Arbeitswelt

Vier-Tage-Woche: Von der Ausnahme zum Alltag in Dänemark

Vier-Tage-Woche: Von der Ausnahme zum Alltag in Dänemark

Vier-Tage-Woche: Von der Ausnahme zum Alltag in Dänemark

cvt/Ritzau
Apenrade/Kopenhagen
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Bo Kønskov Hansen
Bo Kønskov Hansen ist mit seiner Firma, die von Odense und Kopenhagen aus operiert, Vorreiter und gefragter Redner zum Thema Vier-Tage-Woche (Archivfoto). Foto: Christian Nordholt/Jysk Fynske Medier/Ritzau Scanpix

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Nicht zwingend weniger arbeiten – aber seltener: Die Zahl der Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen, die ihren Beschäftigten diese Freiheit geben, nimmt langsam, aber stetig zu. Drei Tage frei – vier Tage arbeiten: Deshalb setzt sich das Modell nach und nach auch gegen den Willen des Arbeitgeberverbandes durch.

Das Wort Flexibilität kann am Arbeitsmarkt durchaus zum Streitpunkt werden: Was ist angemessen – was Zumutung? In Dänemark, wo das Arbeitsmarktmodell seit Jahrzehnten schon Sicherheit und Flexibilität in einem verspricht („Flexicurity“), wird lieber ausprobiert als gestritten.

Und deshalb testen mehr und mehr Unternehmen und öffentliche Stellen neue Formen der Flexibilität aus, um sowohl den Betrieb als auch die Belegschaft zu fördern.

Im Rathaus der Kommune Odsherred in Højby (Archivfoto) wurde die 4-Tage-Woche getestet. Foto: Ida Marie Odgaard/Ritzau Scanpix

Öffentlicher Dienst: Selbe Stundenzahl, größere Zufriedenheit

Die Sparkasse Sjælland-Fyn im Osten des Landes etwa erwägt jetzt, eine Vier-Tage-Woche für einen Teil ihrer 550 Beschäftigten einzuführen. Das verriet Personalchefin Bettina Theilgaard Krohn kürzlich „FinansWatch“.

Die Idee ist zwar noch längst nicht der Normalfall in Dänemark, aber sie reift schon seit Jahren.

Schon 2019 führte die Kommune Odsherred, etwa eine Autostunde westlich von Kopenhagen gelegen, das System als dreijährigen Versuch für Verwaltungsangestellte ein. Und laut Projektleiterin Kamilla Sine Hartmann war es ein großer Erfolg.

„Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind mit dieser Flexibilität sehr zufrieden“, sagt sie.

„Der Schwerpunkt liegt auf den Einzelnen, denen mehr Mitspracherecht bei der Organisation ihrer Arbeitszeit eingeräumt wurde“, so Hartmann.

Auch wenn an weniger Tagen gearbeitet wird – die Arbeitszeit insgesamt wurde beibehalten. Das bedeutet in Odsherred, dass die Stunden vom Freitag auf die ersten vier Tage der Woche verteilt wurden.

Das Verwaltungspersonal der Kommune Odsherred arbeitet also weiterhin 37 Stunden pro Woche, wovon zwei Stunden für Weiterbildung abgesetzt sind.

IT-Firma: Weniger Tage, weniger Stunden, mehr Engagement

Auch das IT-Unternehmen Abtion aus Odense hat seine Arbeitswoche auf vier Tage verkürzt. Hier wurde die Arbeitszeit jedoch zugleich auf 30 Stunden pro Woche reduziert.

„Die Resonanz ist eindeutig überwältigend positiv“, sagt Bo Kønskov Hansen, Partner und Miteigentümer von Abtion und fügt hinzu: „Wir werden nicht wieder umkehren.“

Die Firma hat die kürzere Arbeitswoche noch vor Corona, im September 2019, als Test eingeführt. Bereits im März 2020 beschloss das Unternehmen, das Experiment dauerhaft zu machen.

Der Grund: Produktivitäts- und Umsatzsteigerungen. Doch nicht nur das – seitens der Belegschaft stellten sich messbare Anstiege des Engagements, der Motivation und der Mitarbeiterzufriedenheit ein, sagt Hansen.

Professor: Unternehmen müssen sich um Angestellte bemühen

Laut Henrik Lund, außerordentlicher Professor am Zentrum für Arbeitsleben-Forschung der Universität Roskilde, müssen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber heute Regelungen schaffen, die dafür sorgen, dass die Beschäftigten sich dem Unternehmen verbunden fühlen und ihm gegenüber positiv eingestellt sind.

Initiativen, die darauf abzielen, die Arbeitszeit grundsätzlich zu kürzen, begeistern uns nicht sonderlich.

Peter Halkjær, Dansk Erhverv

Beim Arbeitgeberverband Dansk Erhverv macht sich derweil Unmut darüber breit, dass ein 30-Stunden-Wochenmodell auf dem Arbeitsmarkt zur Norm werden könnte.

„Initiativen, die darauf abzielen, die Arbeitszeit grundsätzlich zu kürzen, begeistern uns nicht sonderlich“, sagt Peter Halkjær, Leiter der Abteilung Arbeitsmarkt. „Wir sehen darin ein sehr großes Problem, da das Angebot an Arbeitskräften, das im Verhältnis zur Nachfrage nach Arbeitskräften bereits sehr begrenzt ist, noch geringer werden wird“, sagt er.

Dennoch hat er Verständnis für die Unternehmen, die mit dem Modell flirten: „Der massive Arbeitskräftemangel, den wir derzeit erleben, zwingt die Unternehmen dazu, beim Einstellen und Binden von Beschäftigten neue Wege zu gehen“, so Halkjær.

Bo Kønskov Hansen
Bo Kønskov Hansen zahlt den Angestellten für weniger Arbeitszeit auch weniger Geld. Beschwerden gebe es darüber keine, sagt er (Archivfoto). Foto: Christian Nordholt/Jysk Fynske Medier/Ritzau Scanpix

Unternehmer: Menschen sind keine Nummern

Der Miteigentümer von Abtion, Bo Kønskov Hansen, versteht die Bedenken des dänischen Unternehmerverbands. Er glaubt jedoch nicht, dass es den Menschen gerecht wird, sie auf diese rein rechnerische Weise zu betrachten.

Er ist vielmehr der Ansicht, dass auch die psychische Gesundheit berücksichtigt werden muss, die er als ernstes soziales Problem ansieht.

„Wir Menschen arbeiten nicht mehr auf die gleiche Weise wie früher. Im Laufe der Zeit haben sich die Arbeitszeiten verkürzt“, sagt er. „Wir leben in einer beschleunigten Gesellschaft, in der alles so schnell geht. Und das zerstört unsere Produktivität, weil wir uns nicht mehr konzentrieren können“, meint Hansen.Seiner Meinung nach gehe es darum, herauszufinden, unter welchen Bedingungen die Menschen am besten produzieren können.

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