Schleswig-Holstein

Spitzentreffen in Kiel: SH setzt bei Wärmewende auf kommunale Netze

Spitzentreffen in Kiel: SH setzt bei Wärmewende auf kommunale Netze

SH setzt bei Wärmewende auf kommunale Netze

Frank Jung/shz.de
Kiel
Zuletzt aktualisiert um:
Schwarz-grüne Koalitionäre wollen die Wärmewende forcieren: Finanzministerin Monika Heinold, Ministerpräsident Daniel Günther, Energiewendeminister Tobias Goldschmidt und Bauministerin Sabine Sütterlin-Waack (von links) nach dem Spitzengespräch Foto: Marcus Brandt/shz.de

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Die Landesregierung von Schleswig-Holstein will den Bürgern Orientierung bei den vielen offenen Fragen rund ums CO2-freie Heizen der Zukunft geben. Den Auftakt dazu bildete ein Wärmegipfel mit Spitzenvertretern aus Kommunen, Politik, Wissenschaft, Energie- und Gebäudewirtschaft in Kiel.

Finanziell wird etwas obendrauf gepackt, aber an der Zeitachse ändert sich nichts: Mit diesem Ergebnis ist am Dienstag der erste „Wärmegipfel“ des Landes zu Ende gegangen. Auf Einladung der Landesregierung berieten Spitzenvertreter aus Politik, Kommunen, Energiewirtschaft, Wissenschaft, Gebäudewirtschaft und Verbraucherschutz, wie in Schleswig-Holstein fossilfrei geheizt werden kann.

Ausgangsbasis sind die vielen Umsetzungsfragen, die sich nach dem Gebäudeenergiegesetz von Bundesminister Robert Habeck (Grüne) mit einem Verbot neuer Öl- und Gasheizungen ab dem kommenden Jahr stellen. „Wir nehmen eine öffentliche Stimmung wahr, dass sich viele Menschen Sorgen machen, ob und wie sie in ihren Häusern und Wohnungen tätig werden müssen“, sagte Ministerpräsident Daniel Günther (CDU). Auf diese Verunsicherung wolle man mit dem Spitzengespräch zur Wärmewende reagieren. Zugleich verstehe die Landesregierung die kurzfristig angesetzte Begegnung mit den Experten als Inspiration: nämlich „Impulse gesetzt zu bekommen, worum wir uns noch kümmern müssen“.

Eine halbe Stunde länger als geplant

Zweieinhalb Stunden saß die Runde in der Kieler Investitionsbank zusammen, eine halbe länger als vorgesehen. Danach war vor der Presse von der sonst die Debatte dominierenden Wärmepumpe so gut wie gar nicht die Rede. „Eine entscheidende Rolle“ misst Günther dem Ausbau bestehender und dem Neubau von Wärmenetzen zu. Anders als die meisten dieser Netze heute dann nicht mehr betrieben mit konventionellen Energieträgern, sondern zum Beispiel mit Ökostrom, Bioenergie, Geothermie oder industrieller Abwärme.

Landesbürgschaft für kommunale Wärmenetze

Um diesen Prozess abzusichern, hat das Land den Stadtwerken beim Wärmegipfel eine Bürgschaft von zwei Milliarden Euro zugesagt. Dafür stellt Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) eigens einen Nachtragshaushalt auf. Die Stadtwerke brauchen diese Kapitalstütze für Investitionen von insgesamt sechs Milliarden Euro, die sie für kommunale Wärmenetze planen.

Beratung wird verstärkt

Mit zehn Millionen Euro will das Land die Energieberatung verstärken. Der Kreis der Adressaten reicht von Mietern über Unternehmen bis hin zu Wohnungswirtschaft und Städten und Gemeinden.

So lang bleibt die Zeitachse

Keine Ambitionen gibt es indes, den Zeitplan für eine Dekarbonisierung des Gebäudesektors vorzuverlegen: Es bleibt dabei, dass die 78 einwohnerstärksten Städte und Gemeinden je nach Größe zwischen 2024 und 2027 kommunale Wärmepläne aufstellen müssen. Das sind Konzepte, wie Heizen ohne CO2-Ausstoß vor Ort geht. Die konkrete Planung zum Beispiel eines Wärmenetzes beginnt nach Auskunft des Gemeindetags jedoch erst nach Verabschiedung eines Wärmeplans in einem weiteren Schritt.

Eine Ampel zur Orientierung der Haushalte?

Der Wärmegipfel diskutierte auch über eine Art Ampel, an der die Menschen sehen können, wie es vor Ort um eine zeitliche Perspektive für einen Anschluss an ein Wärmenetz bestellt ist. Man wolle „versuchen“, ein derartiges Instrument zu etablieren, sagte der Ministerpräsident.

Ein Drittel aller Emissionen durch Heizen

Energiewendeminister Tobias Goldschmidt (Grüne) verdeutlichte, wie dringlich Verzicht auf CO2 beim Heizen ist, damit Schleswig-Holstein sein Ziel erreicht, bis 2040 klimaneutral zu werden: Acht Millionen Tonnen Treibhausgase pro Jahr entfallen bisher auf den Wärmebereich. Das sei ein Drittel aller klimaschädlichen Emissionen. Goldschmidt nahm bei dem Spitzengespräch eine hohe Bereitschaft „aller Akteure“ wahr, „schneller zu werden: Sie möchten raus aus dem Manufakturstadium hin zur Massenfertigung.“

Das sagt die Opposition

Der SPD-Oppositionsführer im Landtag, Thomas Losse-Müller, spendete der schwarz-grünen Koalition seltenen Beifall: „Die Landesregierung vollzieht eine richtige Kehrtwende und setzt jetzt stärker auf die Förderung von Wärmenetzen.“ Jedoch würden Bürgschaften allein nicht reichen. „Es muss auch echtes Geld als Eigenkapital fließen, sonst zahlen die Verbraucher am Ende doch drauf.“ Auch habe die Landesregierung noch keine Lösung für die vielen hundert kleinen Gemeinden, die gar kein Stadtwerk haben.

Mehr lesen

Leserinnenbeitrag

Meinung
Kirsten Nørgård Christensen
„Genbrugspladser også i landdistrikter“