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Schleswig-Holsteins Grundschulen sinken auf das Niveau von Hamburg

Schleswig-Holsteins Grundschulen sinken auf das Niveau von Hamburg

Grundschulen in SH sinken auf das Niveau von Hamburg

Henning Baethge
Kiel
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Unterricht an einer Grundschule: Die Leistungen haben in ganz Deutschland gelitten. Foto: Frank Hammerschmidt

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In der Corona-Pandemie haben die Leistungen der Schulkinder stark nachgelassen. In Schleswig-Holstein liegen sie jetzt nur noch auf Hamburger Niveau. Ranglisten zeigen, welche Fähigkeiten besonders gelitten haben.

Das ist kein gutes Zeugnis für Schleswig-Holsteins Bildungspolitik: Die Leistungen der Grundschulkinder im Land haben sich in der Corona-Pandemie deutlich verschlechtert und liegen jetzt erstmals nur noch auf dem Niveau der Hamburger Grundschulen. Dort haben die Leistungen nicht so stark gelitten wie hierzulande. Das zeigen die Länderergebnisse des „Bildungstrends 2021“, den die Kultusministerkonferenz, kurz KMK, am Montag in Berlin veröffentlicht hat.

Für den alle fünf Jahre stattfindenden Leistungsvergleich der Grundschulen hat das Berliner Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) zwischen April und August letzten Jahres in ganz Deutschland rund 27.000 Viertklässler und Viertklässlerinnen an fast 1500 Schulen in allen 16 Bundesländern getestet. Untersucht wurden die Fähigkeiten in den Fächern Mathematik und Deutsch, wobei Deutsch wiederum in die drei Kompetenzen Lesen, Zuhören und Rechtschreibung unterteilt war.

Drei Gründe für die schlechteren Leistungen

Dabei hat sich gezeigt, dass die Leistungen in allen vier Kategorien in allen Ländern seit 2016 fast durchweg abgenommen haben. Schleswig-Holsteins Bildungsministerin und KMK-Präsidentin Karin Prien führt das zum einen auf die „Belastungen durch die Corona-Pandemie mit den langen Schulschließungen, Wechselunterricht und Distanzlernen“ zurück. Zum anderen nennt sie aber auch „die fortschreitende Inklusion“ und die „veränderte Zusammensetzung der Schülerschaft“ mit mehr Kindern aus Migranten- und Flüchtlingsfamilien als Grund für die gesunkenen Leistungen.

Mathe und Rechtschreibung haben am meisten gelitten

In Hamburg haben die Grundschulen allerdings am wenigsten nachgelassen. Sie konnten ihr Niveau in Lesen und Mathe fast halten. Dagegen litten in Schleswig-Holstein die Leistungen in Mathematik und Rechtschreibung überdurchschnittlich stark und gingen in Mathe um 25 und in Orthografie sogar um 33 Punkte zurück – umgerechnet ist das mehr als ein Viertelschuljahr. Das Land liegt damit in beiden Kompetenzen nicht mehr wie bisher über dem Bundesniveau und auch nicht mehr über dem Hamburger. Im Lesen ist es inzwischen ebenfalls nur noch so gut wie das Nachbarland an der Elbe.

Bayern und Sachsen vorn, Bremen und Berlin hinten

Dagegen lagen Schleswig-Holsteins Grundschulkinder noch vor fünf und auch vor zehn Jahren in allen getesteten Kompetenzen weit vor Hamburg. Jetzt sind sie nur noch im Zuhören besser, ja sogar bundesweit Spitze. Vorn liegen ansonsten stets Bayern und Sachsen, ganz hinten Bremen, Berlin und das stark abgestürzte Land Brandenburg.

Bildungsgerechtigkeit ist im Norden gesunken

Aus schleswig-holsteinischer Sicht unerfreulich ist zudem, dass die Bildungsgerechtigkeit in allen vier getesteten Kompetenzen gesunken ist. Der Schulerfolg eines Kindes hängt jetzt stärker als vor fünf Jahren von dessen sozialer Herkunft ab. Das ist zwar in ganz Deutschland so – aber gerade in den Schlüsselqualifikationen Lesen und Mathematik hat die Ungerechtigkeit in Schleswig-Holstein noch stärker zugenommen als im Bundesdurchschnitt. Auch die Leistungen von Zuwandererkindern weichen in Land und Bund in allen Bereichen noch weiter nach unten ab als bisher ohnehin schon.

Mädchen fallen in Mathe besonders stark zurück

Nicht zuletzt hat sich im nördlichsten Bundesland im Fach Mathematik der Leistungsrückstand der Mädchen gegenüber den Jungs in der Pandemie so sehr vergrößert wie in keinem anderen Land, um gleich 17 Punkte. Bundesweit waren es nur 7 Punkte. In Deutsch sind dagegen die Jungs in allen drei Kompetenzen weiter hinter die Mädchen zurückgefallen – allerdings lange nicht so stark.

Ministerin Prien kritisert die Schulen im Land

Ministerin Prien nennt die Entwicklung im Land „besorgniserregend – besonders in Mathematik“. Zwar gebe es in Schleswig-Holstein schon „eine Reihe von erfolgreichen Ansätzen“ zur Förderung der Kinder wie die Programme „Mathe macht stark“ oder „Lesen macht stark“ sowie das Programm „Aufholen nach Corona“. Doch müssten Schulen sich künftig noch besser auf die von den Kultusministern vorgegebenen Bildungsstandards einstellen. „Viel zu oft orientieren sich die Schulen stärker an den Lehrbüchern und weniger an den kompetenzorientierten Fachanforderungen“, kritisiert Prien.

Zudem kündigt die CDU-Politikerin für die Klassen 3 und 4, aber auch 6 bis 10 verstärkte Lernstandskontrollen an. Und sie fordert Konsequenzen auch in den Kindergärten: „Wir müssen noch früher mit der allgemeinen und insbesondere mit der systematischen Sprachförderung ansetzen.“ Schließlich sei „die Welt eine andere als vor zehn Jahren“. Prien verkündet daher, dass Schleswig-Holstein in den Kitas verbindliche Sprachstandserhebungen einführen werde. Zuständig dafür ist allerdings die grüne Sozialministerin Aminata Touré.

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Meinung
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