in dem wir mit Gästen über aktuelle deutsche Themen reden. Diese Salons sind sehr gefragt, die Tickets werden uns regelrecht aus der Hand gerissen. Es gibt ganz offensichtlich ein Interesse dran, über Deutschland und deutsche Themen zu sprechen. Es muss also nicht immer direkt um Sprache gehen, sondern man kann auch den Weg über Themen nehmen und das dann miteinander verknüpfen. Wir sprechen beispielsweise immer wieder auch Deutsch im Salon, gerade wenn wir Gäste aus Deutschland zu Besuch haben, manchmal mit kurzen Zusammenfassungen auf Dänisch.“

Mit was für einem Gefühl blickst du in die Zukunft der deutschen Sprache in Dänemark?

„Wenn man Zeit, Unterstützung und Mittel hat, kann man viel machen. Und vieles funktioniert auch gut, vieles geht voran. In der Dänisch-Deutschen Gesellschaft, deren Vorsitzender ich bin, merken wir ebenfalls ein großes und auch wachsendes Interesse. Ich habe das Gefühl, dass alles gar nicht so hoffnungslos ist.“

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