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So will Schleswig-Holstein mehr Touristen aus dem Ausland anlocken

So will Schleswig-Holstein mehr Touristen aus dem Ausland anlocken

So will SH mehr Touristen aus dem Ausland anlocken

Frank Jung/shz.de
Kiel
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„echt nordiSH“: Mit dem Thema Wind und Wetter wirbt die Tourismusagentur Schleswig-Holstein bisher vor allem in Österreich und der Schweiz. Foto: Tash/shz.de

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Nach der Corona-Pandemie plant die Tourismusagentur Schleswig-Holstein einen neuen Anlauf, das nördlichste Bundesland für internationale Gäste attraktiver zu machen. Weshalb bei ihnen anders als bei deutschen Urlaubern der Boom bisher...

Trotz vergleichsweise schwieriger Ausgangsbedingungen will Schleswig-Holstein stärker die Angel nach Touristen aus dem Ausland auswerfen. „Mehr ausländische Gäste sind erstrebenswert, da sie häufig wechselkurs- und einkommensbedingt sehr kaufkräftig sind und teilweise länger bleiben als deutsche Gäste“, sagte die Chefin der Tourismusagentur Schleswig-Holstein (Tash), Bettina Bunge, unserer Redaktion.

Zudem will sie so die einseitige Abhängigkeit des Nordens vom Inlandsmarkt lockern. „Es ist Vorsorge zu tragen, wenn deutsche Gäste gegebenenfalls mehr in andere Länder reisen, beispielsweise aufgrund des Kostendrucks und der Attraktivität anderer Reiseziele“, erklärt Bunge.

Überprüfung des Reiseverhaltens

Die oberste Tourismus-Vermarkterin Schleswig-Holsteins kündigt an: „Nach der Corona-Pandemie überprüfen wir jetzt unsere Auslandsmärkte und werden gemeinsam mit den Partnerorganisationen das zukünftige Auslandsmarketing der Tash an die Veränderungen der Märkte, des Reiseverhaltens und vorhandener Ressourcen im Land anpassen.“

Boom bisher aufs Inland beschränkt

Während Urlaub an Nord- und Ostsee nach der Pandemie bei deutschen Kunden boomt wie nie zuvor, bleibt das internationale Segment in der Dynamik deutlich dahinter zurück. Der Anteil des nichtdeutschen Publikums im Schleswig-Holstein-Tourismus ist bisher marginal: Im ersten Halbjahr 2023 entfielen auf sie nur 5,4 Prozent aller Übernachtungen. Im kompletten Jahr 2022 waren nach der Corona-Delle erst wieder 1,5 Millionen Übernachtungen von Ausländern erreicht. Es fehlen in diesem Segment damit noch circa 24 Prozent bis zum ohnehin bescheidenen Vor-Pandemie-Niveau.

Angesichts einer in diesem Jahr bisher beschleunigten Wachstumskurve rechnet die Tash bis Ende des Jahres aber immerhin mit etwa 1,7 Millionen Übernachtungen ausländischer Gäste .Perspektivisch hält Bunge zunächst bis zu 2,5 Millionen Übernachtungen vom ausländischen Klientel für erstrebenswert.

Erstkontakt mit Langzeitwirkung

Die Leiterin der Tash hält das Anwerben internationaler Gäste auch insgesamt für Schleswig-Holstein für „zukunftssichernd“. Ein erster Kontakt als Tourist könne dazu beitragen, Menschen nicht nur Gäste, sondern längerfristig auch als Arbeitskräfte für Schleswig-Holstein zu begeistern.

Folgen der schlechten Verkehrsanbindung in SH

Dass das nördlichste Bundesland im touristischen Ausländergeschäft bisher wenig punkten kann, erklärt die Leiterin der Tash mit einem Bündel struktureller Gründe. Einer davon ist, dass Schleswig-Holstein aus internationaler Perspektive verkehrstechnisch schlecht erschlossen ist: „Über die größten Flughäfen Deutschlands wie Frankfurt, München und Berlin kommen viele ausländische Gäste nach Deutschland. Da ist Schleswig-Holstein zu weit entfernt. Die Flughäfen Hamburg, Lübeck und Sylt bieten zwar Flüge aus europäischen Städten an, teilweise aber nur in der Hauptsaison und nur begrenzt.“

Fehlende Sprachenvielfalt an vielen Stellen

Zudem fehlen laut Bunge im Schleswig-Holstein-Tourismus für zahlreiche Orte, Regionen und Unterkünfte fremdsprachige Websites sowie Sprachenkenntnisse in Tourist-Informationen und Betrieben. Vielfach fehlten bei Personal und Budget spezielle Kapazitäten, die für die Anwerbung eines internationalen Publikums erforderlich sei.

Bunge rät zu Schulungen der Beschäftigten nicht nur bei Sprachkenntnissen, sondern auch über Eigenheiten internationaler Gäste. Informationen in Englisch sollten nicht nur auf Websites, sondern auch auf Speisekarten, Infotafeln, Wanderkarten, in Audioguides und bei Führungen zur Verfügung stehen, so Schleswig-Holsteins oberste touristische Vermarktungs-Chefin. Ihr Tipp: Künstliche Intelligenz nutzen. „Hier können auch KI-Anwendungen wie der Übersetzungsdienst DeepL ressourcensparend helfen.“

Technisch weiter aufgerüstet werden müsse auf jeden Fall an einer weiteren Stelle: „Kartenzahlung und Zahlung per Smartphone sollten möglichst flächendeckend angeboten werden, auch bei der Eisdiele, der Strandkorbvermietung und an der Fischbude.“

Grundsätzlich könne jede Region ausländische Gäste für sich gewinnen, „wenn sie sich mit den Wünschen und Verhaltensweisen der Menschen in den Märkten beschäftigt, die digitalen Kommunikationskanäle mit relevanten Informationen füttert und eine internationale Willkommenskultur vor Ort lebt“.

