Landtagswahl SH 2022

Wählerwanderung: Warum rechts von der CDU nichts mehr übrig ist

Wählerwanderung: Warum rechts von der CDU nichts mehr übrig ist

Warum rechts von der CDU nichts mehr übrig ist

SHZ
Kiel
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Hat gut Lachen: der überragende Wahlsieger Daniel Günther (rechts), hier mit der Konkurrenz von SPD und Grünen, Thomas Losse-Müller und Monika Heinold. Foto: Marcus Brandt/shz.de

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Wie ist die CDU bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein beinahe an die absolute Mehrheit gekommen? Daten von Infratest Dimap und eine Analyse des Kieler Politik-Wissenschaftlers Wilhelm Knelangen erklären es.

Gleich in mehrerer Hinsicht lässt sich der Ausgang dieser Landtagswahl als besonders einzuordnen. Fragt man den Kieler Politikwissenschaftler Wilhelm Knelangen, welche der vielen Auffälligkeiten das Aller-Historischste sei, lautet die Antwort: „Dass die CDU fast die absolute Mehrheit geholt hat. Das ist etwas, von dem wir ja alle dachten, dass das fast überhaupt nicht mehr möglich sein würde. Zuletzt gab es das für die CDU in Schleswig-Holstein 1983.“


Allerdings in einem viel unversöhnlicheren politischen Klima zwischen Rechts und Links. Und in einem Umfeld, in dem die Grünen noch gar nicht richtig mitmischten. „Die heute größere Parteienlandschaft in die Betrachtung einbezogen“, so Knelangen, macht den Erfolg von Daniel Günthers CDU nur noch größer.“

Die meisten Wähler hat die CDU von der SPD geholt

Die allermeisten Stimmen hat die neugeborene Volkspartei den Sozialdemokraten abgeluchst: 61.000 im Vergleich zur letzten Wahl 2017. Das zeigen Auswertungen von Infratest Dimap im Auftrag der ARD. Aber auch bei früheren FDP-Wählern profilierte sich die CDU als bürgerliche Konkurrenz: 47.000 Personen holte sie von dort herüber. Selbst von den Grünen, die sich im Wahlkampf als Gegenpol zu den Christdemokraten formiert hatten, wechselten noch 9000 Stimmen zur Daniel-Günther-Partei. Und sogar 19.000 Nicht-Wähler konnten er und seine Mitstreiter überzeugen.


Besonders bemerkenswert: Rechts von der Union ist im Kieler Landtag jetzt keiner mehr – die AfD flog erstmals aus einem deutschen Landesparlament. Und das, obwohl sich Günther gerade nicht als Hardliner gibt – was an der Spitze der Bundespartei gemeinhin am ehesten als Patentrezept gegen Rechtsausleger angesehen wird. Mit Lehren für andere Wahlen daraus ist Knelangen jedoch vorsichtig. „Ausschlaggebend war, dass es keine politische Lage gab, von der die AfD profitieren konnte“, analysiert der Professor der Christian-Albrechts-Universität. Etwa wie einst eine angespannte Flüchtlingslage. Im Gegenteil, selbst dieses Kernthema sei „geradezu neutralisiert worden“, indem sich die AfD nicht gegen den Flüchtlingsstrom aus der Ukraine positioniert habe.

Hinzu kam als weiteres Gegenargument für potenzielle AfD-Interessenten, „dass die Partei allemal in Schleswig-Holstein keine gute Figur abgegeben hat“, so Knelangen. „Sie ist durch ihre Zerstrittenheit nicht als einheitlich handelnde Partei aufgetreten.“ Ewige Querelen im Landesverband, zwischen Partei und Fraktion prägten das Bild.

So verteilt sich die einstige AfD-Klientel

Am meisten Stimmen, nämlich 7000, hat die AfD an die CDU verloren. 6000 weitere Stimmen wanderten von der Rechtsaußen-Partei zu den Liberalen ab. 6000 einstige AfD-Wähler gingen gar nicht an die Urne.

Den Sozialdemokraten hat der Verlust von 147 000 Stimmen ihr schlechtestes Landtagswahlergebnis aller Zeiten beschert. Neben dem Aderlass von 61 000 an die CDU wanderten 37.000 einstige Unterstützer zu den Grünen. 14.000 Stimmen gingen an den auch stark auf Sozialpolitik ausgerichteten SSW. 27.000 frühere SPD-Wähler blieben zu Hause.


„Die SPD war immer dann stark, wenn sie über das linke Lager hinaus in die Mitte integrieren konnte“, stellt Knelangen fest. „Das ist diesmal nicht gelungen. Auch deshalb, weil sich Daniel Günther von der CDU-Konkurrenz überzeugend als Kandidat der Mitte gezeigt hat.“ Eine weitere Beobachtung fügt der Politologe hinzu: „Die SPD hatte diesmal keine Machtoption; das heißt: Für viele Menschen erschien eine Stimme für die SPD nicht als eine Stimme für eine Regierungsbeteiligung.“

Wähler mit einfacher Bildung gingen am meisten zur CDU

Auffällig an den Wahlanalyse-Daten von Infratest Dimap außerdem: Die CDU konnte besonders stark bei Menschen mit einfacher Bildung Gewinne einfahren. In dieser Wählergruppe hat sie die Hälfte aller Stimmen gewonnen. Nur ein knappes Viertel dieser Stimmen ging an die SPD, an die Grünen nur sechs Prozent. Aber auch bei den Personen mit hoher Bildung ist die CDU stärkste Kraft. „Das zeigt, dass die CDU alle Teile der Bevölkerung anspricht“, bilanziert Knelangen. Die Resonanz in einfacheren Bildungsschichten sei „womöglich auch damit zu erklären, dass Daniel Günther im Wahlkampf im Wesentlichen ein relativ einfaches Versprechen gemacht hat: Wenn ihr CDU wählt, bekommt ihr Daniel Günther.“

Traditionell haben die Christdemokraten bei Älteren am stärksten abgeschnitten. 55 Prozent der Über-Siebzigjährigen votierten für sie. Bei den Jungen liegen die Grünen vorn: Sie holten in der Altersgruppe von 16 bis 24 Jahren ein Viertel der Stimmen. Auch die FDP fährt ihr stärkstes Ergebnis in der jüngsten Altersgruppe ein.

Weshalb Klima-Argumente den Jüngeren leichter fallen

Ist es allein die Sorge um die eigene Zukunft auf dem Planeten, die die Jüngeren zu den Grünen treibt? Knelangen erklärt die Tendenz so: „Bei ihnen ist der Wunsch nach Klimaschutz viel eindeutiger, weil sie nicht so sehr wie die Älteren abwägen müssen, ob das mit anderen Gesichtspunkten in Übereinstimmung zu bringen ist. Ganz gleich, ob es um individuelle Fragen wie Einkommen oder persönlichen Konsumverzicht geht oder um volkswirtschaftliche Fragen. Die Grünen tun sich da leichter, eine härte Position zu formulieren.

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