Gesundheitswesen

Zwei ehemalige Flensburger Diako-Ärzte kritisieren Fallpauschalen-System

Zwei ehemalige Flensburger Diako-Ärzte kritisieren Fallpauschalen-System

Flensburger Diako-Ärzte kritisieren Fallpauschalen-System

Antje Walther/shz.de
Flensburg
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Das Diako-Krankenhaus hat im November 2022 ein Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung beantragt, das bis zum 30. Juni beendet werden soll.   Foto: Staudt/shz.de

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Prof. Abderrahman Machraoui und Dr. Wulf Staemmler verfolgen die Krise des Diako-Krankenhauses als frühere Ärzte des Hauses. Sie halten die Notaufnahme und Abrechnungen für problematisch.

Beim feierlichen Gottesdienst Anfang März, mit dem der neue Kaufmännische Vorstand der Diako, Holger Menzel, in sein Amt eingeführt wurde, sprach er von „Gegenwind“ in seinen ersten Wochen. Er bedauerte laut Presseinformation, dass „handwerkliche Fehler im Prozess und in der Kommunikation (rund um unser Klinikum in Flensburg) gemacht wurden“.

Doch Menzel erklärte, dass dennoch viel erreicht worden sei. Land und Flensburger Ratsversammlung habe man wieder für sich gewonnen. 300 Arbeitsplätze seien gesichert worden; Reinigungsservice und Zentrale Dienste stünden weiterhin dem Krankenhaus zur Verfügung. Die „Zustimmung des Gläubigerausschusses zum Insolvenzplan“ bezeichnete der neue Vorstand als „Meilenstein“.

Prof. Abderrahman Machraoui: Kritik an „Ökonomisierung von Gesundheitsleistungen“

Die Entwicklung verfolgen natürlich auch Ehemalige des Diako-Krankenhauses. Prof. Abderrahman Machraoui, früherer Chefarzt der Medizinischen Klinik der Diako, sieht ein grundsätzliches Problem. Fast 40 Prozent der deutschen Krankenhäuser würden rote Zahlen schreiben. Als Hauptgrund macht Machraoui die Gesundheitspolitik der 1990er Jahre aus, die zu einer „Ökonomisierung von Gesundheitsleistungen“ führte.

„Wir als Chefärzte haben immer den Patienten zuerst gesehen“, sagt der 74-Jährige. Der wirtschaftliche Aspekt blieb im Hintergrund. Wenn es anders sei, „ist das eigentlich schlimm“, sagt der Arzt, der sich als solcher auch im Ruhestand engagiert, unter anderem in seinem Geburtsland Marokko.

Bestimmte Leistungen, die er als Kardiologe für notwendig hielt, würden im System der Fallpauschalen nicht vergütet. „Die Krankenkasse bezahlt nur das Paket. Zusätzliche Leistungen, die nicht zum Paket gehören, werden nicht bezahlt.“

Zudem seien Budgets weder an die Demographie noch an die Leistungsverdichtung angepasst worden. Patienten würden immer älter, die Multimorbidität steige. Für den Alltag bedeute das, dass Ärzte und Pfleger immer mehr innerhalb kürzerer Zeit leisten müssten.

Er habe auch erlebt, sagt der ehemalige Diako-Chefarzt, dass ein Patient bereit für die Reha war, jedoch es kein Bett gab. So musste der Patient warten, ohne dass sein Aufenthalt im Krankenhaus vergütet worden wäre.

Macht der Krankenkassenverbände

Schließlich kritisiert Abderrahman Machraoui die „Verschiebung der Entscheidungsmacht von Gesundheitsorganen nach Krankenkassenverbänden“.

Auch die Corona-Pandemie und einhergehende Mindereinnahmen sowie „Versäumnisse im Management“ führt der Mediziner als Gründe für die Schieflage der Krankenhäuser wie der Diako an. Nach Einschätzung Machraouis kämen bestimmte Informationen womöglich auch nicht in der Führungsebene an. Der Arzt denkt da beispielsweise an die defizitäre Zentrale Notaufnahme (ZNA).

Defizitäre Notaufnahme

Diese Abteilung habe schon immer ein Minus eingefahren, weil sie mit höchster Personalaufwendung einen 24-Stunden-Dienst aufrechterhalte und unter anderem teure Laboruntersuchungen veranlassen müsse. All diese Leistungen würden aber nicht voll von den Krankenkassen ausgeglichen, beklagt Machraoui.

Er wünschte sich, dass sich Entscheidungsträger vor Ort genau über die Abläufe informierten und den Chefärzten als Fachberater mehr Gehör schenkten. „Wer kennt sich besser aus als jemand, der direkt mit den Patienten arbeitet?“

Der Gastroenterologe Dr. Wulf Staemmler schließt sich der Kritik an den Fallpauschalen und der Sonderstellung der ZNA an. Nach 25 Jahren an der Diako begründete Staemmler 2006 im Rahmen der Kooperation beider Krankenhäuser die Medizinische Klinik II am Malteser Krankenhaus. 2014 ging er in den Ruhestand.

Das System der Fallpauschalen trage dazu bei, die Ärzteschaft nach Zuständigkeiten zu spalten, resümiert er. „Da die einen ohne die anderen nicht können, muss man das Gesamt-Krankenhaus so aufstellen, dass es in erster Linie dem Patienten dient.“

Die Notaufnahme eines Krankenhauses sei für alle Fachbereiche eine Anlaufstelle zur weiteren Versorgung. Daher sei es unabdingbar, sagt Wulf Staemmler, dass gerade hier erfahrene Ärzte tätig sein müssen, um ohne kostenträchtigen Diagnoseaufwand die richtigen Entscheidungen zu treffen. Die Abrechnung der Leistungen mit den Krankenkassen muss zeitnah von erfahrenen Fachkräften erfolgen.

Fusion ja, aber bitte auf Augenhöhe

Vertrauensvolle Zusammenarbeit, auch mit den Niedergelassenen, hält der Arzt im Ruhestand für den Weg aus der Krise. Die Fusion befürwortet er, hält die Namensgebung jedoch für falsch. Die Betonung sollte keineswegs auf den kirchlichen Trägern liegen. Name und Haus müssen „neutral sein“, fordert Staemmler und schlägt „Klinikum Flensburg“ vor. Die Fusion sollte unbedingt „auf Augenhöhe“ geschehen.

Die Fusion mit dem St. Franziskus-Hospital bezeichnet auch Abderrahman Machraoui als beste Lösung für die Diako. Voraussetzung für den Erfolg sei, dass beide Partner nur durch das Gemeinsame stark sind und keines der Häuser „eigene Vorteile auf Kosten des anderen Partners herausholen“ sollte.

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