Maritime Werbe-Events im Ausland

Hätte die ganz überwiegend aus Mitteln des Landes finanzierte Tash ein höheres Budget, könnte sie laut Bunge „verstärkt Veranstaltungen im Ausland organisieren, um Reiseveranstalter, Reisejournalisten und Tagungsplaner gezielt über Schleswig-Holstein zu informieren. Wir könnten zusätzlich Medienkooperationen realisieren und in unserer Landesdatenbank mehr touristische Inhalte einpflegen, die für ausländische Gäste relevant sind.“

Eine weitere Idee geht dahin, wie Konkurrenten von anderswo es vorleben, maritime Schleswig-Holstein-Events im Ausland zu machen, um dort Gäste medienwirksam anzusprechen. Dabei nähme die Tash gern spannende Persönlichkeiten aus dem Land mit, die als Botschafter ihre Region oder ihren Betrieb vorstellen. In Schleswig-Holstein, so Bunge, könnte die Tash mit mehr Geld regelmäßig Info-Veranstaltungen für Tourismusorganisationen und Betriebe über den Umgang mit ausländischen Gästen anbieten.

Das sind die Türöffner für den Tourismus in Schleswig-Holstein

Und wo dockt das Werben um Gäste aus dem Ausland am besten an? Bunge: „Unsere starken Marken wie die Nord- und Ostsee, die Inseln und Lübeck, Kiel und Flensburg sind aufgrund ihrer Bekanntheit und der Auslandaktivitäten von touristischen Leistungsträgern dort generell Türöffner für unser gesamtes Bundesland.“

Urlaubsforschung: Ja, aber ...

Aus der Urlaubsforschung kommt eine Ermunterung für die internationalen Ambitionen der Tash: „Wenn man für Schleswig-Holsteins zu dem Schluss kommen sollte, dass Wachstum im inländische Markt schwierig ist, kann ein verstärktes Auslandsmarketing ein sinnvolles Ziel sein“, sagt Ulf Sonntag, Leiter des Instituts für Tourismus- und Bäderforschung in Nordeuropa (NIT) in Kiel. Sein Haus stellt unter anderem für die Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen die „Reiseanalyse“, die längste und bedeutendste jährliche Studie über das Ferienverhalten der Bundesbürger zusammen.

Sonntags wichtigste Botschaft: „Sich ganz neu irgendwo auf die Landkarte zu bringen, wird schnell überproportional teuer. Gerade im Auslandsmarketing ist es wichtig, die Mittel konzentriert einzusetzen und vielversprechende Märkte dann kontinuierlich zu bearbeiten.“ Dabei müsse man sich darüber im Klaren sein, dass nicht-deutsches Publikum eher ein Zusatz, aber kein Ersatz von Schleswig-Holsteins traditioneller Klientel sein werde. „Großen Massen in Bewegung zu setzen ist schwierig.“

Wenige kulturelle Highlights für Touristen

Als Hürde für Schleswig-Holstein im Vergleich zu anderen Bundesländer sieht Sonntag nicht allein die schlechte Erreichbarkeit per Flugzeug. Sondern auch, „dass kulturelle Highlights in anderen Teilen Deutschlands zahlreicher und oft von vornherein bekannter sind“. Vor allem Lübeck und die Hanse und potentiell auch das Thema Wikinger sieht Sonntag auf diesem Gebiet als mögliche international durchschlagende Trümpfe.

Die Hürde des nordischen Strandprodukts

„Vieles an Schleswig-Holsteins Urlausprofil ist historisch so gewachsen wie es heute ist“, gibt der Marktforscher zu bedenken. Vor allem an den Küsten fuße der Tourismus im Land auf „einem nordischen Strandprodukt, ob mit Baden oder ohne“. „Damit aus dem europäischen Süden Gäste zu locken, ist wohl eher etwas für Liebhaber.“ Nicht umsonst habe nur das vergleichsweise ähnlich strukturierte Mecklenburg-Vorpommern von allen Bundesländern noch weniger ausländische Touristen als Schleswig-Holstein.

Der Werberadius hängt vom Thema ab

Der Radius für ein schleswig-holsteinisches Auslandsmarketing lässt sich laut Sonntag nicht pauschal bestimmen. „Das hängt vom Thema einer Reise ab.“ Ein Beispiel: „Die Dänen oder auch andere Skandinavier werden eher nicht zum Strandurlaub nach Schleswig-Holstein fahren, weil sie ein ähnliches Urlaubserlebnis zu Hause auch haben.

Da ist es dann bei Dänen eher das Wellness-Wochenende, das man mal jenseits größerer Urlaube einstreut. Oder bei Schweden die Chance, sich auf der Durchreise in andere Staaten als attraktiver Zwischenaufenthalt zu profilieren.“

Für Gäste von weiter weg könne Schleswig-Holstein beispielsweise als Teil einer Rundreise auch in andere Teile Deutschlands interessant sein, insbesondere als Ergänzung zu einem Hamburg-Aufenthalt. „Da könnte Schleswig-Holstein dann für die Abteilung Füße-Hochlegen zuständig sein.“

Generell gilt für Sonntag: „Jeder Markt ist anders. Vor einem erfolgreichen Auslandsmarketing steht immer eine Bewertung der möglichen Chancen für Schleswig-Holstein in den verschiedenen Ländern - und dann eine Priorisierung, auf welche Märkte sich das Auslandsmarketing konzentrieren sollte.“

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Leserinnenbeitrag

Gudrun Struve
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