Deutsch als Fremdsprache

Kaum Interesse am Fach Deutsch – „Grammatik ist erst mal irrelevant“

Kaum Interesse am Fach Deutsch: „Grammatik ist erst mal irrelevant“

Kaum Interesse an Deutsch: „Grammatik erst mal irrelevant“

Dänemark/Kopenhagen
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Deutsch wird als Fremdsprache an dänischen Schulen immer unbeliebter. Foto: Adobe Stock

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Deutsch gehört nicht zu den begehrtesten Sprachen in Dänemark, das bestätigte nun kürzlich auch eine Studie. Seit Jahren lernen weniger junge Däninnen und Dänen Deutsch. Moritz Schramm von der Süddänischen Universität hat eine Idee, woran das liegen könnte.

Immer weniger Menschen in Dänemark lernen Deutsch. Das zeigt eine im August veröffentlichte Studie des „Nationalen Zentrums für Fremdsprachen“ (Det Nationale Center for Fremmedsprog). Die Ergebnisse zeigen, dass insbesondere der Unterricht auf hohem Niveau (A) ungern gewählt wird. Was die Gründe hierfür sind, erklärt Moritz Schramm, Professor für Germanistik an der Süddänischen Universität und Vorsitzender der Deutsch-Dänischen Gesellschaft, in einem Interview.

Warum lernen dänische Schülerinnen, Schüler und Studierende so ungern Deutsch?

„Also ich glaube, es sind verschiedene Faktoren. Deswegen ist das eine so schwierige Frage.

Es ist eine Entwicklung, die schon länger anhält, das heißt, dass es nichts Kurzfristiges ist, sondern auch international sichtbar. In Bezug auf Dänemark ist es aber schon sehr markant. Deutschland ist bekanntlich das einzige Nachbarland Dänemarks mit Landesgrenze und natürlich ganz wichtig für Wirtschaft und Kulturpolitik. Deswegen ist diese Entwicklung schon überraschend, und es ist auch ein bisschen hart zu sehen, wie die Zahlen schon seit Langem wegbrechen.“

Was ist die Erklärung dafür?

„Auf das Ausbildungssystem bezogen gibt es sicher externe und interne Faktoren. Extern sind hierbei etwa Reformen an Gymnasien, die dem Fach Deutsch nicht unbedingt zugutekommen.

Im jetzigen Schulsystem haben Sprachen beispielsweise keine hohe Priorität, Schülerinnen und Schüler können diese recht schnell abwählen. Zudem spielt sicher eine große Rolle, dass gerade in der Volksschule sehr viele Lehrer unterrichten, die keine ausgebildeten Deutschlehrer sind.

Oft gibt es an den Volksschulen einen Mangel an Deutschlehrern, und das bedeutet, dass andere Lehrer, die eigentlich in einem anderen Fach ausgebildet sind, den Unterricht übernehmen. Die unterrichten dann also Deutsch ohne fachliche Ausbildung und nur mit dem Hintergrund, dass sie die Sprache etwas können. Es ist natürlich schon ein bisschen bitter, dass Schüler dann von klein auf keinen so guten Deutschunterricht bekommen, wie es möglich wäre.

Das betrifft vor allem auch die Frage nach der fachdidaktischen Ausbildung, also: Wie unterrichtet man eigentlich Deutsch? Wenn man keine gute fachdidaktische Ausbildung hat, liegt es sicherlich näher, dass man einfach grammatische Übungen macht als anspruchsvollen und motivierenden, modernen Sprachunterricht. Das ist dann eher ein internes Problem. Aus meiner Sicht ist die Frage letztlich, wie wir im Ausbildungssystem, und da meine ich jetzt alle Bildungseinrichtungen von Volksschule bis Uni, Deutsch unterrichten. Wenn wir keinen modernen und anspruchsvollen Unterricht machen, laufen wir immer Gefahr, das schlechte Image von Deutsch weiter zu bestärken.“

Moritz Schramm ist Professor für Germanistik an der Süddänischen Universität und Vorsitzender der Deutsch-Dänischen Gesellschaft. Foto: Moritz Schramm

Aber wie kommt dieses schlechte Bild zustande?

