Schleswig-Holstein

Umfrage zu Erneuerbaren Energien: Akzeptanz steigt mit Gewohnheit

Umfrage zu Erneuerbaren Energien: Akzeptanz steigt mit Gewohnheit

Umfrage zu Erneuerbaren: Akzeptanz steigt mit Gewohnheit

Frank Jung/shz.de
Flensburg
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52 Prozent der Schleswig-Holsteiner befürworten zusätzliche Windkraftanlagen auch in ihrer Nähe - aber 65 Prozent derjenigen tun es, die diese Technik schon bei sich um die Ecke haben. Foto: Ute Levisen

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Wie ist es in Schleswig-Holstein angesichts von Klimakrise und Ringen um Versorgungssicherheit um die Zustimmung zum weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien bestellt? Eine repräsentative Umfrage zeigt teils überraschende Ergebnisse.

Ist die viel beschworene Not-in-my-Backyard-Mentalität längst nicht mehr so ausgeprägt wie oft gedacht? Diese Momentaufnahme zeichnet eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov im Auftrag der Netzwerkagentur Erneuerbare Energien SH. Demzufolge haben Schleswig-Holsteiner, die bereits in der Nähe etwa eines Windrads oder eines Solarparks wohnen, weniger Einwände gegen weitere Anlagen in ihrer Umgebung als die Gesamtbevölkerung.

66 Prozent für Ausbau in eigener Umgebung

Grundsätzlich ist der Zuspruch für mehr Energie aus Wind, Sonne, Biogas und Geothermie ohnehin hoch: 96 Prozent befürworten generell den Ausbau der Erneuerbaren Energien. Immerhin 66 Prozent tun es auch in der Umgebung des eigenen Wohnorts. Die wurde durch einen Fünf-Kilometer-Radius definiert.

Solarparks populärer als Windkraft

Egal bei welcher Art von Anlage zur Erzeugung – die Zustimmungsrate fällt bei denjenigen am höchsten aus, die solche Technik schon um die Ecke haben. So treffen Windkraftanlagen bei dieser Personengruppe auf 65 Prozent Zustimmung, Solarparks auf 74 Prozent. Bezogen auf alle Befragten, liegen die Werte um 13 (Wind) beziehungsweise neun Prozent (Solar) niedriger.

„Dass das Fremde mit mehr Bedenken belegt ist als das, was man kennt, kennen wir ja auch aus anderen Lebensbereichen“, sagte Energiewendeminister Tobias Goldschmidt bei der Vorstellung der Ergebnisse.

Insgesamt bezeichnete der Grünen-Politiker die Resultate als „für unsere Landesregierung wichtigen Kompass“. „Sie zeigen, dass wir die Rückendeckung der Bevölkerung dafür haben, Schleswig-Holstein bis 2040 zum ersten klimaneutralen Industrieland zu machen.“ Es sei der Beitrag des Nordens, das völkerrechtlich verbindliche Klimaabkommen von Paris einzuhalten.

Kritik im Posteingang des Ministers sinkt

Auf weitgehende Akzeptanz lasse auch sein Posteingang im Ministerium schließen: „Die Kritik am Ausbau der Erneuerbaren in Zuschriften ist sehr gering gering geworden.“ Die große Mehrheit der Menschen habe verstanden, dass regenerative Energien nicht allein für die Klimaziele nötig seien, sondern auch, um sicher leben zu können.

Luft für weitere Akzeptanz Erneuerbarer Energien

Noch weniger Vorbehalte gegen mehr Windräder oder Freiflächen-Photovoltaik im Wohnumfeld gäbe es, wenn die Anrainer davon mehr profitieren könnten als die Allgemeinheit. Die erfolgversprechendste Stellschraube wäre, dass Haushalte in der Nachbarschaft Energie zu einem vergünstigten Preis bekämen. Das würde bei der Hälfte der Befragten die Akzeptanz zusätzlich erhöhen.

Bei 34 Prozent wäre das der Fall, wenn ihre Gemeinde von der Erneuerbare-Energien-Branche zusätzliches Geld einstreichen könnte. Bei 17 Prozent würde sich die Akzeptanz erhöhen, wenn sie in den Planungsprozess eingebunden würden.

Finanzielle Beteiligung wenig gefragt

Nur bei 14 Prozent hingegen ließe sich die Zustimmung steigern, wenn sie sich finanziell an einem Wind- oder Solarpark beteiligen könnten. Überraschend wenig verglichen damit, wie oft dies in Politik und Erneuerbaren-Branche als vermeintliches Erfolgsmodell gehandelt wird. „Offenbar haben viele Menschen für solche Beteiligungen kein Geld übrig“, vermutet Sina Clorius von der Netzwerkagentur Erneuerbare Energien.

Arbeitsauftrag an die Politik

Den Wunsch, als Anwohner von verbilligtem Strom zu profitieren, wertet Goldschmidt als „klaren Arbeitsauftrag an die Politik“. Deshalb kämpfe die Landesregierung auf Bundesebene zum Beispiel darum, dass die Netzentgelte in Erzeugerregionen von grünem Strom verbilligt werden.

Der Geschäftsführer des Landesverbands Erneuerbare Energien, Marcus Hrach, deutet die Umfrage so, „dass die lokale Energiewende für die Menschen selbstverständlich geworden ist“. Die erhöhte Zustimmung bei Anlagen-Anwohnern zeigen für Hrach, „dass viele Sorgen unbegründet sind. Im Kopf passiert etwas, wenn man es erst kennengelernt hat“.

Botschaft für die Kommunalwahl

Politisch haben die Ergebnisse aus Sicht des Branchenvertreters vor allem auch für die lokale Ebene eine Bedeutung. Hrach denkt dabei an die Kommunalwahlen im Mai. „Wir haben ausgewiesen bekommen, dass die Erneuerbaren dafür kein gefährliches Thema sind“, resümiert der Geschäftsführer. „Man kann sich auch in der eigenen Kommune zum Ausbau bekennen.“

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