Erneuerbare Energien

Solarstrom in Flensburg: Wie der Ausbau von Photovoltaik verschleppt wurde

Solarstrom in Flensburg: Wie der Ausbau von Photovoltaik verschleppt wurde

Wie der Ausbau von Photovoltaik verschleppt wurde

Mira Nagar, shz.de
Flensburg
Zuletzt aktualisiert um:
Foto: Marcus Dewanger/shz.de

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Das Potenzial für Solar-Energie in Flensburg wird kaum genutzt. Gleich mehrere Hindernisse standen dem Ausbau im Weg. Das soll sich ändern.

Das neue Krankenhaus am Peelwatt oder die Wohnhäuser am Hafen-Ost – wo neu gebaut wird, soll künftig auch der Bau einer Solaranlage auf dem Dach geprüft werden. Ab 2025 soll sie kommen, die „Solardachpflicht“ für Neubauten.

Das könnte in Flensburg so manche Pläne umkrempeln, denn Photovoltaik (PV) auf dem Dach ist noch eher die Ausnahme denn die Regel. Dabei ist klar: Große Solarparks auf Freiflächen kann sich die ausgereizte Stadt kaum erlauben. Auch wenn ein erster Park an der Husumer Straße entstehen soll - das größte Solar-Potenzial steckt auf dem Dach.

Allerdings geht die Stadt bislang kaum mit positivem Beispiel voran. Nur in Ausnahmefällen wird auf den Dächern der kommunalen Immobilien oder auf Schulen Strom geerntet.

So betreibe die Stadt Flensburg selbst eine Solaranlage auf der Sporthalle Friedheim, die nach Sanierungsarbeiten auf dem Dach installiert wurde. Außerdem befinden sich drei Solaranlagen in einem Pachtmodell auf der Fridtjof-Nansen-Schule, heißt es auf Anfrage.

Potenziale kaum genutzt

Dabei weist die Stadt auf ihrer Internetseite sogar selbst auf das unerschöpfte Potenzial auf Flensburgs Dächern hin. Ende 2019, so die aktuellste Zählung, gab es 951 Dachanlagen – auf nur 0,01 Prozent der „sehr gut geeigneten“ Dachflächen.

Etwas vorsichtiger rechnet die Initiative Klimabegehren. „Flensburg verfügt über viel sehr gut geeigneter Dachfläche auf Mehrfamilienhäusern, bei denen der Aufwand für die Montage und Integration in bestehende elektrische Anlagen vergleichsweise hoch sind“, erklärt Siegfried Manzel vom Klimabegehren. Viele Flachdachflächen seien aus statischen Gründen nicht in der Lage, eine PV-Anlage zu tragen.

Die Erwartungen variieren somit zwischen 150 und 45 Gigawattstunden pro Jahr. Zum Vergleich: Regional lag der Stromabsatz der Stadtwerke 2021 bei 273 Gigawattstunden.

Chancen verpasst

Ältere Gebäude nachzubestücken, ist zuweilen schwierig. So sei das Rathausdach selbst wahrscheinlich statisch ungeeignet, schätzt Stadtsprecher Clemens Teschendorf. Doch auch bei Neubauten wurden Chancen verpasst. Auf dem Dach der gerade erst fertiggestellten Ramsharde-Schule gibt es keine PV-Anlage - nicht etwa, weil man es vergessen hätte.

Die Gründe dafür sind speziell. „Es gab damals die Diskussion über die Sinnhaftigkeit von Solaranlagen auf Schulen“, versucht Teschendorf zu erklären, „da gerade in den Sommerferien die meisten Erträge generiert werden, die Wirtschaftlichkeit hingegen durch die Eigenstromnutzung schlecht ist, durch die geringe Einspeisevergütung.“

Soll in etwa heißen: Ausgerechnet dann, wenn die Schule in den Sommerferien nur wenig Strom verbraucht, scheint die Sonne. Der Eigenverbrauch ist dadurch zu gering und eine Einspeisung ins Netz und damit die gesamte Anlage nicht wirtschaftlich genug. Das Projekt wurde somit verworfen. Allerdings, so gibt Teschendorf zu bedenken: „Die Planung der Schule Ramsharde liegt schon mehrere Jahre zurück.“ 2016 war das, also Jahre nachdem das Solarkataster in die Planung ging.

Kommune muss nachhaltiger werden

„Diese Sichtweise hat sich zum Glück in den vergangen Jahren geändert“, sagt Teschendorf. „Gerade die Leitlinien für eine nachhaltige Siedlungsentwicklung zeigen, dass die Kommune noch nachhaltiger werden muss in ihrem Handeln.“ Der Beschluss sei im Februar 2022 erfolgt.

Helfen soll dabei auch das im Internet gut versteckte Solarkataster, das seit August 2020 online einzusehen ist - nach erheblicher Verzögerung aus datenschutzrechtlichen Gründen.

Ob die Übersicht über geeignete Dächer tatsächlich für den Wandel sorgt, lässt sich indes nur spekulieren. „Es wurden in diesem Zeitraum ca. 120 Anfragen bearbeitet. In den zwölf Monaten des Jahres 2021 wurden ca. 60 Anfragen bearbeitet“, erklärt Teschendorf. „Leider erhalten wir keine Rückmeldung von den Bürger*innen wie viele Dächer mit Solaranlagen installiert wurden.“

Die Stadt möchte aber künftig ihre Vorbildwirkung ernst nehmen. „Bei den Kommunalen Immobilien werden alle Neubauten und Sanierungsarbeiten, die mit dem Dach im Zusammenhang stehen, auf Eignung geprüft“, sagt Teschendorf. Heute würde man beispielsweise bei der Ramsharde-Schule anders entscheiden - allerdings auch, weil sich die Technik zur Stromspeicherung verbessert hat. Bei der neuen Schule in Fruerlund sollen die Sommerferien kein Hindernis mehr für den Solarausbau werden.

Mehr lesen

Leserbericht

Hanns Peter Blume
„Kunst der verstorbenen Anne Christel Bieling: Emotionales Treffen in Terkelsbüll“