„Man weiß aus Untersuchungen, dass das schlechte Image nicht an der deutschen Geschichte liegt. Es wird immer Leute geben, die sagen, dass der Grund sicher die Nazizeit ist, aber das stimmt so nicht. Untersuchungen zeigen, dass es in Dänemark sogar ein sehr positives Deutschlandbild gibt und die Geschichte von den allermeisten nicht mehr als relevant empfunden wird. Das ist Vergangenheit. Es gibt eindeutige, sehr hohe Zahlen von Stimmen, die sagen: „Deutschland ist toll“ … und trotzdem will man mit der Sprache nichts zu tun haben, geschweige denn, sie in der Schule lernen ­­– und genau da geht etwas schief. Die Ursache dafür liegt dann wohl doch an der Art und Weise, wie wir mit Deutsch umgehen, und zwar sowohl gesamtgesellschaftlich als auch im Ausbildungssystem …“

Wie gehen wir denn mit der Sprache Deutsch um?

„Es wird zum Beispiel immer sehr darauf geachtet, dass man Deutsch korrekt ausspricht und die Grammatik richtig anwenden kann. Ganz nach dem Motto: Ordnung muss sein. Das ist meiner Meinung nach ein Mythos, den es bezüglich Deutsch mehr gibt als bei anderen Sprachen. Französisch und Spanisch dagegen sind erst einmal ganz tolle Sprachen, wo es darum geht: erst einfach mal sprechen. Bei Deutsch hingegen: erst einmal Grammatik lernen. Und ich glaube, dass das wieder auf die Lehrer-Situation zurückzuführen ist, denn wenn man keine Ausbildung als Deutschlehrer hat, macht man das Einzige, was man machen kann: Grammatik.“

Und das wirkt dann abschreckend?

„Ich befürchte, dass auf diese Weise ein Bild verstärkt wird, das auch in der Gesamtgesellschaft noch da ist ­– dass Deutsch eine schwere Sprache ist, und es darauf ankommt, grammatikalisch korrekt zu sprechen. Das führt wiederum dazu, dass viele Leute, auch ältere Generationen, alles verstehen, aber nicht sprechen, weil sie immer Angst haben, was Falsches zu sagen. Aber man kann eine Sprache nicht lernen, wenn man nichts sagt. Wenn man immer von der Idee einer Korrektheit ausgeht, ergibt sich vielmehr eine Dynamik, die ständig zu Negativerfahrungen führt, und im Ergebnis verliert man die Motivation zum Erlernen der Sprache. Stattdessen produzieren wir ständige Defizit-Erfahrungen: Die Schüler und Studierenden fühlen sich nicht gut genug, sie erfahren, dass sie ‚falsch' sprechen. Dabei ist Grammatik zum Sprachenlernen erst mal ziemlich irrelevant. Ich würde mich freuen, wenn man davon wegkäme. Für mich ist es erst mal gar nicht wichtig, ob meine Studierenden richtig oder falsch sprechen. Sie sollen sprechen. Und dann kann man sich auf dieser Ebene entwickeln.

Untersuchungen des dänischen Nationalen Centers für Fremdsprachen (NCFF) haben zudem ein weiteres Problem aufgezeigt: nämlich das Problem, dass der Sprachunterricht keinen Bezug zur Wirklichkeit der Jugendlichen herstellt. Die Themen sind oft abgekoppelt vom Alltag, und die Sprachbeschreibung hat mit der Anwendung im Alltag oft nicht viel zu tun. Die Schüler und Schülerinnen können das, was sie lernen, ganz einfach nicht benutzen. Dadurch wird die Sprache unattraktiv.“

In Teil 2 des Interviews erklärt Moritz Schramm, was passieren muss, damit sich das ändert und erzählt, welche Ansätze es bereits gibt.

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