Leitartikel

„Was wir für die Klima-Krise nicht lernen sollten“

Was wir für die Klima-Krise nicht lernen sollten

Was wir für die Klima-Krise nicht lernen sollten

Kopenhagen
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Der Klimawandel ist um ein Vielfaches ernster als die Pandemie. Und genau deshalb sollten wir bei dem Problem alles vollkommen anders machen als in der Corona-Krise, meint Walter Turnowsky.

Wir sollen aus der Corona-Krise für den Umgang mit der Klima-Krise lernen, hört man immer wieder in der Debatte.

Die wichtigste Erfahrung ist jedoch möglicherweise, dass wir alles anders machen müssen, wollen wir die Klima-Krise tatsächlich meistern.

Erstens ist der Klimawandel in vielfacher Hinsicht noch eine erheblich ernstere Bedrohung als Covid-19. Zweitens kennen wir das Problem schon seit Jahrzehnten und müssen somit nicht auf eine unbekannte Gefahr reagieren. Auch eine Reihe der möglichen Lösungen ist bereits bekannt. Und drittens wird die Bewältigung der Klima-Krise Jahrzehnte dauern; wir brauchen also Lösungen, die im ursprünglichsten Sinn des Wortes nachhaltig sind.

Um bei Letzterem anzufangen: Nach noch nicht einmal einem Jahr Corona-Krise gibt es wohl kaum Menschen, die angesichts der vielen Restriktionen und Empfehlungen nicht in irgendeinem Maß den Corona-Blues spüren. Man mag sich diese Situation über Jahrzehnte ausgedehnt gar nicht vorstellen. Aus dem Blues würde eine kollektive und chronische Klima-Depression werden. 

Mit anderen Worten: Es wäre nicht zu meistern, und wir würden kläglich scheitern. Was wir brauchen, sind lustvolle neue Ideen dazu, wie eine Gesellschaft aussehen kann, die nicht kommenden Generationen die Zukunft stiehlt. Also weg mit Mettes erhobenem Zeigefinger und die bis ins Detail regulierten Anweisungen dazu, was richtig und was falsch ist.

Und damit wären wir im Rückwärtsgang bei zweitens angelangt. Denn auch wenn viele Lösungen bereits bekannt sind, so wird es unserer ganzen Kreativität bedürfen, um den Ausstoß der Klimagase auf null zu drücken, und gleichzeitig den nicht mehr abwendbaren Folgen zu begegnen. Hier nützen ausschließlich staatlich verordnete und abgesegnete Maßnahmen herzlich wenig. Auch würden sie zu einer Gesellschaft führen, die sich wohl kaum einer von uns wünscht. 

Das Gegenteil muss der Weg sein: Der Ideenreichtum sollte freigesetzt werden.

Große Teile der Bevölkerung haben bereits gezeigt, dass sie bereit sind zu handeln. Eine wichtige Aufgabe der Politik ist es, diese Energien freizusetzen. Foto: Hauke-Christian Dittrich/DPA/Ritzau Scanpix

Womit wir bei erstens wären. Wir müssen von unseren Politikern verlangen, dass sie die Klima-Krise mit noch viel größerem Ernst angehen als die Pandemie. Bislang ist davon außer Lippenbekenntnissen bei der sozialdemokratischen Regierung noch zu wenig zu spüren.

Wie gesagt: Ein bis ins Kleinste regulierter Weg wäre die grundfalsche Antwort auf den Ernst der Lage. Vielmehr müssen die Politiker Rahmenbedingungen schaffen, die es attraktiv machen, klimagerechte Lösungen zu wählen. Und dann aber das Vertrauen in die Bevölkerung, die Wirtschaft und die Wissenschaft zu haben, dass sie die Lösungen finden und sich für diese entscheiden.

Eine solche Rahmenbedingung wäre eine generelle CO2-Steuer, aber genau dagegen sträubt sich die Regierung derzeit noch.

Auch in umweltbewussten Kreisen ist der erhobene Zeigefinger zum Teil beliebt. Allzu gerne wird von einigen gepredigt, was hui und was pfui ist. 

Wenn wir im Gegenteil dem oder der Einzelnen größere Freiheit geben, innerhalb des vereinbarten Rahmens die eigenen Pfade zu finden, dann steht am anderen Ende der Klima-Krise die Hoffnung auf eine tolerantere und offenere Gemeinschaft. Und gerade solche Hoffnungen braucht es, um die ganz ernsten Krisen zu überwinden.

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